Hilf mir, liebes Hausgespenst. Marie Louise Fischer

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Hilf mir, liebes Hausgespenst - Marie Louise Fischer


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rotes Haar, das sie mit einem Gummiband im Nacken zusammengefaßt hatte, drohte sich zu lösen, und sie zog es wieder durch. „Sag bloß du traust dich nicht!“

      Damit kam sie der Wahrheit ziemlich nahe, aber Gaby mochte es nicht zugeben. „Ach, so sehr interessiert mich die olle Ruine nun auch wieder nicht“, behauptete sie.

      Monika grub unverdrossen weiter, war aber dann doch froh, daß es draußen allmählich dunkel und kühl wurde und sie ihre Arbeit einstellen mußte.

      Der Vater lobte sie, als er nach Hause kam. „Sehr gut gemacht“, sagte er, „das sollte genügen. Hier anschließend kommt dann die Jauchegrube hin. Bei der muß Liane dir aber helfen.“

      „Ingrid kommt auch“, berichtete Monika.

      „Wer ist Ingrid?“ fragte Gaby sofort.

      „Eine aus meiner Klasse“.

      „Du hast eine neue Freundin? Davon hast du mir gar nichts gesagt.“

      „Ingrid ist keine Freundin“, erklärte Monika mit Entschiedenheit, „wir haben nur den gleichen Schulweg.“

      „Dann hättest du sie auch nicht kommen lassen brauchen!“

      „Du meinst, deine fabelhafte Hilfe reicht?“

      „Hört auf damit“, mischte sich Herr Schmidt ein, „ihr seid mir feine Freundinnen, das muß ich schon sagen. Kaum einen Nachmittag zusammen, und schon gibt es Zank und Streit.“

      „Tut mir leid, Gaby“, sagte Monika einlenkend, „ich wollte dich nicht kränken, aber auf Ingrid brauchst du wirklich nicht eifersüchtig zu sein. Sie war noch nie bei mir und ich nicht bei ihr, obwohl sie gleich drüben in Heidholzen wohnt. Wir haben nur einen gemeinsamen Schulweg.“

      „Warum hast du mir nie von ihr erzählt?“

      „Weil es da nichts zu erzählen gibt. Meine einzige Freundin bist und bleibst du, auch wenn du nur eine halbe Portion bist.“

      Damit war der Frieden wieder hergestellt.

      Als Abendessen gab es zu Ehren von Gabys Besuch und dem Ferienanfang etwas besonders Gutes: Hähnchen mit Pommes frites, die niemand so gut und knusprig machen konnte wie Frau Schmidt, frischen Salat und zum Nachtisch einen Grießflammeri.

      Als der Tisch abgeräumt und die Küche gemacht war, setzten sich alle zu einem großen Gesellschaftsspiel zusammen. So verging der Abend sehr vergnüglich, ohne daß einer der Schmidts auch nur eine Sekunde an Amadeus dachte.

      Erst als Monika und Gaby sich verabschiedeten, um nach oben zu gehen – die anderen wollten noch ein spätes Fernsehspiel sehen –, fiel Gaby das Ölgemälde, das Amadeus darstellte, auf. Monika hatte es inzwischen gründlich und sorgfältig gereinigt, und es sah jetzt ganz ansehnlich aus.

      „Woher habt ihr denn das?“ fragte Gaby.

      „Das war im Haus. Es hat immer da gehangen.“

      „Ach so.“

      „Ja“, sagte Monika, „wir nennen es Amadeus.“

      „Warum?“

      „Nur so.“ Monika wechselte einen raschen Blick mit ihrem Vater. „Wir wissen ja nicht, wen es wirklich darstellt. Aber komm jetzt, oben auf meinem Zimmer können wir gemütlich weitertratschen.“

      „Nicht zu lange“, mahnte die Mutter, aber man merkte ihr an, daß es nicht allzu ernst gemeint war; denn wenn zwei Freundinnen, die das Schicksal getrennt hat, im gleichen Zimmer schlafen, dauert es erfahrungsgemäß immer lange, bis endlich Ruhe eintritt.

      Das Gästezimmer war noch nicht eingerichtet, und außerdem wäre es nur halb so schön gewesen, wenn Gaby nicht mit Monika zusammen hätte schlafen dürfen. Eine Couch gab es nicht, so hatte Monika einfach eine flache Gartenliege aufgestellt, ihr Bettzeug daraufgepackt und der Freundin großzügig das eigene, frisch bezogene Bett überlassen.

