Olga, Star der Parkschule. Marie Louise Fischer

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Olga, Star der Parkschule - Marie Louise Fischer


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      „Na endlich!“ rief Katrin. „Gleich knallt’s!“

      Aber es knallte nicht; die beiden Männer trennten sich ohne Schußwechsel.

      Unten im Parkett aber drehte der bärtige Herr sich wieder um und drohte: „Noch ein Wort, und ich werde euch hinauswerfen lassen!“

      Katrin war der Satz nur so rausgerutscht. Sie hatte wirklich niemanden ärgern wollen. Aber sie dachte nicht daran, sich zu entschuldigen, sondern gab zurück: „Das könnte Ihnen so passen. Ich habe mein Eintrittsgeld genauso bezahlt wie Sie!“

      Silvy stimmte ihr zu. „Und wir haben es wahrscheinlich mühsamer zusammengekratzt als Sie!“

      „So eine Frechheit habe ich noch nie …“, schimpfte der Herr los, aber er kam nicht dazu, seinen Satz zu beenden.

      Im Hintergrund wurden andere Stimmen laut: „Ruhe da vorn!“ – „Man kann ja kein Wort verstehen!“ – „Pssst!“

      Wohl oder übel mußte der Bärtige schweigen.

      Die drei Freundinnen waren durchaus nicht eingeschüchtert, aber immerhin wohlerzogen genug, von nun an den Mund zu halten, während einige Kinder weiter hinten mit der Nachahmung von Geräuschen und mit Zwischenbemerkungen nicht sparten.

      Endlich nahm der Held sein Mädchen in die Arme, worauf jemand im Publikum sehr echt und geräuschvoll einen langen, saftigen Schmatz imitierte, ein Geräusch, das vom jugendlichen Publikum begeistert belacht und bepfiffen wurde.

      Der Bärtige drehte sich um und sagte empört: „Das geht denn nun doch zu weit!“

      „Warum gucken Sie uns dabei an?“ erwiderte Katrin. „Wir waren das nicht!“

      „Und wenn Sie so empfindlich sind, sollten Sie eben nicht in eine Nachmittagsvorstellung gehen“, fügte Ruth hinzu.

      Der Bärtige schien sich geschlagen zu geben, jedenfalls wandte er sich wieder nach vorn.

      „Bravo!“ Katrin klopfte Ruth gönnerhaft auf die Schulter. „So kenne ich dich ja gar nicht, Kleine!“

      Dann war der Film zu Ende, und die Zuschauer drängten sich ins Foyer. Draußen hatte es inzwischen zu regnen begonnen, und nur langsam löste sich die Schar der Besucher auf und verlief sich auf der Straße.

      Silvy stieß Katrin an. „Du, da vorn steht der Blödmann noch!“

      Tatsächlich war der Bärtige unter dem Vordach stehengeblieben und zündete sich jetzt eine Zigarette an.

      „Ja, wahrhaftig“, sagte Katrin, „ist er nicht süß? Mit all diesem Sauerkraut ums Kinn … direkt zum Verlieben.“

      „Ja, es fällt mir scheußlich schwer, mich von ihm zu trennen“, spöttelte Ruth, „ob wir ihn nicht noch länger an uns fesseln können?“

      „Das wär ’ne Idee“, erklärte Katrin, „aber wie?“

      „Wir könnten ihn fragen, wie spät es ist.“

      „Wer? Du etwa?“

      „Nein, Silvy?“

      „Wenn ihr denkt, daß ich mich das nicht traue“, sagte Silvy, „habt ihr euch schwer geschnitten. Wollen wir wetten … ich tu’s.“

      „Ich wette aus moralischen Gründen nicht“, erklärte Katrin hochtrabend und warf ihre schwarze Mähne zurück, „und außerdem bin ich überzeugt, daß du’s tust.“

      „Na, dann wollen wir mal.“ Silvy schlüpfte in ihren roten Lackmantel, den sie über dem Arm getragen hatte, straffte die schmalen Schultern und marschierte los.

      „Nein! Nicht!“ schrie Ruth entsetzt. „Es war doch nur Spaß!“

      „Nun bibbere man nicht, Kleene“, sagte Katrin beruhigend, „mach dich lieber startbereit. Gleich müssen wir spurten.“ Sie zog den Reißverschluß ihres Anoraks zu und stülpte sich die Kapuze über den Kopf.

