Gesammelte Werke von Guy de Maupassant. Guy de Maupassant

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Gesammelte Werke von Guy de Maupassant - Guy de Maupassant


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und er sprach:

      – Ich habe Dir vorhin vergessen zu sagen, daß uns Dein Minister reingelegt hat.

      – Wieso denn?

      Und er erzählte ihr genau mit allen Einzelheiten den Coup, den Laroche und Walter vorbereiteten.

      Als er geendet hatte, fragte sie:

      – Woher weißt Du das?

      Er antwortete:

      – Wenn Du erlaubst, sage ich es Dir nicht. Du hast Mittel und Wege, Dich zu informieren, nach denen ich nicht frage, ich habe die meinen und möchte sie für mich behalten. Jedenfalls stehe ich für die Richtigkeit ein.

      Da flüsterte sie:

      – Ja, es ist schon möglich, ich ahnte, daß sie etwas im Schilde führen ohne uns.

      Aber Georg, der nicht schlafen konnte, hatte sich seiner Frau genähert und küßte sie leise aufs Ohr. Sie stieß ihn lebhaft zurück:

      – Bitte laß mich in Ruhe. Ich bin nicht in der Stimmung zu schäkern.

      Er ergab sich darein, wandte sich zur Wand, schloß die Augen und schlief endlich ein.

      VI

       Inhaltsverzeichnis

      Die Kirche war ganz mit Schwarz ausgeschlagen, und ein großes Wappenschild mit Krone deutete den Vorübergehenden an, daß ein Edelmann begraben wurde.

      Die heilige Handlung war eben beendet, die Teilnehmer gingen langsam davon, am Sarge vorüber, indem sie dem Neffen des Grafen Vaudrec ihr Beileid bezeigten. Er drückte ihnen die Hand und grüßte dankend.

      Als Georg Du Roy und seine Frau draußen standen, schritten sie nebeneinander nach Hause. Sie schwiegen, beide in Gedanken.

      Endlich sagte Georg als spreche er zu sich selbst:

      – Das ist wirklich sonderbar.

      Magdalene fragte:

      – Was denn lieber Freund?

      – Daß uns Vaudrec nichts hinterlassen hat.

      Sie errötete plötzlich, als hätte sich über ihren weißen Hals ein rosa Schleier gebreitet, der von der Brust ins Gesicht stieg.

      – Warum sollte er uns etwas hinterlassen, dazu liegt doch gar keine Veranlassung vor! – Dann fuhr sie nach kurzer Pause fort:

      – Vielleicht ist bei einem Notar ein Testament deponiert. Wir brauchen doch noch nichts davon zu wissen.

      Er dachte nach, dann brummte er:

      – Ja, das ist wahrscheinlich, denn er war doch eigentlich der beste Freund von uns beiden. Zweimal wöchentlich aß er bei uns, kam alle Augenblicke; er war bei uns eigentlich wie zu Hause. Er liebte Dich wie ein Vater, er hatte keine Familie, keine Kinder, keinen Bruder, keine Schwester, nur einen Neffen, einen entfernten Neffen. Ja, es muß ein Testament da sein. Ich erwarte gar nicht viel, nur ein Andenken, das uns bewiese, wie er die Zuneigung anerkannte, die wir für ihn hegten. Er war uns wohl einen Freundschaftsbeweis schuldig.

      Sie sagte gleichgiltig mit nachdenklicher Miene:

      – Es ist allerdings sehr möglich, daß ein solches Testament vorhanden ist.

      Als sie nach Hause kamen überreichte der Diener Magdalenen einen Brief. Sie öffnete ihn und gab ihn ihrem Mann. Er las:

      Dr. Lamaneur

       Notar

       17 Rue Du Vosges.

      Geehrte Frau!

      Darf ich Sie bitten Dienstag, Mittwoch oder Donnerstag zwischen zwei und vier Uhr, in einer Angelegenheit, die Sie betrifft, in meinem Bureau vorsprechen zu wollen.

      Hochachtungsvoll

       ergebenst

       Lamaneur.

      Nun war Georg rot geworden:

      – Das wird es sein. Es ist komisch, daß Du hin zitiert wirst und nicht ich, der ich doch das Familienhaupt bin.

