Das Mädchen, der Köter und ich. Хелена Эберг

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Das Mädchen, der Köter und ich - Хелена Эберг


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zu werfen.

      »Hast du das Ferkel nicht dabei?«, fragte sie und lächelte übers ganze Gesicht.

      »Das Ferkel?«, fragte Viktor. »Du meinst den Hund, ja, ich meine, nein ...«

      »Ach nein«, sagte Marika und trat mit dem Fuß nach einem Stein, der mit einem Knall den Papierkorb traf.

      Da kam der grüne Linienbus. Viktor holte seine Busfahrkarte heraus, warf die Tasche über die Schulter und stieg ein. Marika blieb einen Augenblick still stehen, dann kettete sie schnell ihr Fahrrad an den Papierkorb, und gerade als der Bus losfahren wollte, sprang sie durch die halb geschlossenen Türen hinein und leerte eine Hand voll Münzen vor dem Fahrer aus. Er zählte das Geld, Marika blinzelte ihn bittend an, und er stempelte widerwillig eine Fahrkarte ab, obwohl eine Krone fehlte. Sie wankte, als der Bus losfuhr und von der Haltestelle auf die Straße hinausbog. Mit einem Plumps nahm sie auf dem Sitz neben Viktor Platz.

      »Ich habe es mir anders überlegt«, sagte sie.

      »Ach so ...«, sagte Viktor und spürte einen Kloß im Hals.

      »Das macht dir doch nichts aus, oder?«

      »Nee ...«, sagte Viktor.

      Er hielt die Knie fest aneinander gepresst und drückte sich an die Wand.

      »Es ist so ...«, fing Marika an und rückte etwas näher an ihn heran.

      Viktor traute sich kaum zu atmen und zog die Luft durch die Nase, damit es weniger auffiel. Er versuchte die Gedanken unter Kontrolle zu halten und schaute durch die Fensterscheibe hinaus. Sie fuhren an der Schule vorbei – ja, das, was einmal die Schule gewesen war – jetzt war da ein Flohmarkt – und sie fuhren an Jonas’ Haus vorbei. Sie hatten das Haus mit wärmedämmenden Platten verkleidet und im Garten stand ein rot angestrichener, gusseiserner Gartenzwerg. Den hatte Jonas’ Vater für fünfzehn Kronen bei einer Versteigerung erworben. Eigentlich hätte er mindestens dreihundert gekostet. Jonas’ Vater machte gern gute Geschäfte.

      Die Häuser lichteten sich, und als sie auf die Gerade zwischen den Feldern hinauskamen, fingen schwere Regentropfen an, gegen die Scheiben zu prasseln, sie zitterten im Fahrtwind und wurden nach hinten gepresst.

      Viktor sagte nichts. Er lehnte den Kopf gegen das kühle Glas. Er versuchte, nicht daran zu denken, aber er spürte, dass Marika dicht neben ihm saß, er spürte ihr Bein an seinem Bein.

      »Es ist so ... ich wollte nur sagen ... ach, was soll’s«, fing sie an.

      »Was ist los?«, fragte Viktor und folgte einem Wassertropfen mit dem Finger.

      »Ach nein, es ist nichts«, sagte Marika und wickelte ihre Haare um den Finger.

      »Doch, sag schon«, sagte Viktor, obwohl er es eigentlich nicht wollte, denn er ahnte, was ihr auf der Zunge lag.

      »Na ja«, sagte sie, »es ist nur so ... ich finde dich total goldig.«

      Viktor bemühte sich, unberührt zu wirken. Goldig, er sollte goldig sein? Das Blut brodelte in ihm, es kribbelte und pulsierte, er wurde rot wie ein Krebs und ihm war, als würde sein Körper ein eigenes Leben leben. Wenn seine Backen nicht so rot gewesen wären, hätte er Marika angesehen. Er konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen und drückte die Stirn gegen das kalte Fenster. Sein Atem beschlug die Scheibe. Marika beugte sich über ihn und zeichnete ein V mit einem Herzen rundherum. Viktor wischte es weg. Aber blitzschnell.

      Auf dem Gehsteig an der Haltestelle waren so viele Menschen, dass Viktor voll in eine Wasserlache trat, ohne es zu bemerken. Der Himmel war grau, die Hauswände waren fleckig nach dem Regen und die Wimpel am Marktplatz hingen schlaff herab. Vor dem Rathaus waren ein paar Jungs dabei, die Lautsprecheranlage für ein Blasorchester aufzubauen, und über der Freilichtbühne hing eine grüne, durchnässte Plane.

