Gesammelte Werke von Guy de Maupassant. Guy de Maupassant
Читать онлайн книгу.der auf den Herrn deutete, erstarrt wie von plötzlichem Erstaunen.
Das war allerdings das gewaltige erstaunliche Werk eines Meisters, eins jener Bilder, die einen packen und die man Jahre lang nicht vergißt.
Die Leute, die das Bild betrachteten, schwiegen zuerst, dann gingen sie nachdenklich davon und sprachen später nur vom Preis des Bildes.
Du Roy sagte, nachdem er es eine Weile betrachtet hatte:
– Das ist chic, sich so’n Ding kaufen zu können.
Aber als man ihn anstieß, da die hinteren vorwärts drängten um zu sehen, ging er davon, immer noch Susannes kleine Hand, die er leise drückte, im Arm.
Sie fragte:
– Wollen wir ein Glas Sekt trinken? Kommen Sie ans Büffet, dort ist Papa.
Sie schritten langsam wieder durch alle Salons zurück, wo die Menge immer mehr anwuchs, hin und her wogte, sich wie zu Hause fühlend, ein elegantes Publikum wie auf einem öffentlichen Fest.
Georg war es plötzlich, als hörte er eine Stimme sagen:
– Das ist Laroche und Frau Du Roy! – Die Worte trafen sein Ohr wie ein entferntes Geräusch, das der Wind zuträgt. Wo waren die beiden? Er blickte sich nach allen Seiten um und gewahrte in der That seine Frau, die am Arm des Ministers vorüberging. Sie schwatzten leise, intim miteinander und lächelten Auge in Auge getaucht. Es war ihm, als flüsterten die Leute, indem sie das Paar betrachteten, und eine thörichte, rohe Lust stieg in ihm auf, sich auf diese beiden Menschen zu stürzen und sie nieder zu schlagen.
Sie machte ihn lächerlich. Er dachte an Forestier. Jetzt hieß es vielleicht: »Du Roy der Gehörnte.« Wer war sie? Eine kleine Abenteurerin, zwar ganz geschickt aber eigentlich ohne jede Bedeutung. Man kam zu ihm, weil man ihn fürchtete, weil man wußte, daß er mächtig war, aber man nahm wohl kein Blatt vor den Mund, wenn man von dieser Journalistenehe redete. Mit dieser Frau würde er nie vorwärts kommen, durch sie hing seinem Hause immer etwas Zweifelhaftes an. Sie würde sich immer kompromittieren mit ihrer ganzen Art und Weise, der man die Intrigantin anmerkte. Sie würde ihm jetzt zur Fessel werden. Ach, wenn er alles geahnt, vorher gewußt hätte! Was für ein kühneres, größeres Spiel hätte er spielen können! Wie konnte er nur so blind sein, das nicht einzusehen?
Sie kamen in das Speisezimmer, einen mächtigen, von Marmorsäulen getragenen Saal, an dessen Wänden alte Gobelins hingen. Walter gewahrte seinen Redakteur, ging ihm entgegen und drückte ihm freudetrunken die Hand:
– Haben Sie alles gesehen? Sag mal Susanne, hast Du ihm alles gezeigt? Diese vornehmen Leute! Nicht wahr Liebling? Haben Sie den Prinzen von Guerche gesehen? Er kam vorhin her, um ein Glas Punsch zu trinken.
Dann stürzte er sich auf Senator Rissolin, der seine ganz betäubte Frau mit sich schleppte, die aufgedonnert war wie in einer Jahrmarktsbude.
Ein Herr grüßte Susanne. Ein großer hagerer Mensch mit blondem Bart, kleiner Glatze und jenem gesellschaftlichen Schliff, den man überall herausfühlt. Georg hörte seinen Namen, Marquis von Cazolles, und er war plötzlich eifersüchtig auf den Mann. Seit wann kannte sie ihn? Gewiß seit sie das viele Geld hatte. Er spekulierte wahrscheinlich auf sie.
Jemand nahm seinen Arm, es war Norbert von Varenne. Der alte Dichter lief, mit seinem fettigen Haar und seinem abgeschabten Frack, müde gleichgiltig umher.
– Das soll nun ein Vergnügen sein! sagte er. Nachher wird getanzt und dann geht’s zu Bett und die kleinen Mädchen sind befriedigt. Trinken Sie doch Sekt, der ist ausgezeichnet!
Er ließ sich ein Glas füllen und trank Du Roy, der ein anderes genommen hatte, zu. – Auf den Sieg des Geistes über die Millionen.