      Sie antwortete zuerst nicht, dann sagte sie nach kurzer Ueberlegung:

      – Wollen wir nachher hingehen?

      – Mir ist es recht!

      Sowie sie gefrühstückt hatten, gingen sie fort.

      Als sie das Bureau betraten, stand der Bureauvorsteher mit besonderer Zuvorkommenheit auf und ließ sie bei seinem Chef eintreten.

      Der Notar war ein kleiner, rundlicher Mann. Sein Kopf sah aus wie eine Kugel, die auf eine andere Kugel genagelt worden ist, welche von zwei so kleinen, kurzen Beinchen getragen wurde, daß sie eigentlich auch wie zwei Kugeln aussahen. Er grüßte, bat sie, Platz zu nehmen und wandte sich an Magdalene:

      – Gnädige Frau, ich habe Sie gerufen, um Ihnen das Testament des Grafen Vaudrec, das Sie betrifft, mitzuteilen.

      Georg konnte sich nicht enthalten auszurufen:

      – Das habe ich mir gedacht!

      Der Notar fuhr fort:

      – Ich werde Ihnen dieses, übrigens sehr kurze, Schriftstück, vorlesen:

      »Ich, Unterzeichneter, Paul Emil Cyprian Gontran Graf von Vaudrec setze bei vollem Bewußtsein meinen letzten Willen wie folgt fest:

      Da der Tod mir jeden Augenblick nahen kann, will ich mich darauf vorbereiten und schon jetzt mein Testament machen, das ich bei Dr. Lamaneur, Notar in Paris, hinterlege.

      Da ich keine direkten Leibeserben besitze, vermache ich mein ganzes Vermögen, bestehend aus Papieren und Effekten, im Werte von sechshunderttausend Franken, und Grundstücken im Werte von etwa fünfhunderttausend Franken an Frau Klara Magdalene Du Roy, ohne Lasten oder Abzüge. Ich bitte sie, diese Gabe eines toten Freundes anzunehmen, als Beweis tiefer und respektvoller Ergebenheit und Zuneigung.«

      Der Notar fügte hinzu:

      – Das ist alles, dieses Testament ist datiert vom letzten August und ist hinterlegt worden an Stelle eines andern, das vor zwei Jahren gemacht wurde und auf den Namen der Frau Klara Magdalene Forestier lautete. Ich bin im Besitze dieses ersten Testaments, welches im Falle einer Anfechtung von seiten der Familie beweisen könnte, daß sich der Wille des Grafen Vaudrec nicht geändert hat.

      Magdalene war bleich geworden und blickte zu Boden. Georg drehte nervös den Schnurrbart zwischen den Fingern, und der Notar fuhr nach kurzer Pause fort:

      – Natürlich Herr Du Roy, kann Ihre Ehefrau ohne Ihre Zustimmung das Legat nicht annehmen.

      Du Roy stand auf und sagte trocken:

      – Ich möchte Bedenkzeit haben.

      Der Notar lächelte, verneigte sich und antwortete in liebenswürdigem Ton:

      – Ich verstehe wohl das Bedenken, das Sie vielleicht haben. Und ich möchte noch hinzufügen, daß der Neffe des Grafen Vaudrec, der heute früh den letzten Willen seines Oheims eingesehen hat, bereit ist, ihn anzuerkennen, wenn ihm die Summe von hunderttausend Franken überlassen wird. Meiner Ansicht nach ist das Testament nicht anzufechten; aber ein Prozeß würde Lärm machen, den Sie vielleicht vermeiden möchten. Die Menschen sind oft scharf in ihrem Urteil. Jedenfalls können Sie mir wohl Ihre endgiltige Antwort bis Sonnabend zukommen lassen?

      Georg verbeugte sich:

      – Jawohl Herr Doktor.

      Dann machte er eine förmliche Verbeugung, ließ seine Frau, die kein Wort gesagt hatte, voran gehen, und schritt so steif hinaus, daß der Notar nicht mehr lächelte.

      Sobald sie zu Hause waren, schloß Du Roy heftig die Thür und warf seinen Hut aufs Bett:

      – Du bist Vaudrecs Geliebte gewesen, sagte er. Magdalene,


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