Gesammelte Werke von Guy de Maupassant. Guy de Maupassant
Читать онлайн книгу.Liebes Kind, wenn Du willst, werde ich allein zum Notar gehen, ich werde ihn nochmals um die Sache befragen und ihm unsere Ansicht auseinander setzen. Ich werde ihm meine Zweifel nicht verheimlichen und hinzufügen, daß wir schließlich uns auf den Gedanken einer Teilung aus Taktgefühl geeinigt haben, damit niemand das Maulreißen kriegen kann. Von dem Augenblick an, wo ich die Hälfte der Erbschaft annehme, ist es doch ganz klar, daß niemand mehr das Recht hat, auch nur ein abfälliges Wort zu äußern. Das heißt, laut erklären: »Meine Frau nimmt an, weil ich annehme, ich ihr Mann, der zu beurteilen hat, was sie thun kann ohne sich zu kompromittieren.« Sonst wäre ein Skandal nicht zu vermeiden.
Magdalene sagte einfach:
– Wie Du willst.
Und er fing wieder an Reden zu schwingen:
– Ja, bei einer Teilung ist das klar wie der Tag. Wir erben von einem Freund, der zwischen uns keinen Unterschied machen, der nicht sagen wollte: »Ich ziehe den einen dem andern vor nach meinem Tode, wie ich es während meines Lebens gethan.« Allerdings mochte er die Frau lieber, aber indem er sein Geld beiden gelassen hat, hat er klar ausdrücken wollen, daß seine Vorliebe rein platonisch gewesen ist. Du kannst ganz sicher sein, wenn er sich das überlegt hätte, hätte er es auch gethan. Er hat einfach darüber nicht nachgedacht, er hat sich die Folgen nicht klar gemacht. Du hast vorhin sehr richtig gesagt, Dir brachte er jede Woche Blumen: Dir sollte auch sein letzter Gedanke gelten, nur machte er sich nicht klar ……
Sie fiel ihm etwas erregt ins Wort:
– Einverstanden! Ich habe es kapiert, Du brauchst gar nicht so viel Worte zu machen. Geh sofort zum Notar.
Er stammelte errötend:
– Du hast recht.
Er nahm seinen Hut, dann sagte er, als er das Zimmer verließ:
– Ich will doch versuchen die Geschichte mit dem Neffen mit fünfzigtausend Franken abzumachen.
Sie antwortete stolz:
– Nein, gieb ihm die hunderttausend Franken, die er haben will. Wenn Du willst, kannst Du sie von meiner Hälfte nehmen.
Er antwortete sofort beschämt:
– O nein, wir teilen, wenn wir jeder fünfzigtausend Franken abziehen, bleibt uns immer noch eine glatte Million. Dann schloß er:
– Auf Wiedersehen meine kleine Magda!
Er ging zum Notar, um ihm die Abmachung auseinander zu setzen, von der er behauptete, seine Frau hätte sie sich ausgedacht.
Am andern Tage unterzeichneten sie eine Schenkungsurkunde über fünfhunderttausend Franken, die Magdalene Du Roy ihrem Mann überließ. Als sie das Bureau verließen, schlug Du Roy vor, da es schönes Wetter war, zu Fuß bis an die Boulevards hinunter zu gehen. Er war liebenswürdig, aufmerksam, voller Rücksichten und Zärtlichkeiten gegen seine Frau. Er lächelte, war glücklich über alles, während sie etwas ernst blieb.
Es war ein ziemlich kalter Herbsttag, die Leute schritten eilig ihres Weges, Du Roy führte seine Frau an den Laden, wo er den ersehnten Chronometer gesehen.
– Soll ich Dir einen Schmuck kaufen?
Sie sagte gleichgiltig:
– Wie Du willst!
Sie traten ein und er fragte:
– Was möchtest Du lieber? Ein Halsband, ein Armband oder Ohrringe?
Der Anblick der Goldsachen und Edelsteine verscheuchte ihre gewollte Kälte, und sie überflog mit lebhaftem neugierigen Blick die mit Kostbarkeiten gefüllten Glaskästen, und plötzlich kam ihr ein Wunsch:
– O, das ist ein hübsches Armband!
