Gesammelte Werke von Emile Zola: Die Rougon-Macquart Reihe, Romane & Erzählungen. Emile Zola

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Gesammelte Werke von Emile Zola: Die Rougon-Macquart Reihe, Romane & Erzählungen - Emile Zola


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glänzenden seidenen Toiletten, über die Schultern, deren Milchweiße mit Diamanten bestreut war, breitete eine feenhafte Beleuchtung einen goldenen Schimmer aus. In dem Gemach herrschte eine drückende Hitze. Langsam bewegten sich die Fächer gleich ebensovielen Flügeln, mit jedem Schlag einen Hauch der den Leibchen entquellenden scharfen Parfüms in die Luft sendend.

      Als Maxime im Thürrahmen erschien, richtete sich Renée, die der Marquise nur zerstreut Gehör schenkte, lebhaft empor, indem sie sich den Anschein gab, als müßte sie ihren Pflichten als Hausfrau nachkommen. Sie begab sich in den großen Salon, wohin ihr auch der junge Mann folgte. Dort machte sie einige Schritte, lächelte, theilte Händedrücke aus und sagte dann, indem sie Maxime zur Seite zog, halblauten Tones und ironisch lächelnd:

      »Der Frohndienst scheint denn doch nicht so schlimm zu sein, ja, es ist wohl ganz angenehm, ihr den Hof zu machen?«

      »Ich verstehe nicht«, erwiderte der junge Mann, der sich für Herrn von Mussy zu verwenden gedachte. »Es scheint aber, als hätte ich wohlgethan, Dir Luise nicht vom Halse zu nehmen. Ihr Beide macht die Sache schnell.«

      Und gleichsam ärgerlich fügte sie hinzu:

      »Das war bei Tische geradezu unschicklich.«

      Maxime begann zu lachen.

      »Ach ja! wir haben uns Geschichten erzählt. Ich kannte das kleine Ding gar nicht. Sie ist ordentlich drollig. Sie schaut aus wie ein Junge.«

      Und da Renée noch immer die gereizte Miene einer in ihrem moralischen Gefühl verletzten Person zeigte, fügte der junge Mann, dem derlei Empfindeleien bei seiner Stiefmutter etwas Unbekanntes waren, mit lächelnder Vertraulichkeit hinzu:

      »Denkst Du vielleicht, Stiefmama, ich hätte ihr unter dem Tische die Kniee gedrückt? Alle Wetter, man weiß ja, was man seiner Verlobten schuldig ist ... Ich habe Dir Wichtigeres zu sagen. Höre einmal ... Du hörst doch, nicht wahr?«

      Und die Stimme noch mehr dämpfend, sagte er:

      »Die Sache ist die ... Herr von Mussy ist sehr unglücklich; er hat es mir soeben gesagt. Es ist, wie Du Dir denken kannst, nicht meine Sache, Euch mit einander auszusöhnen, wenn Ihr Streit gehabt habt. Du weißt aber, daß ich ihn noch vom Colleg her kenne und da er wirklich sehr betrübt dreinblickte, so habe ich ihm versprochen, ein Wort für ihn bei Dir einzulegen ...«

      Er hielt inne, denn Renée blickte ihn mit einer unerklärlichen Miene an.

      »Du antwortest nicht?« fuhr er fort. »Gleichviel; ich habe das Meinige gethan und Ihr könnt nun thun, was Ihr wollt ... Offen gestanden, scheint es mir, als wärst Du sehr grausam. Der arme Junge flößt mir Mitleid ein. An Deiner Stelle würde ich ihm wenigstens ein gutes Wort bieten.«

      Nun erwiderte Renée, die nicht aufgehört hatte, Maxime starren Auges anzublicken, in welchem ein brennender Ausdruck lag:

      »Sage Herrn von Mussy, daß er mich langweilt.«

      Damit ließ sie ihn stehen und schritt wieder lächelnd, grüßend, Händedrücke austheilend zwischen den Gruppen dahin. Maxime verharrte einen Augenblick regungslos, erstaunt; dann begann er leise zu lachen.

      Da es ihn nicht sonderlich drängte, Herrn von Mussy von dem Resultate seiner Bemühungen in Kenntniß zu setzen, so begann er einen Rundgang durch den Salon. Die Festlichkeit, die ebenso gelungen und ebenso gewöhnlich war, wie derlei Festlichkeiten zu sein pflegen, war ihrem Ende nahe. Mitternacht war nicht mehr fern, die Gäste begannen sich zu entfernen. Er wollte nicht mit dem Gefühle des Aergers zu Bett gehen und beschloß, Luise aufzusuchen. Vor der Ausgangsthür vorüberschreitend, erblickte er im Vestibüle die hübsche Frau Michelin, die ihr Gatte zärtlich in einen blau-rothen Ueberwurf hüllte.

