Gesammelte Werke von Guy de Maupassant. Guy de Maupassant
Читать онлайн книгу.zwei Tagen nach Paris zurückgekehrt, und der Journalist hatte seine bisherige Thätigkeit wieder aufgenommen, bis er später die Redaktion des lokalen Teiles niederlegen könnte, um definitiv an die Stelle Forestiers zu treten und sich ganz der Politik zu widmen.
An diesem Abend ging er nach seiner Wohnung, nach der seines Vorgängers, zum Essen. Er war guter Laune und freute sich seine Frau zu umarmen, deren Liebreiz er unterlag und die ihn ganz gefangen hatte. Als er bei einer Blumenhändlerin unten in der Straße Notre Dame de Lorette vorüber ging, kam ihm der Gedanke, Magdalene ein Paar Blumen zu kaufen, und er wählte einen großen Strauß von kaum erschlossenen duftenden Rosenknospen.
Auf jedem Treppenabsätze seiner neuen Wohnung sah er sich wohlgefällig in dem Spiegel, dessen Anblick ihn immer an sein erstes Erscheinen hier im Hause erinnerte.
Da er den Schlüssel vergessen hatte, klingelte er, und derselbe Diener, den er auf Rat seiner Frau behalten hatte, öffnete.
Georg fragte:
– Ist meine Frau zu Hause?
– Jawohl!
Aber als er durch das Eßzimmer ging, war er sehr erstaunt, drei Gedecke zu sehen und da die Portière vom Salon geöffnet war, erblickte er Magdalene, die einen Blumenstrauß, dem seinen ganz ähnlich, in eine Kaminvase ordnete. Das verstimmte ihn, als hätte man ihm seine Idee, seine Aufmerksamkeit und das Vergnügen, das er sich davon versprochen, gestohlen.
Er fragte, indem er eintrat:
– Hast Du denn jemand eingeladen?
Ohne sich umzudrehen, ohne sich in ihrer Beschäftigung stören zu lassen, sagte sie:
– Ja und nein. Mein alter Freund Graf Vaudrec pflegte jeden Montag bei uns zu essen, er kommt wie früher.
Georg brummte:
– Sieh mal an, das ist sehr schön!
Er blieb hinter ihr stehen, den Blumenstrauß in der Hand. Eigentlich hatte er Lust ihn zu verstecken, ihn fort zu werfen, aber er sagte dennoch:
– Da, ich habe Dir Rosen mitgebracht!
Sie drehte sich schnell um und rief lächelnd:
– Ach das ist aber nett, daß Du daran gedacht hast!
Und streckte ihm mit offenen Armen die Lippen entgegen, mit einem so warmen Ausdruck der Liebe und der Freude, daß er sich getröstet fühlte.
Sie nahm die Blumen, roch daran, glückselig wie ein Kind, und steckte sie in die zweite Vase, die neben der andern stand. Dann sagte sie, indem sie überblickte, wie es aussah:
– Das macht mir großen Spaß, nun ist mein Kamin schön.
Sie fügte fast sofort mit überzeugtestem Ton hinzu:
– Weißt Du, Vaudrec ist nämlich reizend, Du wirst gleich ganz intim mit ihm sein.
Der Glockenton zeigte die Ankunft des Grafen an. Er trat ruhig ein, als fühle er sich ganz zu Hause. Nachdem er galant der jungen Frau die Hand geküßt hatte, wandte er sich zu ihrem Manne und streckte ihm liebenswürdig die Finger entgegen mit der Frage:
– Nun wie geht es, lieber du Roy?
Er hatte nicht mehr sein steifes zugeknöpftes Wesen, wie einst, sondern etwas Zuvorkommendes, das wohl anzeigte, wie die Lage sich geändert. Der Journalist war erstaunt. Er wollte sich liebenswürdig zeigen diesem Entgegenkommen gegenüber, und nach fünf Minuten waren sie miteinander, als kennten und liebten sie sich seit zehn Jahren. Da sagte Magdalene mit strahlendem Gesicht:
– Ich lasse euch allein. Ich habe noch in der Küche zu thun.
Und sie ging, während die beiden Männer ihr nachblickten.
Als sie wiederkam, sprachen sie vom Theater, über ein neues Stück und waren dermaßen gleicher Ansicht, daß eine Art von plötzlicher Freundschaft aus ihren Augen glänzte vor Freude über die Übereinstimmung ihrer Meinungen.
Das Diner war reizend, sehr intim und herzlich, und der Graf blieb bis spät, so wohl fühlte er sich in diesem Hause, in dieser netten jungen Ehe.