      Die Mädchen machten bald das Licht aus, redeten und kicherten, verloren sich in Erinnerungen und gaben sich ihren Träumen und Hoffnungen hin. Wenn Monika nicht so hart gearbeitet hätte, wären sie sicher noch nicht eingeschlafen gewesen, als die anderen herauf kamen. So aber fielen nach einiger Zeit Monika doch die Augen zu, und bald darauf war auch Gaby eingeschlafen.

      Mitten in der Nacht wurde Monika von einem Schrei geweckt. „Moni!“

      Sie fuhr hoch und sah, daß Gaby das Licht angeknipst hatte.

      „Was gibt’s?“ fragte sie verschlafen.

      „Du hast mir die Decke weggezogen!“

      „Ich? Nein, bestimmt nicht!“

      „Wer soll’s denn sonst gewesen sein?“

      Monika wußte die Antwort, aber sie sprach sie nicht aus. „Niemand“, behauptete sie. „Die Decke ist einfach runtergerutscht. Was glaubst du, wie oft mir das schon passiert ist!“

      Doch tatsächlich hatte sie einen schönen Schreck gekriegt. Es war ihr klar, daß Amadeus wieder einmal am Werk war. Sie hatte zwar selber keine Angst vor ihm, aber sie wußte, daß Gaby sich entsetzlich vor Gespenstern fürchtete. Bestimmt würde sie sofort ihren Koffer packen und auf und davon gehen, wenn sie merkte, daß es im Haus am Seerosenteich spukte.

      So lag sie immer noch wach, mit klopfendem Herzen, als Gaby schon längst eingeschlafen war.

      Die hübschen, bunten Vorhänge waren zugezogen, und so war es ziemlich dunkel im Zimmer, obwohl draußen der Mond schien. Natürlich hatte Gaby die Nachttischlampe wieder ausgeknipst, bevor sie sich erneut aufs Ohr legte. Aber Monikas Augen gewöhnten sich allmählich an die Finsternis, und sie konnte zumindest die Umrisse der Dinge erkennen.

      So sah sie auch, wie Gabys Bettdecke ein zweites Mal mit einem geschickten Ruck heruntergezogen wurde.

      „Schäm dich, Amadeus!“ flüsterte sie aufgebracht. „Nicht schon wieder!“

      Im gleichen Augenblick fuhr Gaby mit einem spitzen Schrei in die Höhe. „Meine Decke!“

      „Du hast dich losgestrampelt!“ versicherte Monika.

      „Das kann doch nicht sein!“

      „Ganz bestimmt! Ich habe dich beobachtet. Du schläfst furchtbar unruhig. Hast du schlecht geträumt?“

      Gaby fuhr sich mit der Hand über die Stirn. „Ich weiß nicht mehr.“

      „Ganz bestimmt. Du hast dich dauernd von einer Seite auf die andere geworfen. Was ist nur los mit dir?“

      „Ich weiß es wirklich nicht“, sagte Gaby kläglich.

      „Trink einen Schluck Wasser und versuch wieder einzuschlafen. Ich paß schon auf dich auf. Du bist sicherer als in Abrahams Schoß.“

      Doch Gaby konnte nicht so schnell einschlafen; sie knipste das Licht an und setzte sich hoch. „Sag mal, du hast mir doch erzählt, daß es hier im Haus spuken soll“

      „Erzählt habe ich es schon. Aber natürlich ist das Quatsch.“ Monika spürte, wie ihr bei der ungewohnten Lügerei der Schweiß ausbrach. „Sonst wären wir ja nicht hier wohnen geblieben.“

      „Und wenn es nun doch ein Gespenst war, das mir die Decke weggezogen hat?“

      „Jetzt spinnst du aber wirklich, Gaby! Zufällig war ich nämlich noch wach und hab gesehen, wie du dich losgestrampelt hast.“

      „Ach, wirklich?“

      „Ja, ganz wirklich. Jetzt schlaf wieder. Du weißt, wir haben morgen viel zu tun.“

      Gehorsam knipste Gaby das Licht wieder aus und rollte sich auf die Seite.

      Aber Monika wußte nicht, ob sie wirklich schon wieder schlief. Sie selber war jedenfalls wach wie eine Lerche beim Morgenrot. Es war ihr klar, daß es mit Gaby schiefgehen würde, wenn Amadeus nicht aufhörte sie zu necken. Also mußte sie mit ihm reden.


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