      Sie liefen zwischen den Marktbuden durch, Marika bahnte ihnen den Weg. Viktor folgte ihr, balancierte auf den Pflasterfugen. Eine Frau, die einen dicken Norwegerpulli, einen gelben Südwester und dicke Winterstiefel trug, faltete gerade die nasse Plastikplane zusammen, die das Gemüse vor Nässe geschützt hatte. Marika drängte sich weiter und blieb vor einer Bude mit glänzendem Schmuck auf schwarzen Samtkissen stehen.

      Der Mann in der Bude hatte buschige Augenbrauen, die in der Mitte zusammengewachsen waren und die ganze Nasenwurzel bedeckten. Im Mundwinkel hing ein Zigarettenstummel. Marika fingerte an den Schmuckstücken herum und fand einen Totenschädel aus Zinn, groß wie ein Daumennagel. Er verlangte sechzig Kronen dafür, aber sie fing sofort an zu handeln, und bald war er damit einverstanden, ihn für fünfunddreißig zu verkaufen. Aber Marika hatte ja kein Geld. Sie zog Viktor mit sich und sie gingen weiter. Der Verkäufer fluchte ihnen hinterher und sie bogen schnell hinter den Buden mit Teppichen und Trainingsoveralls ab.

      »Und was machen wir jetzt?«, fragte Marika.

      »Ich muss zu meiner Alten«, sagte Viktor und balancierte auf einem Fahrradständer.

      »Jetzt?«

      »Ja, warum?«, fragte Viktor und ließ die Tasche auf den Boden fallen.

      »Musst du jetzt schon abdüsen?«, fragte Marika genervt. Sie beugte den Kopf nach vorne und richtete sich mit einem Ruck auf, sodass die Haare wie ein wilder Federbusch flatterten. »Scheiße, jetzt komme ich nicht mal nach Hause. Ich hab kein Geld mehr.«

      »Nicht mal für den Bus?«

      »Nein«, sagte Marika und stülpte demonstrativ ihre roten Jackentaschen nach außen. Ein einsames Fünfzigörestück fiel heraus und schlug auf dem Asphalt auf. Sie hob es auf und hielt es ihm mit einer resignierten Geste vor die Nase.

      »Scheiße! Damit komme ich wohl nicht gerade weit!«

      Viktor fiel sein Taschengeld ein und er sprang vom Fahrradständer herunter. Er wühlte in der Tasche und fand drei Zehnkronenstücke.

      »Ich kann dir was leihen.«

      »Sicher?«

      Viktor nickte.

      »Cool!«

      Sie nahm das Geld und schaute in Richtung Bushaltestelle. Sie schien zu zögern und klimperte mit den Münzen.

      »Wollen wir nicht lieber einen Kaffee schlürfen?«

      »Ach ... ich weiß nicht«, sagte Viktor.

      »Doch ... Komm schon!«

      »Ach, weißt du ...«

      »Ich lade dich ein«, sagte Marika und streckte die Hand aus.

      Jetzt zögerte wiederum Viktor.

      »Musst du denn zu deiner Alten gehen?«, fragte Marika. »Komm schon, sie kann doch warten!«

      Sie zog ihn am Ärmel. Viktor blieb noch einen Augenblick lang stehen, aber Marika war schon unterwegs und er folgte ihr schließlich.

      Sie überquerten den Marktplatz und gingen zu Lings Konditorei. Sie machten einen Bogen um den Mann mit den Augenbrauen, aber er sah sie doch. Er rief ihnen etwas nach, sie hörten nicht, was, aber er sah wütend aus. Viktor schaute zu Boden und konzentrierte sich auf die Pflastersteine, während Marika zurückstierte, die Faust ballte, den Mittelfinger ausstreckte und spuckte.

      Viktor spuckte auch, er traf einen Gully zwischen den Spalten, das hatte er bis jetzt noch nie geschafft, jetzt machte er es mit links, aus zwei Metern Entfernung, er hatte nicht mal gezielt.

      Marika ging vor, es läutete, als sie den Lichtstrahl am Türrahmen durchbrachen. Gesumme und Geklapper schlugen ihnen entgegen, die Feuchtigkeit beschlug die Fenster und die Bleche mit ofenfrischem Gebäck dampften. Viktor war oft mit seiner Mutter hier gewesen. Als er noch klein war, waren sie immer hierher gegangen, wenn sie in der Stadt Kleider gekauft hatten. Damals hatte er meist Saft getrunken und eine Vanilleschnitte mit viel Zucker drauf gegessen. Seine Mutter hatte schwarzen Kaffee getrunken und ein Zuckergussgebäck mit rosa Glasur gegessen. Viktor hatte seinen Saft immer mit dem Strohhalm getrunken, Blasen im Glas geblasen und sich in den Spiegeln an der Decke gespiegelt, die alles verkehrt herum sehen ließen. Damals


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