Gesammelte Werke von Guy de Maupassant. Guy de Maupassant

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Gesammelte Werke von Guy de Maupassant - Guy de Maupassant


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      Und immer wiederholte er sich:

      »Wie ist es nur möglich, daß sich meine Frau nur einen Augenblick an ein solches Beest hat verkaufen können.«

      Und durch tausend unbedeutende Kleinigkeiten, die ihn wie Nadelstiche trafen, wuchs täglich sein Haß, durch die unausgesetzte Erinnerung an den andern, die durch irgend eine Äußerung Magdalenes geweckt wurde, durch ein Wort des Dieners oder des Mädchens.

      Eines Abends sagte du Roy, der das Süße liebte:

      – Warum essen wir nie eine süße Speise? Du setzest mir nie eine vor.

      Die junge Frau antwortete:

      – Gott, das ist wahr, ich denke nie daran. Das kommt, weil Karl sie nicht gern …

      Mit einer ungeduldigen Bewegung schnitt er ihr das Wort ab, er konnte sich nicht mehr beherrschen:

      – Höre mal, Dein Karl beginnt mich zu langweilen. Karl hier und Karl da; er liebte dies und er liebte das, Karl ist krepiert, und wir wollen ihn in Ruhe lassen.

      Magdalene blickte ihn ganz entsetzt an, sie verstand diese plötzliche Wut nicht. Aber da sie feinfühlig war, erriet sie doch ziemlich, was in ihm vorging, das langsame Wühlen einer nachträglichen Eifersucht, die jeden Augenblick größer wurde, durch alles was ihn an den andern erinnerte.

      Sie fand es vielleicht kindisch, aber es schmeichelte ihr, und sie antwortete nichts.

      Er ärgerte sich über den Wutausbruch, den er nicht hatte zurückhalten können; und, da er diesen Abend nach Tisch seinen Artikel machte für den nächsten Tag, steckte er die Füße in den Fußsack. Als er aber mit seiner Arbeit gar nicht fertig werden konnte, stieß er den Fußsack fort und sagte lachend:

      – Fror denn Karl immer an den Pfoten?

      Sie antwortete gleichfalls lachend:

      – Er hatte ja immer Angst vor Erkältung und hatte eine schwache Lunge.

      Du Roy antwortete roh:

      – Na, das haben wir ja gemerkt! – Dann fügte er hinzu: – Zu meinem Glück! – und küßte seiner Frau die Hand.

      Aber als sie zu Bett gingen, ließ ihn der Gedanke noch immer nicht los, und er fragte noch einmal:

      – Trug Karl eine Nachtmütze, um keinen Zug an den Kopf zu bekommen?

      Sie ging auf den Scherz ein und antwortete:

      – Nein, ein Madrastuch um die Stirn gewickelt. Georg zuckte mit den Achseln und sagte in verächtlichem und überlegenem Ton:

      – So ein Gimpel!

      Und von nun an unterhielt er sich fortwährend über Karl. Alle Augenblicke sprach er von ihm und nannte ihn nur immer ,der arme Karl’ mit dem Ausdruck unendlichen Bedauerns.

      Wenn er aus der Redaktion kam, wo man ihn zwei oder dreimal Forestier genannt hatte, rächte er sich dadurch, daß er den Toten mit hämischen Scherzen in seiner Grabesruhe störte. Er zählte seine Fehler auf, seine Lächerlichkeiten, seine kleinen Eigenheiten, es machte ihm Spaß sie breit zu treten, sie zu übertreiben, als ob er im Herzen seiner Frau den Einfluß eines gefährlichen Nebenbuhlers überwinden wollte. Er sagte:

      – Sag mal, Magda, weißt Du noch, wie das Rindvieh, der Forestier, behauptete, dicke Menschen wären kräftiger als magere?

      Dann wollte er eine Menge intimer und verborgener Einzelheiten über den Toten wissen. Der jungen Frau war es peinlich, sie mochte es nicht sagen, aber er blieb dabei und fragte wieder:

      – Ach was, nu erzähle mir mal, er muß doch furchtbar komisch dabei gewesen sein.

      Sie flüsterte nur:

      – Laß ihn doch in Ruhe!

      Er begann von neuem:

      – Nein, sag mal, der Kerl muß sich doch wie ein Runks im Bett benommen haben.

      Und das Ende war jedesmal:

      – Er war doch ein Fletz!