      »Er war reizend, geradezu reizend,« sagte die junge Frau. »Während des Speisens sprachen wir immer nur von Dir. Er wird mit dem Minister sprechen; nur hängt die Sache nicht von ihm ab ...«

      Und da zur selben Zeit ein Lakai unweit von ihnen den Baron Gouraud in einen warmen Mantel verpackte, flüsterte sie ihrem Gatten, während er ihr die Schnur des Capuchons unter dem Kinn zusammenband, leise ins Ohr:

      »Dieser Dickwanst kann den Ausschlag geben. Er thut was er will, der Minister vertraut ihm rückhaltslos. Morgen, bei den Mareuils wird man trachten müssen ...«

      Herr Michelin lächelte. Vorsichtig nahm er seine Frau mit sich, als hätte er ein gebrechliches, kostbares Spielzeug am Arme geführt. Nachdem sich Maxime mit einem Blick überzeugt hatte, daß Luise nicht im Vestibüle sei, begab er sich direkt in den kleinen Salon. Thatsächlich traf er sie dort an, beinahe allein, ihren Vater erwartend, der den ganzen Abend im Rauchzimmer, in Gesellschaft der politisirenden Herren verbracht hatte. Die Marquise und Frau Haffner waren nicht mehr zugegen. Nur Frau Sidonie war noch anwesend und erzählte mehreren ältlichen Damen, daß sie eine große Thierfreundin sei.

      »Ah! mein kleiner Gatte!« rief Luise aus, als sie den jungen Mann erblickte. »Setzen Sie sich doch zu mir und sagen Sie mir, in welchem Fauteuil mein Vater eingeschlafen ist. Er wird gemeint haben, sich schon im Parlament zu befinden.«

      Maxime antwortete in demselben Tone und dasselbe heitere Lachen, welches während des Diners so oft ertönt, erscholl neuerdings von den Lippen der beiden jungen Leute. Auf einem niedrigen Schemel zu ihren Füßen sitzend, nahm er ihre Hände in die seinigen, um mit denselben zu spielen, als hätte er einen Kameraden vor sich. Und in der That glich sie in ihrem rothgetupften weißen Seidenkleidchen, dem hohen Leibchen mit der flachen Brust und dem kleinen, schmächtigen, häßlichen Knabenkopfe einem als Mädchen verkleideten jungen Burschen. Von Zeit zu Zeit aber verriethen die dünnen Arme, die verbogene Taille eine gewisse Hingebung und ein heißer Ausdruck erschien in ihren noch voll Unschuld blickenden Augen, ohne daß sie im Entferntesten ob des Getändels ihres Gesellschafters erröthet wäre. Und Beide lachten, sich allein wähnend, ohne selbst Renée zu bemerken, die halb verborgen hinter einer Pflanze des Treibhauses, sie von Weitem beobachtete.

      Vor einigen Sekunden war die junge Frau, als sie durch eine Allee des Treibhauses schritt, bei dem Anblicke Maximes und Luisens hinter einem Strauche stehen geblieben. Rings um sie her breitete das Gewächshaus, das einem Kirchenschiff vergleichbar war und dessen dünne, eiserne Säulchen kühn in die Höhe strebten, wo sie das mächtige Glasdach stützten, seine üppige Vegetation, seine mächtigen Pflanzenblätter, seine grünen Laubdächer aus.

      In einem die Mitte des Raumes einnehmenden und sich in gleicher Höhe mit dem Boden befindlichen ovalen Bassin war das geheimnißvolle, meergrüne Leben der Wasserpflanzen, die ganze Wasserflora der heißen Länder vereinigt. Seine grünen Helmbüsche emporreckend, umgab der Cyclanthus gleich einem mächtigen Gürtel den Wasserstrahl, der dem verstümmelten Schaft einer cyclopischen Säule glich. An den beiden Enden des Bassins breiteten große Cornelias ihr absonderliches Strauchwerk über das Wasser, ihre trockenen, nackten, an kranke Schlangen gemahnenden Schäfte, deren Wurzelwerk gleich langen Angelschnüren in der Luft hing. Nahe am Rande entfaltete ein Java-Pendanus seine mit weißen Streifen durchzogenen grünlichen Blätter, die schmal waren wie Degenklingen und gezahnt und stachelig gleich einem malayischen Dolche. Und dicht oberhalb der Wasserfläche, in der lauen Temperatur des fortwährend erwärmten Wassers öffneten Nymphäen ihre rosenrothen Sterne, während die Eurnaden ihre runden, gleichsam aussätzigen Blätter herabhängen ließen, die dem Rücken ungeheurer, mit Pusteln bedeckten Kröten gleich auf dem Wasser schwammen.

      Statt des Rasens umgab ein breites Band von Selaginelle das Bassin. Diese Zwergart der Farrenkräuter bildete einen dichten, zartgrünen Moosteppich. Und jenseits der großen Verbindungsallee strebten vier mächtige Gruppen in kräftigem Schwung bis zur Decke empor: die in ihrer Anmuth ein wenig gebeugten Palmen breiteten ihre Fächer aus, entfalteten ihre abgerundeten Wipfel, wobei ihre Blätter herabhingen, gleich erschöpften Rudern, die von ihrer ewigen Reise durch die Lüfte ermüdet waren; das große indische Bambus stieg schlank, hart, kerzengerade in die Höhe, von wo es seine dürren, leichten Blätter herunterhängen ließ; ein Ravenaca, der Baum des Reisenden, breitete seine ungeheuren ofenschirmartigen Blätter aus und in einer Ecke entsendete eine mit Früchten beladene Banane ihre langen horizontalen Blätter


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