Dann fügte er mit weicher Stimme hinzu:
– Sie sind mir bei andern Menschen nicht unangenehm. Ich möchte sie gar nicht haben, aber ich protestiere grundsätzlich.
Georg hörte ihm nicht mehr zu. Er suchte Susanne, die mit dem Marquis Cazolles verschwunden war. Er ließ plötzlich Varenne stehen und machte sich an die Verfolgung des jungen Mädchens.
Ein Gewimmel von Menschen, die etwas trinken wollten, hielt ihn auf, und als er sich endlich durchgewunden hatte, stand er vor dem Ehepaar Marelle.
Die Frau sah er immer, aber dem Mann war er lange nicht begegnet. Herr von Marelle nahm ihn bei beiden Händen:
– Ich danke Ihnen tausendmal, lieber Freund, für den Rat, den Sie mir durch Clotilde gegeben haben. Ich habe mit der marokkanischen Rente gegen hunderttausend Franken gewonnen, die ich Ihnen verdanke. Sie sind wirklich ein kostbarer Freund.
Ein paar Menschen drehten sich nach dieser hübschen eleganten Brünette um. Du Roy antwortete:
– Als Belohnung für diese Gefälligkeit, lieber Freund, bitte ich um Ihre Frau, das heißt um deren Arm. Man muß immer die Ehepaare trennen.
– Sehr recht! Wenn wir uns verlieren, treffen wir uns in einer Stunde an dieser Stelle wieder.
– Einverstanden!
Und die beiden jungen Leute tauchten in der Menge unter, von Marelle gefolgt. Clotilde sagte:
– Solche Glückspilze, diese Walters! Ja, man muß nur das Geschäft verstehen!
Georg antwortete:
– Ach, Leute mit Energie und Willenskraft machen immer ihren Weg, so oder so!
Sie fuhr fort:
– Die beiden Mädchen kriegen mal jedes zwanzig bis dreißig Millionen, und dabei ist Susanne noch hübsch!
Er sagte nichts. Der eigene Gedanke, den ein fremder Mund aussprach, erregte ihn.
Sie hatte Christus auf dem Meere noch nicht gesehen, er schlug vor, sie dorthin zu führen, und sie unterhielten sich damit, von den Leuten möglichst viel Schlechtes zu sagen und sich über Gesichter, die sie nicht kannten, lustig zu machen.
Saint-Potin kam an ihnen vorüber, er trug zahlreiche Orden auf dem Frackaufschlag, das machte ihnen großen Spaß. Ein Botschafter, der nach ihm vorbeikam, hatte eine viel geringere Zahl.
Du Roy sagte:
– Das ist der richtige Salat hier.
Boisrenard, der ihm die Hand drückte, hatte wieder das grün und gelbe Band ins Knopfloch gesteckt, das plötzlich am Tage des Duells bei ihm aufgetaucht war.
Die Vicomtesse von Percemur, mächtig aufgedonnert, sprach in dem kleinen Boudoir im Stil Ludwig XVI. mit einem Herzog.
Georg flüsterte:
– Ein Liebespaar!
Aber als sie durch das Palmenhaus gingen, sah er seine Frau wieder, die, halb versteckt, unter den Blättern der Pflanzen neben Laroche-Mathieu saß, als wollte sie sagen: »Wir haben uns hier ein Stelldichein gegeben in aller Öffentlichkeit, denn wir pfeifen auf das, was die Leute sagen.«
Frau von Marelle erkannte an, daß das Bild Karl Markowitchs schön sei. Sie kehrten zurück; Herrn von Marelle hatten sie verloren.
Georg fragte:
– Ist denn Laurachen immer noch auf mich böse?
– Ja, immer noch. Sie will Dich nicht sehen und wenn man von Dir spricht, läuft sie fort.
Er antwortete nichts. Die plötzliche Feindschaft des kleinen Mädchens that ihm weh und bedrückte ihn.
Als sie durch eine Thür traten, kam ihnen Susanne entgegen und rief:
– Ah, da sind Sie! Nun, Liebling, jetzt lassen wir Sie aber allein, ich muß der schönen Clotilde mein Zimmer zeigen.
Die beiden Damen huschten eilig davon und glitten geschmeidig mit den ihnen eigenen schlangenhaften Bewegungen, sich windend und schlängelnd durch die Menge.
Beinahe im selben Augenblick rief eine Stimme:
– Georg!
Es