Geheimnis Fussball. Christoph Bausenwein

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Geheimnis Fussball - Christoph Bausenwein


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ernste Angelegenheit erstmals beim WM-Halbfinale 1970 zwischen Deutschland und Italien ins Blickfeld der Weltöffentlichkeit. „Das ist ja entsetzlich, das ist ja widerlich“, schimpfte Radioreporter Kurt Brumme in sein Mikro, als die Italiener immer wieder schreckliche Verletzungen simulierten. „Burgnich ist soeben verstorben“, witzelte er gequält, und musste sich gleich wieder korrigieren: „Nein, da kommt er wieder.“ Aber auch die Deutschen sollte das Schwalbenfieber rasch ergreifen. Der Frankfurter Bernd Hölzenbein muss sich bis heute gegen den Vorwurf verteidigen, dass er den Elfmeter, der im Finale 1974 zum 1:1-Ausgleich Deutschlands gegen die Niederlande führte, erschwindelt habe. Im Mai 2005 lief er demonstrativ mit dem Trikot seines Gegenspielers Wim Suurbier herum und erklärte dem „Kicker“: „Wäre es kein Elfer gewesen, hätte es nach dem Abpfiff bestimmt keinen Trikottausch gegeben.“

      In England ist die Schwalbe, die dort „Diver“ genannt wird, bis heute verpönt. Während kein englischer Profi auf die Idee käme, als Antwort auf ein rasantes Tackling vorzeitig zum Flug abzuheben, hat das simulierte Foul in anderen europäischen Ligen mittlerweile solche Ausmaße angenommen, dass man als Zuschauer sich schon fast genötigt sieht, die kunstvollen Schauspielereien zu bewundern. Im ursprünglichen „Schwalbennest“, in Italien, haben sie derart überhand genommen, dass sich der italienische Verband zu Beginn der Saison 2005/06 sogar genötigt sah, Foul-Betrüger nach TV-Beweis mit Sperren von mindestens zwei Spielen zu belegen. In Deutschland, wo das Elfmeterschinden vom Schiedsrichter nur direkt im Spiel geahndet werden kann, hat sich diese begrüßenswerte Idee noch nicht durchgesetzt. So bleibt Andreas Möller bis heute der einzige Bundesligaspieler, der nach einer Schwalbe gesperrt wurde: Im Jahr 1995 war dem dilettierenden Schauspieler ein „Luftsprung“ im Strafraum so offensichtlich misslungen, dass sein anschließender Schwur, wirklich gefoult worden zu sein, die grobe Unsportlichkeit erst perfekt gemacht hatte.

      Die Perfektionierung der „Fallsucht“ in betrügerischer Absicht ist die neueste Variante der „coolen“ – oder skrupellosen – Spielweise, die sich seit den 1970er Jahren im Profifußball durchsetzte. Man foulte immer weniger aus der Hitze des Kampfes heraus oder mit offenem Visier, sondern immer mehr aus kühler Berechnung. Das hatte zwar eine Verringerung der Brutalität zur Folge, zugleich aber bedeutete es auch eine Veränderung des Spielverständnisses. Nun hieß es: Wer zu brutal tritt, dem fehlt die Cleverness. Als „professionell“ hingegen ist seitdem dasjenige Foulspiel akzeptiert, das zwei Dinge vermeidet: den Platzverweis für den Foulenden und die Verletzung des Gefoulten. Vernünftige Profis rechnen damit, dass die Gegner genauso wie sie selbst notfalls auch mit unerlaubten Mitteln zum Erfolg kommen wollen; sie wollen sich aber zugleich darauf verlassen, dass schwere Verletzungsfolgen nicht vorsätzlich in Kauf genommen werden. Fouls, die sie zu Sportinvaliden machen, akzeptieren sie nicht – denn dies wäre eine eklatante Verletzung der Profisolidarität, die sich aus ihrer Eigenschaft als „Unterhaltungsarbeiter“ ergibt. Ein Beispiel für ein klassisch-professionelles Foul gab Michael Ballack im Halbfinale der WM 2002 gegen Südkorea. Mit einem taktischen Foul vereitelte er eine Chance des Gegners und sicherte so seinem Team den Einzug ins Finale. An dem konnte er dann selbst nicht mehr teilnehmen, weil er durch die zweite gelbe Karte, die er sich damit eingehandelt hatte, gesperrt war.

      Das weit verbreitetste Foul ist inzwischen – entwickelt als Folge des Grätschen-Verbots der FIFA vom Jahr 1994 – das Halten und Zerren an Hemd und Hose. „Früher kam die Grätsche“, schrieb der „Kicker“, „gnadenlos. Auch von hinten. Ist heute nicht mehr erlaubt. Deshalb haben sich die Herren Bundesliga-Profis etwas anderes einfallen lassen: Grapschen statt grätschen. In jedem Spiel werden die Trikots auf ihre Festigkeit geprüft.“ Zugleich geht das Zerren am Trikot einher mit dem bereits attestierten Hang zu Simulation: An jedem Bundesliga-Wochenende fallen die Stürmer bei der kleinsten Berührung so theatralisch, als habe sie gerade die Faust des amtierenden Box-Weltmeisters getroffen.

      Seit einiger Zeit ist der Griff nach dem Trikot wieder seltener zu sehen. Die Verteidiger sind nicht zahmer, aber die Textilien sind inzwischen hauteng geworden. So bleibt kaum eine Chance mehr, einen Zipfel von des Gegners Wäsche zu erhaschen, und die Abwehrspezialisten erledigen ihre Arbeit wieder mehr mit den Füßen. Vorsichtig zu Werke gehen müssen sie trotzdem, da oft schon der Hauch einer Berührung genügt, um einen Pfiff des Schiedsrichters auszulösen.

      Zweifelsohne ist nach wie vor ein Grundgehalt von Gewalt mit im Spiel, doch über weite Strecken spielt sie nur noch zum Schein ein Rolle. Aus dem Kampfspiel droht daher ein Simulationsspiel zu werden, in dem das Foul, das gar keines ist, zum zentralen Moment einer psychologischen Kriegführung wird. Heute sind nicht mehr die Stürmer die armen Schweine, weil sie so viel gefoult werden, sondern die Gelackmeierten sind die Verteidiger, die für Fouls bestraft werden, die sie gar nicht begangen haben.

      So ist zusammenzufassen: Paradoxerweise hat gerade die Angst vor dem unfairen Spiel zu einer Erweiterung des Spielraums für Betrügereien geführt. Erst die permanente Ausweitung des Strafauftrags und der Strafgewalt der Schiedsrichter, erst die härtere Ahndung des Foulspiels, erst die Gefahr, dass der Elfmeterpfiff flott erfolgt, erst das Risiko, dass gelbe, gelb-rote und rote Karten schnell gezückt werden, provoziert die Versuchung, einen Vorteil zu Lasten des Gegners herauszuschinden. Es könnte daher durchaus sein, dass der Fußball zu der Zeit, als die Spieler einander noch hart und ehrlich bekämpften, im Grunde fairer war als heutzutage.

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