Sobald er fort war, sagte Magdalene zu ihrem Mann:
– Nicht wahr er ist ein Kavalier? Er gewinnt sehr bei näherer Bekanntschaft, und er ist ein guter Freund, zuverlässig, ergeben und treu. Ach ohne ihn ….
Sie beendigte ihren Satz nicht, und Georg antwortete:
– Ja ich finde ihn sehr nett. Ich glaube wir werden uns gut vertragen.
Aber sie gab sofort zurück:
– Höre mal! Ehe wir heute abend zu Bett gehen, haben wir noch zu arbeiten. Ich konnte es Dir vor Tisch nicht mehr sagen, weil Vaudrec so schnell kam. Ich habe vorhin wichtige Nachrichten bekommen über Marokko. Laroche-Mathieu, der Abgeordnete, der zukünftige Minister, hat sie mir gebracht. Wir müssen einen großen Artikel, einen Sensationsartikel loslassen; ich habe lauter Thatsachen und Zahlen. Wir wollen sofort an die Arbeit, komm, nimm mal die Lampe.
Er nahm sie, und sie gingen mit einander in das Arbeitszimmer hinüber.
Dieselben Bücher standen auf demselben Büchergestell, das jetzt die drei Vasen, die Forestier am Tage vor seinem Tode im Golf Juan gekauft hatte, schmückten. Unter dem Tische erwartete der Fußsack des Verstorbenen Duroys Füße, der sich setzte und den Elfenbein-Federhalter in die Hand nahm, den der andere an der Spitze etwas abgekaut hatte.
Magdalene lehnte sich an den Kamin und kramte ihre Neuigkeiten aus, nachdem sie eine Cigarette angezündet hatte. Dann verbreitete sie sich näher über ihre Ansichten und wie der Artikel, von dem sie geträumt, entworfen werden sollte.
Er hörte ihr aufmerksam zu und notierte sich ein paar Sachen, und als sie fertig war, machte er seine Einwürfe geltend, nahm die Frage nochmals auf, erweiterte sie, und entwickelte nun seinerseits nicht bloß den Plan zu einem Artikel, sondern zu einem ganzen Feldzug gegen den gegenwärtigen Minister. Dieser Angriff sollte der Anfang davon sein. Seine Frau hatte aufgehört zu rauchen, und jemehr sie an der Sache Interesse gewann, desto mehr blickte sie, dem Gedankengange Georgs folgend, in die Weite.
Ab und zu murmelte sie:
– Ja, ja! Sehr gut! Ausgezeichnet! Das sitzt!
Und als er nun fertig war, sagte sie:
– So nun wollen wir schreiben.
Aber ihm wurde immer der Anfang schwer und nur mühselig fand er die Worte; da beugte sie sich über seine Schulter und flüsterte ihm ganz leise die ersten Sätze ins Ohr.
Ab und zu hielt sie inne und fragte:
– Nicht wahr, das willst Du doch sagen?
– Ja, ganz genau!
Sie wußte kleine Stiche auszuteilen, mit weiblichen Bosheiten den Ministerpräsidenten zu verletzen, und Witze über sein Äußeres mischte sie mit solchen über seine Politik so drollig, daß man lachen und doch das treffende ihrer Beobachtungen bewundern mußte.
Du Roy fügte ab und zu ein paar Zeilen ein, die die Tiefe und Wirkung des Angriffs erhöhten. Er verstand die Kunst perfider Anspielungen, die er bei der Redaktion der Lokalnachrichten gelernt hatte. Und wenn irgend etwas, das Magdalene als sicher hinstellte, ihm doch zweifelhaft oder kompromittierend erschien, so suchte er die Geschichte so zu wenden, daß man sie erraten konnte; so daß sie eigentlich größeren Eindruck machte, als hätte er sie geradezu gesagt.
Als der Artikel fertig war, las ihn Georg noch einmal, indem er ihn mit lauter Stimme vortrug. Sie waren einer Ansicht, daß er vorzüglich wäre und lachten sich entzückt und überrascht an, als ob sie sich einer dem andern eben offenbart. Sie blickten sich tief in die Augen, ergriffen von gegenseitiger Bewunderung und Zärtlichkeit, dann küßten sie sich heftig, als ob die zärtliche Übereinstimmung ihrer Geister ihre Körper entflammte.
Du Roy nahm wieder die Lampe und sagte mit feurigem Blick:
– So nun gehen wir ins Bettchen.