Hilf mir, liebes Hausgespenst. Marie Louise Fischer

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Hilf mir, liebes Hausgespenst - Marie Louise Fischer


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auf und gab ihrer Mutter einen leichten Kuß. „Und du, Amadeus, sei brav! Laß dir nur ja nicht einfallen, meine Mutter zu ärgern … sonst spreche ich kein Wort mehr mit dir!“

      Lachend schwenkte sie ihre Mappe und lief aus dem Haus.

      Schon von weitem sah sie Ingrid, die etwa hundert Meter entfernt, dort, wo der Weg von Heidholzen, dem nächsten Dorf, nach Geretsried führte, auf sie wartete.

      Ingrid besuchte die gleiche Klasse wie Monika, ihr Vater war Lehrer am Gymnasium in Ottobrunn. Sie wohnte mit ihren Eltern in einem kleinen Bauernhaus in Heidholzen. Als Einzelkind war sie immer etwas feiner angezogen als die anderen, aber sonst war sie sehr nett. Heute trug sie einen weißen Faltenrock und in ihrem braunen Wuschelhaar ein rotes Seidenband.

      „Hei!“ schrie Monika und setzte sich in Trab. „Grüß dich, Ingrid!“

      Sekunden später hatte sie die Schulfreundin erreicht. „Das war ein Spurt, was?“

      „Spitze!“ sagte Ingrid anerkennend. „Wenn du heute beim Sport nur halb so schnell bist …“

      „Sport!? Mich trifft der Schlag!“

      „Was ist denn?“

      „Ich hab meinen Turnbeutel vergessen!“

      „Dann mußt du ihn holen“, erklärte Ingrid, „die Kruse verträgt keine Schlamperei.“

      „Wartest du auf mich?“

      Ingrid schüttelte den Kopf. „Lieber nicht. Ich will nicht deinetwegen zu spät kommen.“

      „Typisch!“ Monika war ein bißchen enttäuscht. Gaby hätte in jedem Fall auf sie gewartet, aber Gaby war eben auch eine echte Freundin und nicht nur eine Klassenkameradin wie Ingrid.

      „Also mach schon!“ drängte Ingrid. „Sieh zu, daß du mich einholst!“

      Monika wandte sich dem Haus zu und sah – wie ihr Turnbeutel in einem flachen Bogen auf sie zugeflogen kam. Sie streckte die Arme aus, in denen er gleich darauf ganz sanft landete.

      „Danke!“ rief sie. „Oh, danke!“

      Auch Ingrid hatte das Ereignis bobachtet. „Was war denn das?“ fragte sie ganz verdattert.

      „Nichts weiter“, behauptete Monika leichthin, „jemand hat mir meinen Turnbeutel nachgeworfen!“

      „Aber von eurem Haus bis hier zur Kreuzung sind es mindestens hundert Meter!“ rief Ingrid. „So weit kann doch gar kein Mensch werfen!“

      „Vielleicht doch!“

      „Nie und nimmer! Sei ehrlich, Moni, das ist doch nicht mit rechten Dingen zugegangen!“

      „Und wenn, das ist doch jetzt ganz egal! Hauptsache, ich habe mein Turnzeug und komme nicht zu spät zur Schule.“ Monika war schon in Richtung Geretsried losmarschiert.

      „Ich möcht’s aber wissen!“ Ingrid faßte sie beim Arm. „Der Beutel ist nicht geworfen worden … er ist geflogen!“

      „Du kannst ja nachschauen, ob ein Motor drin ist.“

      Ingrid schüttelte nachdenklich den Kopf. „Nein, noch anders … es sah aus, als würde er von jemandem durch die Luft getragen … ja, so war’s!“

      „Wenn du’s weißt, warum fragst du dann noch lange?“

      „Monika, nun sei doch nicht so! Ich habe dir doch auch von dem Geisterlicht erzählt, das ich im Winter in eurem Haus gesehen habe, du erinnerst dich doch. Ich war’s, die dir gesagt hat, daß es dort spukt! Ich find’s gemein, daß du jetzt die Geheimnisvolle spielst!“

      „Tut mir leid, Ingrid, ehrlich, aber wir haben unserem Vater versprechen müssen, den Mund zu halten.“

      „Also doch!“

      Monika ging schweigend, die Lippen fest zusammengepreßt, weiter.