      Als er eines Abends gegen Ende Juni am offenen Fenster eine Cigarette rauchte, bekam er bei der großen Hitze Lust noch etwas spazieren zu gehen. Er fragte:

      – Meine kleine Magda, wollen wir noch ein bißchen ins Bois?

      – Gewiß, gern!

      Sie nahmen eine offene Droschke, fuhren zu den Champs-Elysées, dann die Avenue du Bois de Bologne hinauf. Kein Windhauch regte sich, es war eine jener heißen Nächte wo die glühende Pariser Luft wie Backofendampf in die Lungen strömt. Ein Heer von Droschken fuhr unter den Bäumen eine ganze Armee von Liebespaaren umher. Unausgesetzt folgten die Wagen einander.

      Georg und Magdalene machte es Spaß, die Pärchen zu sehen, die sich im Wagen umschlungen hielten, die Frauen in hellen Kleidern, die Männer in dunklen Röcken. Ein Riesenstrom Verliebter floß zum Bois, dahin unter dem sternenglitzernden Himmel. Man hörte nur das dumpfe Gerassel der Räder auf dem Boden. Sie glitten vorüber, die beiden Insassen jedes Wagens, stumm in den Kissen gegen einander gepreßt, in Gedanken an ihre Wünsche, in zitternder Erwartung auf die nächste Umarmung. Das warme Dunkel schien erfüllt von Küssen, etwas wie schwimmende Zärtlichkeit, wie schwebende tierische Liebe machte die Luft dick, daß sie schwer zu atmen war. Alle diese sich in den Armen liegenden Leute, die derselbe Gedanke entzündete und dieselbe Glut, strömten eine Art Fieber aus. Die mit Liebe beladenen Wagen, über denen die Zärtlichkeiten zu lagern schienen, ließen wenn sie vorüber fuhren wie einen sinnlichen, verwirrenden Hauch zurück.

      Georg und Magdalene fühlten sich selbst davon angesteckt. Ohne ein Wort zu sprechen, nahmen sie sich leise bei der Hand, etwas bedrückt durch die Schwere der Luft und durch die Gefühle, die sich auch in ihre Seele schlichen. Als sie an die Biegung bei den Festungswerken kamen, küßten sie sich, und sie stammelte ein wenig verlegen:

      – Wir sind genau so kindisch wie damals, als wir nach Rouen fuhren.

      Der große Wagenstrom hatte sich, sobald er die Anlagen erreicht, geteilt. Am See hin, wo das junge Paar fuhr, gewannen die Wagen einen etwas größeren Abstand; aber das Dunkel unter den Bäumen, die durch die Feuchtigkeit der Wasserläufe, die man unter den Zweigen rauschen hörte, abgekühlte Luft und die Frische unter dem weiten, sternenbesäten Nachthimmel gaben den Küssen der dahinrollenden Paare stärkeren und geheimnisvollen Reiz.

      Georg murmelte:

      – Ach meine kleine Magda. Er drückte sie an sich.

      Sie sprach zu ihm:

      – Weißt Du noch, der Wald bei euch, hu, wie das dunkel war! Mir war es, als wimmelte er von fürchterlichen Tieren und als hörte er gar nicht auf. Aber hier ist es reizend, der Wind thut so wohl. Ich weiß ja, Sèvres liegt auf der andern Seite des Gehölzes.

      Er antwortete:

      – Ach, bei uns im Wald da waren nur Hirsche, Füchse, Rehe und wilde Eber, und ab und zu ein Försterhaus.

      Dieses Wort, das an den Namen des Toten anklang, aus seinem Mund überraschte ihn, als ob ihn jemand aus dem Gebüsch angerufen. Er ward plötzlich still, und jenes seltsame unausgesetzte Unbehagen, diese quälende, unbesiegbare Eifersucht, die ihm seit einiger Zeit das Dasein verbitterte, packte ihn von neuem.

      Nach einer Minute fragte er:

      – Bist Du mit Karl manchmal abends so hierher gekommen?

      Sie antwortete:

      – Ja, oft.

      Und plötzlich packte ihn die Lust, sofort nach Hause zurückzukehren; eine fieberhafte Lust, die auf ihm lag wie ein Alb. Das Bild Forestiers stand ihm wieder vor Augen, nahm ihn ganz in Bann, und er konnte nur noch an ihn denken, nur noch von ihm sprechen.

      Er fragte in gehässigem Ton:

      – Sag mal Magda ..

      – Was denn lieber Freund?

      – Hast Du dem armen


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