Gesammelte Werke von Guy de Maupassant. Guy de Maupassant
Читать онлайн книгу.Mann erklärte, seiner Wirkung sicher, indem er jedes Wort einzeln betonte:
– Ich habe eben den Minister des Äußern gestürzt!
Der Chef meinte, er mache einen Spaß:
– Wieso denn gestürzt?
– Ich werde einen Kabinettswechsel veranlassen, weiter nichts. Es war an der Zeit, das Aas hinaus zu schmeißen.
Der Alte war ganz paff und dachte, daß sein Redakteur betrunken wäre: – Reden Se keinen Stuß!
– Durchaus nicht. Ich habe eben Herrn Laroche-Mathieu beim Ehebruch mit meiner Frau ertappt. Der Polizeikommissar hat die Sache festgestellt. Der Minister ist futsch.
Walter schob ganz erschrocken seine Brille auf die Stirn und fragte:
– Sie wollen mich wohl zum Besten halten?
– Durchaus nicht! Ich werde sogar sofort einen Artikel darüber schreiben!
– Ja, was wollen Sie denn damit?
– Ich will diesen Gauner, diesen Elenden, diesen gemeingefährlichen Verbrecher stürzen! – Er warf den Hut auf den Stuhl und fügte hinzu:
– Wer mir ins Gehege kommt, der mag sich hüten! Ich verzeihe nie!
Der Chef, der noch immer nicht begriff, brummte:
– Aber .. Ihre Frau!
– Meine Scheidungsklage wird morgen eingereicht. Ich schicke sie dem seligen Forestier zurück!
– Sie wollen sich scheiden lassen?
– Das will ich meinen! Ich war der Dumme, aber ich that nur so, um sie abzufassen. Nun ist es so weit, und ich habe das Heft in der Hand!
Herr Walter konnte sich gar nicht erholen. Er blickte Du Roy erschrocken an und dachte: Verflucht, mit dem Kerl muß man sich in Acht nehmen!
Georg sagte:
– Jetzt bin ich frei, ich habe ein gewisses Vermögen. Nun werde ich in meiner engern Heimat, wo ich sehr bekannt bin, bei den Neuwahlen im Oktober als Abgeordneter kandidieren. Mit dieser Frau, die allen Leuten gleich verdächtig war, konnte ich mir keine Stellung erringen und zu nichts kommen. Sie hatte mich reingelegt wie man ‘nen Dummen fängt, ganz einfach. Aber seitdem ich wußte, wie sie ‘s treibt, habe ich sie überwacht. Das Beest!
Er fing an zu lachen:
– Der arme Karl, der Forestier trug seine Hörner, ohne etwas zu ahnen in ruhiger Vertrauensseligkeit. Jetzt bin ich den Grind los, den er mir gelassen hat. Meine Hände sind jetzt frei, ich will schon meinen Weg machen!
Er hatte sich rittlings auf einen Stuhl gesetzt und sagte, wie im Traume vor sich hin:
– Ich will schon meinen Weg machen!
Der alte Walter blickte ihn immer noch mit bloßem Auge an, die Brille auf die Stirn empor geschoben, und sagte sich: Ja der Kerl wird seinen Weg machen!
Georg stand auf:
– Ich werde jetzt den Artikel schreiben. Das muß sehr taktvoll gedeichselt werden! Aber wissen Sie, dem Minister kostet er den Kopf. Ein Mann über Bord, den man nicht wieder herausfischen kann. Die Vie française hat keinen Grund,ihn zu schonen.
Der Alte zögerte ein paar Augenblicke, dann fügte er sich und sprach:
– Na, immer los! Das kommt davon, wenn man sich in solche Geschichten einläßt!
IX
Ein Vierteljahr war vergangen. Du Roys Scheidung eben ausgesprochen. Seine Frau hatte den Namen Forestier wieder angenommen, und da Walters am 15. Juli nach Trouville gehen wollten, kam man überein vor der Trennung noch eine Landpartie zu machen.
Ein Donnerstag wurde bestimmt, und schon neun Uhr morgens ging es fort mit einer Mail-coach zu sechs Plätzen, vier Pferden davor.
