Seewölfe - Piraten der Weltmeere 695. Fred McMason

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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 695 - Fred McMason


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2.

      Es dauerte fast eine halbe Stunde, bis er zurückkehrte. Er wartete auch ab, bis der Schläger wieder durch die Reihen gegangen war und die Leute traktiert hatte. Diesmal hatte er Matt Davies und dem alten O’Flynn kräftig eins übergezogen.

      Wie ein Geist, der aus den Planken wächst, tauchte er neben dem Seewolf auf.

      „Ich habe durch das Zauberglas gesehen, Sahib. Es sind vier Männer in dem Boot, zwei Inder und zwei andere, die keine Inder sind. Das Zauberglas hat sie deutlich gezeigt.“

      Hasard stieß erleichtert die Luft aus.

      „Ich danke dir, Gupta. Wer ist übrigens dieser Hundesohn, der uns dauernd schlägt?“

      „Das ist Valkya“, flüsterte der Inder furchtsam. „Ein böser, ein sehr böser Mann. Er ist schon lange bei Shastri, und sie haben alle Angst vor ihm. Er hat einen bösen Blick, und wenn man ihn sieht, dann schlägt er mit der Peitsche.“

      Hasard zuckte zusammen, als er einen Schrei unmittelbar neben seinem Ohr hörte. Der Schrei hörte sich tierisch an. Gleichzeitig stolperte Gupta und fiel auf die Planken.

      Hinter ihm stand peitschenschwingend der Gnom Valkya, mit boshaften Augen und seinem tückischen Grinsen. Noch zweimal schlug er auf den am Boden liegenden Gupta haßerfüllt ein und schrie wieder ein paar Worte, die keiner verstand.

      „Du dreckiger Bastard!“ brüllte Hasard voller Wut.

      Er zerrte mit aller Gewalt an seinen Ketten. Sein Gesicht sah so aus, als würde er den Gnom wahrhaftig umbringen. Er trat auch mit dem Fuß nach ihm, doch der Krüppel wich entsetzt und verstört aus und hastete ein paar Schritte durch den Mittelgang, wo er sich in Sicherheit glaubte.

      Hasard im Auge behaltend und bösartig feixend, holte er mit der langen Peitsche aus und drosch auf Ben Brighton ein, immer und immer wieder, bis der sich unter den Schlägen duckte und Angst hatte, der kleine Teufel würde ihm die Augen ausschlagen.

      Der Bastard verschwand endlich, nachdem er Hasard einen ängstlichhaßerfüllten Blick zugeworfen hatte.

      Minuten des Schweigens vergingen, in denen sie mechanisch nach dem „Tam-Tam“ die Langriemen durchs Wasser zogen. Der alte Inder neben Hasard hustete und spuckte Blut.

      Ferris sah wieder herüber. Seine Augen glitzerten vor hilfloser Wut.

      „Aus diesem Gupta werde ich auch nicht ganz schlau“, sagte er zu Hasard. „Gestern erklärte er, Shastri wolle nach Kavali, wo er furchtbare Dinge plane. Heut sagte er, daß Kavali keine Hafenstadt sei und der nächste Ort Bandar heiße. Was soll man davon halten?“

      „Ich weiß es nicht, aber ich habe ihn absichtlich nicht unterbrochen, um mehr zu erfahren. Allerdings bin ich jetzt auch nicht viel schlauer geworden. Ich bin mir aber ziemlich sicher, daß uns Dan und Hasard in dem Fischerboot folgen.“

      „Hoffen wir es“, murmelte Ferris. „Aber von Kavali habe ich schon mal irgendwas gehört.“

      „Vielleicht verwechselst du es mit der vielarmigen Kali“, meinte Hasard. „Hört sich ja so ähnlich an. Gupta muß man aber immer reden lassen, auch wenn er heute dies und morgen das sagt. Das übrige müssen wir uns eben zusammenreimen.“

      „An dieses Kavali glaube ich nicht“, ließ sich Ben Brighton vernehmen. „Was sollen wir in einem Kaff im Landesinnern? Da kann er doch mit Seeleuten absolut nichts anfangen.“

      „Wer weiß“, sagte der Seewolf nachdenklich. „Der Kerl ist ein Teufel in Menschengestalt, und er will seine Rachegefühle befriedigen. Schließlich haben wir ihn um Gold und Silber gebracht. Er hat sich bestimmt eine üble Teufelei ausgedacht, die auch gleichzeitig gegen den Sultan gerichtet ist, indem er ihm die Galeere stahl. Ich habe wirklich keinen blassen Schimmer, was der Gauner mit uns vorhaben könnte.“

      „In jedem Fall eine hundsgemeine Sache“, sagte Shane. „Ich habe schon an seinem Grinsen gesehen, daß uns eine Überraschung bevorsteht. Wo steckt der Hundesohn überhaupt?“

      „Wahrscheinlich in seiner Kammer, wo er sich von den Strapazen der Seekrankheit erholt“, meinte Hasard. „Aber das dürfte bald vorbei sein. Die See ist längst wieder ruhig geworden.“

      Hasard schwieg für ein paar Augenblicke und blickte wieder zur nahen Küste hinüber.

