Celtic. Dietrich Schulze-Marmeling

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Celtic - Dietrich Schulze-Marmeling


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endet unentschieden. 12.000 sehen zu, für diese Zeit eine enorme Kulisse für ein Fußballspiel in Glasgow.

      Am 6. November 1887 lädt Walfrid zur Gründung eines Fußballklubs in das Gemeindehaus der St Mary’s R. C. Chapel in der East Rose Street in Calton ein. Der neue Klub soll die finanzielle Zukunft des Poor Children’s Dinner Table für Kinder und Arbeitslose in den drei Gemeinden von St Mary’s (Calton), Sacred Heart (Bridgeton) und St Michael’s (Parkhead) sichern.

      In der St Mary’s Hall versammelt sich ein buntes Völkchen aus Aktivisten für die katholische Sache, pro-irischen Nationalisten, Republikanern und Sozialisten. Vertreter der katholischen Wohlfahrtsorganisation St Vincent de Paul Society sind ebenso im Raum, wie solche der Catholic Union, der Irish Foresters, der Home Government Branch, der Irish National League, der lokalen Penny Savings Bank und der Total Abstinence Society.

      Das Treffen wird von John Glass geleitet. Während Walfrid der Mann ist, der die Idee zur Gründung eines Fußballklubs hat, ist Glass derjenige, der sie umzusetzen versteht. Ohne Glass wäre Celtic keine bedeutende Adresse geworden. 1894 bezeichnet ihn die Fachzeitschrift „Scottish Sport“ als „Vater des Klubs“.

      Auf der Versammlung wird ein erstes Celtic Committee gebildet. Der anerkannte Allgemeinmediziner Dr. John Conway wird Ehrenpräsident, John Glass Präsident, John O’Hara Sekretär, Hugh Darnoch Schatzmeister und Willie Maley Spielobmann. Des Weiteren gehören zum Committee u. a. Tom Maley, Joe Shaughnessy, Pat Welsh, William McKillop, John McLaughlin und Joseph McGrory. Alle Committee-Mitglieder haben einen irischen Hintergrund.

       „Irish Politics“

      Celtic wird häufig als „katholischer“ Klub beschrieben, gegründet aus katholisch-karitativen Motiven. Allerdings spielte die Politik eine noch wichtigere Rolle als die Kirche und der Wohlfahrtsgedanke, wie ein Blick auf die prägenden Männer der ersten Jahre zeigt. Im Vergleich zu Hibernian war Celtic weniger katholisch und introvertiert. Der Klub war auch ein politisches Projekt und als solches ziemlich ex tro vertiert. Nicht von ungefähr wird im Juni 1889 mit Michael Davitt ein profilierter irischer Sozialrevolutionär und ehemaliger politischer Gefangener neben Bruder Walfrid zum zweiten Celtic-Patron gekürt (siehe „Einwurf“ am Ende des Kapitels). Davitt war erstmals 1881 in Glasgow aufgetreten, wo er sich fortan großer Popularität erfreut. Auch Timothy Daniel Sullivan, ein aus Bantry in der irischen Grafschaft Cork stammender irischer Nationalist, ist Celtic eng verbunden. Der Politiker, Journalist und Poet dichtete u. a. die Hymne „God Save Ireland“.

      Celtics erster Präsident John Glass, ein gelernter Schreiner und Bauunternehmer, ist ebenfalls politisch in Erscheinung getreten: als Aktivist der Home-Rule-Bewegung, die für eine Selbstverwaltung der irischen Insel eintritt, und Schatzmeister in deren Organisation Home Government Branch. Diese Gruppe ist 1871 vom aus Belfast stammenden Protestanten John Ferguson gegründet worden, den Celtic-Patron Michael Davitt als „Vater der irischen Bewegung in Schottland“ preist. Sie gibt sich betont anti-sektiererisch und betrachtet irische Emanzipation mehr als politische und soziale denn als nationale und katholische Angelegenheit. Außerdem sammelt sie Geld für die Irish Parliamentary Party (IPP), die auf parlamentarischem Wege Home Rule erzwingen will. Ferguson schmiedet in Glasgow ein Bündnis aus Sozialrevolutionären und irischen Republikanern/Nationalisten, von dem später die Labour Party profitieren wird und das die langjährige Verbundenheit Celtics mit Labour erklärt. Ferguson ist später auch an der Gründung der Scottish Labour Party beteiligt und wird ihr erster Vizepräsident. Die Home Government Branch schließt sich der im Oktober 1882 gegründeten Irish National League (INL) an und unterhält enge Beziehungen zur IPP. Die INL ist eine Nachfolgeorganisation von Michael Davitts Irish Land League (ILL), die sich am 21. Oktober 1879 gegründet hatte und von den Briten am 20. Oktober 1881 verboten worden war.

      Glass ist nicht der einzige Celtic-Funktionär, der sich für Home Rule engagiert. James Quillan, Celtics erster Vizepräsident, ist zugleich „Vize“ der Home Government Branch. Am St Patrick’s Day 1896 erscheint neben John Glass auch Celtic-Gründungsmitglied William McKillop auf einer Kundgebung in der Grand National Hall, auf der Home Rule und die Freilassung der irischen politischen Gefangenen gefordert werden. Auch der Präsident der Home Government Branch ist ein Celtic-Mitglied: Hugh Murphy. Sein Bruder Arthur sitzt im Celtic Committee und agiert später als Kopf der vereinsinternen Opposition gegen den Übergang zum Professionalismus.