Es war eine Kette von eigentümlicher Arbeit, und jedes Glied trug einen anderen Stein.
Georg fragte:
– Was kostet das Armband?
Der Juwelier sagte:
– Dreitausend Franken.
– Wenn Sie es mir für zweitausendfünfhundert lassen, nehme ich es.
Der Mann zögerte, dann sagte er:
– Nein, das ist unmöglich.
Du Roy antwortete:
– Wissen Sie was, ich nehme noch diesen Chronometer dazu für eintausendfünfhundert Franken, das macht zusammen viertausend. Ich zahle bar. Sind Sie einverstanden? Wenn Sie nicht wollen, gehe ich wo anders hin.
Der Juwelier war erstaunt und nahm endlich an:
– Nun meinetwegen.
Und der Journalist fügte hinzu, nachdem er seine Adresse angegeben:
– Lassen Sie auf den Chronometer meine Initialen gravieren G. R. C. in verschlungenen Buchstaben und darüber eine siebenzackige Krone.
Magdalene war erstaunt, lächelte, und als sie hinaus gingen, hing sie sich mit einer gewissen Zärtlichkeit an seinen Arm. Sie fand ihn doch geschickt und unternehmend. Es war ganz richtig, jetzt wo er Geld hatte, mußte er auch einen Titel besitzen. Der Kaufmann verneigte sich vor ihnen:
– Sie können sich darauf verlassen, Donnerstag ist es fertig, Herr Baron!
Sie kamen am Vaudeville vorüber, wo ein neues Stück gespielt wurde:
– Wenn Du willst, gehen wir heute abend ins Theater, wir wollen versuchen eine Loge zu bekommen.
Es war noch eine zu haben, er nahm sie und sprach:
– Wollen wir nicht im Restaurant essen?
– Ja, mir ist es recht.
Er war glücklich wie ein König und überlegte, was er noch loslassen könnte.
– Wir wollen doch Frau von Marelle abholen, um den Abend zusammen zu sein; ihr Mann ist hier, hab ich gehört, ich möchte ihm gern guten Tag sagen.
Sie gingen hin, und es war Georg ganz angenehm, – da er das erste Wiedersehn mit der Geliebten fürchtete, – daß seine Frau dabei war, sodaß jede Auseinandersetzung wegfiel. Aber Clotilde schien gar nichts mehr davon zu wissen und zwang sogar ihren Mann, die Einladung anzunehmen.
Das Diner war heiter und der Abend reizend. Georg und Magdalene kehrten spät heim, das Gas war schon ausgelöscht, und um die Treppe hinauf zu leuchten, entzündete der Journalist ab und zu einen Fünfminutenbrenner.
Als sie auf den Treppenabsatz des ersten Stockes kamen, erblickten sie, als plötzlich das Streichholz aufflammte, im Spiegel ihre beiden erleuchteten Gesichter, vom sonstigen Dunkel scharf abgehoben. Sie sahen aus wie zwei plötzlich erschienene Gespenster, die wieder in die Nacht verschwinden.
Du Roy hob die Hand, um ihre Gesichter recht hell zu beleuchten, und sagte mit triumphierendem Lächeln:
– Da gehen sie hin, die Millionäre!
VII
Seit zwei Monaten war Marokko erobert. Frankreich hatte Tanger in Händen und besaß nunmehr die ganze Mittelmeerküste Afrikas bis Tripolis. Die Staatsschuld des neu annektierten Landes war von der französischen Regierung übernommen.
Man sagte, daß dabei zwei Minister über zwanzig Millionen Franken verdient und nannte ganz laut Laroche-Mathieu.
Von Walter aber wußte jeder Mensch in Paris, daß er zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen hatte und an der Anleihe dreißig bis vierzig Millionen verdient, dazu acht bis zehn Millionen an Kupfer-und Eisenminen, sowie an riesigen Länderstrecken, die er vor der Eroberung für ein Butterbrot gekauft, und nach der französischen Okkupation an die Kolonialgesellschaft wieder verkauft hatte.
Im Handumdrehen war er einer der Herren der Welt