      Ingrid gab nicht auf. „Bitte, sei nicht so! Du glaubst doch wohl nicht, daß ich jemandem was erzählen würde, ausgerechnet ich? Niemand außer dir hat mir damals das mit dem Geisterlicht geglaubt, alle haben mich ausgelacht, mein Vater ist sogar regelrecht böse geworden. Nein, ich kann genausogut schweigen wie du. Ganz bestimmt.“

      „Na ja, wo du es selber gesehen hast.“ Monika begann schwach zu werden.

      „Eben. Ich hab’s gesehen, und ich weiß, daß ein Spuk dahintersteckt! Also los, red schon! Wie erklärst du dir das mit dem Turnbeutel?“

      „Amadeus hat ihn mir nachgetragen.“

      „Amadeus?“

      „Ja, so nennt er sich. Er ist ein Gespenst, glaube ich, aber er weiß nicht, was das ist. Er hält sich für einen Menschen, und er sieht auch so aus, wenn er sichtbar wird, nur ist er durchsichtig, ein hübscher Junge mit weißer Perücke.“

      „Du hast ihn gesehen? Richtig gesehen?“ fragte Ingrid ungläubig.

      „Ja“, erwiderte Monika trocken.

      „Wie ist es denn dazu gekommen?“

      „Du weißt, daß im Haus dauernd die Mieter gewechselt haben, und auch bei uns hat es zuerst fürchterlich gespukt. Besonders nachts. Es hat geklopft und geschlurft und gestöhnt, und zuerst dachten alle, stell dir vor, ich wäre schuld. Dann haben wir uns Watte in die Ohren gestopft, so daß wir nichts mehr gehört haben. Aber Amadeus … damals wußte ich natürlich noch nicht, daß es ihn gibt … hat nicht nachgelassen. Er hat uns die Decken weggezogen und etliche Scherze mit uns getrieben. Wir haben keine Nacht mehr richtig geschlafen und sind allmählich immer gereizter und nervöser geworden. Aber wir wollten uns nicht kleinkriegen lassen. Bis dann … am hellen Tag, stell dir das vor … die Kartoffeln die Kellertreppe in die Küche hinaufgehüpft sind. Das war für meine Mutter zuviel.“ Monika legte eine Kunstpause ein.

      „Toll!“ rief Ingrid beeindruckt. „Das ist die tollste Geschichte, die ich je gehört habe! Hätte ich das mit dem Turnbeutel nicht selber gesehen, ich würde dir kein Wort glauben!“

      „Grund genug es nicht weiterzuerzählen!“

      „Das habe ich dir doch schon versprochen! Aber wie hast du Amadeus kennengelernt?“

      „Ich mußte ihn kennenlernen, es blieb mir nichts anderes übrig. Die anderen wollten nämlich aufgeben, und dann wäre es aus gewesen mit meinem schönen Stall und dem Pferd und allem. Also mußte ich mit Amadeus sprechen. Ich habe mich mitten in der Nacht auf den Dachböden gesetzt …“

      „Du hast aber Mut!“

      „Halb so schlimm. Ich wußte ja, daß Gespenster den Menschen nicht wirklich etwas tun können … nur Streiche spielen, erschrecken und so, aber nicht wirklich verletzen. Also habe ich mich hingesetzt und gewartet. Zum Glück schien der Mond, so daß es nicht stockduster war. Ich habe immer wieder gerufen: ,Gespenst, ich muß mit dir sprechen!‘, bis er es endlich kapiert und sich sichtbar gemacht hat.“

      „Und wie sah er aus?“

      „Hab ich dir ja schon beschrieben. Zum Schluß hat er die Perücke abgenommen, da hatte er hellblondes Haar drunter … sehr süß, kann ich dir sagen. Er hat im achtzehnten Jahrhundert gelebt, behauptet er, und daß er immer zwölf Jahre alt bliebe. Und so benimmt er sich auch.“

      Ingrid staunte.

      „Und kann er richtig sprechen?“

      „Na klar. Sogar französisch!“

      „Kannst du denn Französisch?“ fragte Ingrid erstaunt.

      Sie hatten das Wäldchen durchquert, und schon tauchte das große moderne Schulgebäude am Rand von Geretsried vor ihnen auf.

      „Nö, aber wenn er sagt, daß es Französisch ist, wird’s ja wohl stimmen.“

      Ingrid warf einen Blick auf ihre Armbanduhr und hielt Monika zurück. „Aber was hat es für einen Zweck gehabt,


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