      Dass die Committee-Mitglieder Tom und Willie Maley bei Celtic landen, ist einem ehemaligen irisch-republikanischen Rebellen zu verdanken. Der Vater der Maley-Brüder, Tom Maley sen., stammt aus Ennis in der irischen Grafschaft Clare. Da es hier nur wenig Arbeit gab, ging er nach England, wurde Mitglied der britischen Armee und zum Ende seiner Dienstzeit in Dublin stationiert. 1867 nimmt Sergeant Maley im Hafen von Dublin den Fenier Pat Welsh fest, der aus Irland flüchten will. Er lässt ihn laufen, nachdem Welsh ihn davon überzeugt hat, dass er der Gewalt abgeschworen habe und in Glasgow ein neues Leben beginnen wolle. In Glasgow betreibt Welsh in der Buchanan Street eine Schneiderwerkstatt, kommt zu einigem Wohlstand und gründet eine Familie. Welsh und Maley bleiben weiterhin in Kontakt. Als Maley 1870 die Armee verlässt, lädt ihn der immer noch zutiefst dankbare Welsh dazu ein, sich mit seiner Familie in Glasgow niederzulassen. Dort lebt die Maley-Familie zunächst in der späteren Celtic-Gegend Gallowgate, die zur St-Mary’s-Gemeinde gehört.

      Tom Maley, der ältere der beiden Söhne, ist ein ausgezeichneter Fußballer und spielt für Hibernian Edinburgh. Im Celtic-Gründungsjahr 1887 sucht Welsh in Begleitung von Bruder Walfrid und John Glass die Maleys auf, um Tom Maley zu Celtic zu locken. Diesen stört an Hibernian, dass hier nur Katholiken kicken dürfen. Tom Maley jun. avanciert nun zu einem der ersten Stars im Celtic-Trikot. Als Celtic am 1. März 1889 die berühmten englischen Corinthians mit 6:2 schlägt, ist Tom Maley der beste Mann auf dem Platz. 20.000 sehen den historischen Sieg, was zu diesem Zeitpunkt Rekord für ein Fußballspiel in Schottland ist. Die Einnahme von 300 bis 400 Pfund kommt katholischen Wohlfahrtsorganisationen zugute.

      Da der Profifußball in Schottland noch nicht legalisiert ist, arbeitet Tom Maley als Lehrer. Er interessiert sich nicht nur für Fußball. Der exzellente und überzeugende Redner spricht wiederholt auf irisch-nationalistischen Versammlungen und Kundgebungen, ist aber auch ein entschiedener Befürworter von Celtics Verbindungen zu Walfrids Poor Children’s Dinner Table. 1897 wird er Mitglied des Celtic-Direktoriums. Tom Maley verfügt über beste Kontakte in der Fußballwelt. Schon als Aktiver lässt er seine Beziehungen spielen, um Kollegen zu Celtic zu locken. 1902 wird er Manager von Manchester City. Mit ihm auf der Bank gewinnt City 1904 seine erste nationale Trophäe, den FA-Cup.

      Mit Tom Maley kommt auch sein jüngerer Bruder Willie zu Celtic. Willie wurde in Newry in der irischen Grafschaft Down geboren (nach der Teilung der irischen Insel nordirische Grenzstadt), in einer Kaserne der britischen Armee. Eigentlich interessiert sich Willie zunächst mehr für Leichtathletik statt Fußball. Bei Celtic spielt er im Mittelfeld. Willie Maley wird 1897 Trainer und Geschäftsführer des Klubs und bleibt dies 43 Jahre lang.

      Es heißt, dass Willie wie sein Vater zeit seines Lebens der Krone zugetan blieb. Anderen Quellen zufolge wurde er allerdings auch auf Veranstaltungen der Glasgower Home-Rule-Bewegung gesehen. So berichtet der „Glasgow Observer“ im Mai 1910 von einer Rede Willie Maleys vor der United Irish League (UIL). Ein jüngerer Bruder von Tom und Willie Maley, Alex Maley, spielt einige Jahre eine prominente Rolle in deren Pollockshaw-Ortsgruppe. Auch Alex Maley ist Fußballer. Als Manager arbeitet er u. a. für Crystal Palace. Später wird er Mitglied im Direktorium von Hibernian.

      Im ersten Celtic-Vorstand ist John McLaughlin der Einzige, der nicht in „irish politics“ involviert ist und einer ihrer Organisationen angehört. McLaughlin, dessen Wurzeln in der irischen Grafschaft Donegal liegen, spielt einige Jahre die Orgel in St Mary’s. Er ist Getränkehändler und besitzt einen Pub in Lanarkshire. Wie viele Celtic-Männer der ersten Stunde hat McLaughlin zunächst wenig Ahnung vom Fußball. Bis zur Gründung des Klubs hat er sich mehr für Cricket interessiert. Er amtiert von 1897 bis 1909 als Vorsitzender von Celtic.

      In seiner Amtszeit kommt es zu einem politischen Krach im Klub. McLaughlin unterstützt im Burenkrieg die Briten – im Gegensatz zu den anderen Vorstandskollegen wie John Glass, der wie viele der irischstämmigen Katholiken in Schottland den Krieg


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