      Ruth band sich ein Tuch um ihr schönes blondes Haar und spannte einen schicken Regenschirm auf.

      Inzwischen hatte Silvy den Bärtigen erreicht, blieb vor ihm stehen und fragte mit einem überaus wohlerzogenen kleinen Knicks: „Können Sie mir bitte sagen, wieviel Uhr es ist?“

      Der Bärtige musterte sie mißtrauisch. „Wozu willst du das denn wissen?“

      „Weil ich meiner Mutti versprochen habe, rechtzeitig zu Hause zu sein“, erklärte Silvy und setzte ihre schönste Unschuldsmiene auf.

      Der Herr schob die Manschette zurück und warf einen Blick auf das Zifferblatt seiner Armbanduhr. „Fünf Minuten nach sechs.“

      „Schon?“ Silvy hob die blassen Augenbrauen. „Dann ist es aber höchste Zeit, daß Sie sich bessern!“ Mit einem Riesensatz schoß sie in den Regen hinaus.

      Ruth und Katrin waren gleichzeitig davongestürzt. Nebeneinander jagten sie die Straße entlang, daß die Pfützen nur so unter ihnen aufspritzten. Erst einen ganzen Block weiter stoppten sie und suchten in einer Toreinfahrt Schutz.

      „Oh, oh, oh, ich kann nicht mehr“, stöhnte Katrin, „ich muß so lachen … und dabei noch zu rennen, das ist wirklich zuviel.“

      Ruth blickte ängstlich um die Ecke. „Hoffentlich kommt der uns nicht nach!“

      „Wo denkst du hin!“ sagte Silvy. „So ein alter Knacker kann nicht mehr rennen wie wir!“

      „Du, alt war der gar nicht.“ Katrin hielt sich die Seiten. „Nicht uralt, meine ich. So um die Dreißig.“

      „Schon möglich“, räumte Silvy ein, „innerlich jedenfalls total vergreist.“

      „Ich bin nur froh, daß uns niemand beobachtet hat“, sagte Ruth, „bei Licht besehen haben wir uns ziemlich unmöglich benommen.“

      „Ach, Unsinn“, widersprach Katrin, „er hat doch angefangen, oder?“

      „Finde ich auch“, stimmte Silvy ihr zu, „der hatte ’ne kleine Lektion durchaus verdient.“

      Ruth war es immer noch nicht wohl in ihrer Haut. „Wenn ich das meiner Mutti erzählen würde …“

      „Brauchst du ja nicht.“ Katrin legte beschützend den Arm um ihre Schulter. „Hör auf, dir Gedanken zu machen. Der Rübezahl hat uns längst vergessen. Und wenn nicht, ist es auch egal. Wir werden ihn nie im Leben wiedersehen.“

      Aber mit dieser Bemerkung hatte sie schwer danebengetippt – wie sehr, das sollte sich schon am nächsten Schultag, dem Montag, herausstellen.

      Für die erste Stunde war Deutschunterricht bei Frau Dr. Mohrmann, der Klassenleiterin, angesetzt. Das war eine beliebte Stunde, denn die Lehrerin war jung und aufgeschlossen und verstand es, die Mädchen zu fesseln. Noch plauderten die Schülerinnen von ihren Wochenenderlebnissen, wobei es niemandem besonders auffiel, daß Olga kein Wort sprach, sondern mit fest zusammengepreßten Lippen dasaß und so tat, als ginge alles, was ringsum geschah, sie gar nichts an.

      Als die Tür aufging und die Klassenleiterin eintrat, verstummten die Gespräche sofort, und die Mädchen erhoben sich von ihren Plätzen.

      „Guten Morgen!“ grüßte Frau Dr. Mohrmann.

      „Guten Morgen, Frau Mohrmann!“ grüßte die Klasse munter zurück.

      Dann erst sahen sie, daß die Lehrerin nicht allein war, sondern einen Herrn im Schlepptau mitbrachte – einen schlanken Herrn mit dunklen Augen und einem gepflegten schwarzen Vollbart.

      „Ich werd verrückt“, hauchte Katrin, „das darf doch nicht wahr sein!“

      „Der Rauschebart“, flüsterte Silvy, „gleich fall ich um.“

      „Ich hab’s ja gewußt, ich hab’s gewußt, das wird nicht gut ausgehen“, piepste Ruthchen.

      Die


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