      Im Landesinneren war ein Wirbel aus Staub und Sand zu erkennen. Wie eine Trombe sah es aus, eine gefürchtete Windhose. Der Wirbel wurde erst in große Höhen getragen, dann raste er fast waagerecht auf das Meer zu.

      „Auch das noch“, murmelte der Seewolf. „Der Staub hält genau auf uns zu. In ein paar Minuten dürfte er uns erreichen.“

      Die Wolke aus Staub und Sand näherte sich rasch und senkte sich dabei immer tiefer. Unter ihrem Ansturm begannen die Wipfel der Palmen zu rauschen. Ein hohes Singen und Fauchen lag in der Luft. Urgewalten tobten kreischend heran.

      Es war, als blase der Chamsin sein höllisches Lied, jener heiße, trockene, mit Staub und Sand beladene Wüstenwind der arabischen und ägyptischen Regionen.

      Auf dem Oberdeck erklangen ein paar Befehle in Hindi. Daraufhin wurde das eine Segel eingeholt, der Takt der Ruderschläge aber beibehalten.

      Hasard sah, daß der Kurs der Galeere geändert wurde. Sie drehte vom Land weg und hielt jetzt östlichen Kurs. Shastri wollte offenbar vermeiden, daß der Sandstaub in die achteren prunkvollen Gemächer drang.

      Die Inder, die nicht angekettet auf der Galeere Dienst taten, verholten nach unten und ließen sich nicht mehr blicken.

      Die Wolke aus Sand und Staub war jetzt größer und dunkler geworden. Drohend fegte sie vom Land heran und senkte sich dann über das Meer.

      „Dreht euch um und haltet die Luft an!“ rief Hasard seinen Männern zu, die alle zum Land blickten. „Haltet zumindest die Köpfe nach unten, damit ihr das Zeug nicht in die Augen kriegt!“

      Orgeln und Heulen erfüllten die Luft. Am Ufer begann sich das Wasser zu kräuseln. Winzige Wellen hüpften unruhig hoch und wurden immer größer, bis ihre Kämme von dem heranrasenden Staubwind niedergedrückt und als Gischt über das Wasser verteilt wurden.

      Der Bhoot schmirgelte über Deck, mit einem ekelhaften Singen und Raspeln, wie die Zähne des Windes. Diese Zähne waren scharf und spitz und bohrten sich wie winzige Nadeln in die Haut. Sie nahmen ihnen auch die Atemluft.

      Der Kerl an der großen Trommel zog das Genick ein und verdrehte die Augen, als die feinen Körner seinen Rücken schmirgelten. Aber er hielt eisern den Takt bei.

      Das „Tam-Tam“ war kaum noch zu hören. Es vermischte sich mit dem grellen Kreischen des Windes, der ihnen seinen heißen und dreckigen Atem in die Gesichter blies.

      Die Arwenacks hatten das Gefühl, als würden ihre Lungen mit glühenden Eisenspänen gefüllt. Tief hielten sie die Köpfe gesenkt und die Augen geschlossen.

      Die osmanische Galeere erzitterte für Augenblicke unter dem wüsten Ansturm. In der Takelage heulte und pfiff es, als seien tausend kreischende Teufel ausgebrochen, die ihr Unwesen an Deck trieben.

      Gleich darauf wurde es fast dunkel, und eine schwarze Wolke hüllte die große Galeere ein.

      Die Luft ließ sich kaum noch atmen. Ben Brighton spürte es wie glühende Nadelstiche auf seiner Haut. Er atmete nur ganz flach durch die Nase, und selbst das verursachte brennende Schmerzen. Der feine Sand schob sich unter seine Augenlider, drang zwischen die geschlossenen Lippen und erzeugte einen pelzigen Geschmack im Mund. Zwischen den Zähnen knirschte es.

      Den anderen erging es nicht besser. Bei diesem höllischen Zehn-Minuten-Sturm mußten sie auch noch pullen, ohne irgend etwas sehen zu können.

      Hasard selbst hatte ebenfalls verklebte Augenlider. Der Schweiß vermischte sich mit dem staubigen Sand, überall begann die Haut ganz erbärmlich zu jucken. Die Langriemen waren feucht und glitschig geworden. Jedesmal beim Zupacken war ihnen, als würde die Haut abgezogen.

      Der


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