Im Pavillon Heinrich IV. in Saint-Germain wurde gefrühstückt. Der Liebling hatte gebeten, als einziger Herr teilnehmen zu dürfen, denn er konnte Gesicht und Gegenwart des Marquis von Cazolles nicht ertragen; aber im letzten Augenblick entschlossen sie sich doch noch, den Grafen Latour-Yvelin zu Hause zu überfallen und mitzunehmen, was man ihm am Abend vorher mitgeteilt hatte.
Im Trabe ging es die Avenue des Champs Elysées hinauf, dann durch das Bois de Bologne. Es war wundervolles Sommerwetter, nicht zu heiß, die Schwalben schossen am blauen Himmel in großen Bogen hin, daß man meinte sie noch zu sehen, wenn sie längst vorüber waren.
Die drei Damen saßen im Fond, die Mutter zwischen den beiden Töchtern. Ihnen gegenüber die drei Herren, Walter zwischen seinen Gästen.
Sie fuhren über die Seine, den Mont Valerien hinan, dann durch Bougival und endlich den Fluß entlang bis Pecq.
Graf Latour-Yvelin, – ein nicht mehr ganz junger Mann mit dünnem langem Backenbart, dessen Spitzen der leiseste Wind bewegte, sodaß Du Roy sagte:
– Der Wind im Bart steht ihm ganz gut!
Er betrachtete zärtlich Rosa.
Seit vier Wochen waren sie verlobt.
Georg war sehr bleich und blickte oft Susanne an, die ebenso bleich war, wie er. Ihre Augen trafen sich und schienen sich Mut zuzusprechen, sich zu verstehen, geheime Gedanken zu wechseln und einander wieder zu fliehen. Frau Walter war ruhig und glücklich.
Das Frühstück dauerte lange. Ehe sie nach Paris zurück fuhren, schlug Georg vor, nochmals auf die Terrasse zu gehen.
Zuerst blieben sie stehen der Aussicht wegen, sie stellten sich alle neben einander an die Mauer und begeisterten sich an dem Blick. Zu Füßen eines langen Höhenzuges wand sich die Seine wie eine lange Schlange im Grünen nach Maison-Laffitte; rechts auf der Höhe hob sich der Viaduct von Marly am Himmel mit seinem Riesenbogen ab, wie eine Raupe mit langen Füßen, und darunter lag Marly im dichten Laub der Bäume verborgen.
In der weiten Ebene, die sich gegenüber erstreckte, erblickte man hier und da Dörfer. Die Teiche von Vesinet zeichneten sich als glatte Flecken ab, aus der dichten Belaubung des kleinen Wäldchens; links lugte ganz in der Ferne der spitze Kirchturm von Sartrouville.
Walter meinte:
– So ein Panorama giebt es auf der ganzen Welt nicht wieder, nicht einmal in der Schweiz!
Dann begannen sie langsam spazieren zu gehen, um die Aussicht zu genießen. Georg und Susanne blieben zurück.
Sobald sie ein paar Schritte entfernt waren, sagte er zu ihr leise mit verhaltener Stimme:
– Susanne ich liebe Sie, ich liebe Sie zum wahnsinnig werden.
Sie flüsterte:
– Ich auch, Liebling!
Er sagte:
– Wenn ich Sie nicht zur Frau bekomme, verlasse ich Paris, verlasse ich Frankreich.
Sie antwortete:
– Versuchen Sie doch bei Papa um mich anzuhalten. Vielleicht sagt er ja.
Er machte eine ungeduldige Bewegung:
– Nein, ich sage Ihnen zum zehnten Mal, das ist ganz unnütz, mir würde nur das Haus verboten werden, ich würde aus der Zeitung entfernt, und wir könnten uns nicht einmal mehr sehen. Wenn ich regelrecht anhalte, ist das die sichere Folge. Sie sind dem Marquis Cazolles zugesagt, man hofft, daß Sie doch noch mal ›ja‹ sagen werden, und man wartet.
Sie fragte:
– Was sollen wir denn thun?
Er zögerte und blickte sie von der Seite an:
– Lieben Sie mich genug um eine große Verrücktheit zu begehen?
Sie