Das Geheimnis der Greta K.. Marie Louise Fischer

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Das Geheimnis der Greta K. - Marie Louise Fischer


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scheinen als gewöhnlich. Dennoch hoffte sie, dass der Abend nun bald zu einem Ende kommen würde.

      Aber darin hatte sie sich getäuscht. Nachdem die Herren ihren Kaffee getrunken hatten, wurden sie wieder munter und verfielen ins Fachsimpeln. Weder Greta noch Inge wagten es, sie dabei zu stören. Inge langweilte sich entsetzlich, ließ es sich aber nicht anmerken. Greta, die vor ihrer Ehe in einer Frankfurter Bank gearbeitet hatte, hörte aufmerksam zu. Dies war eine der seltenen Gelegenheiten, etwas über die Geschäfte ihres Mannes zu erfahren. Er lehnte es stets ab, mit ihr darüber zu sprechen. Dennoch war sie froh, als Heinz Kramer endlich zum Aufbruch mahnte.

      »Wir sollten jetzt schlafen gehen«, sagte er, »meine kleine Frau kann kaum noch aus den Augen sehen.«

      »Stimmt ja gar nicht! Meinetwegen könnt ihr …«

      »Nein, nein, Herr Kramer hat Recht!« sagte Mister Smith und räkelte seine langen Glieder aus dem Sessel. »Wie sagt man doch so schön? Morgen ist auch noch ein Tag.«

      Alle erhoben sich. Die Herren trafen ihre Verabredung. Greta und Hans-Philipp brachten die Gäste in den Burghof, und nach einem fröhlichen und lauten Abschied, Dankesbeteuerungen und guten Wünschen rollten die Autos den Berg hinunter. Hans-Philipp schloss eigenhändig das schwere Tor und legte die Riegel vor.

      Dann gingen die Eheleute Arm in Arm zur Burg zurück. Der Himmel war sternenklar und die kühle Nachtluft erfrischend. Beide genossen es. Im Laufe des Abends war viel geraucht worden.

      »Du warst wieder einmal wunderbar!« lobte Hans-Philipp.

      »Ein gelungener Abend, nicht wahr?«

      »Er ist noch nicht zu Ende.« Er blieb stehen und küsste sie.

      Greta entzog sich ihm lachend. »Oh, doch! In wenigen Stunden ist Morgen.«

      »Was macht das schon? Vor elf Uhr brauche ich nicht in der Firma zu sein.« Er nahm sie wieder in die Arme.

      Diesmal erwiderte sie seine Küsse.

      »Sehen wir zu, dass wir ins Bettchen kommen«, sagte er.

      »Geh du schon rauf. Ich muss noch ein bisschen aufräumen.«

      »Dazu haben wir Personal.«

      »Ja, sicher. Aber ich will wenigstens die Aschenbecher leeren und kurz durchlüften. Ich mag es nicht, dass Frau Breuer in eine Raucherhöhle kommt.«

      »Denk nicht an sie, sondern an mich.«

      Sie strich ihm sanft über die Wange. »Das tue ich doch immer, Geliebter! Aber ohne Frau Breuer könnte ich wohl kaum den Haushalt führen.«

      »Die lässt sich jeden Tag ersetzen.«

      Obwohl Greta nicht seiner Meinung war, stimmte sie zu. »Du hast Recht. Deshalb werde ich mich auch beeilen. Ehe du im Bett liegst, bin ich schon bei dir, mein Unersetzlicher!« Sie küsste ihn auf die Lippen und huschte an ihm vorbei ins Haus.

      Während sie die Fenster aufriss, Wasser auf die letzten Flammen im Kamin goss, die Ascher in ein fest verschließbares, dafür bestimmtes Gefäß leerte und das benutzte Geschirr in den Aufzug stellte, ärgerte sie sich über sich selber. Warum musste sie das alles tun? War es wirklich nötig? Wäre es nicht richtiger und wichtiger gewesen, gleich mit Philipp hinaufzugehen?

      Aber Tatsache war, gestand sie sich ein, dass sie keine Lust hatte, mit ihm zu schlafen. Nicht, weil sie ihn nicht liebte, sondern weil sie nach diesem langen Tag völlig zerschlagen war. Heute Nachmittag, am Swimmingpool, wäre sie nur zu gern dazu bereit gewesen. Aber da hatte er sie zurückgestoßen.

      Merkwürdig, dachte sie, dass er nie spürt, wann ich in Stimmung bin und merkwürdig auch, dass er glaubt, ich müsste jederzeit bereit sein. Aber darin ist er ja keine Ausnahme. Wie kommt es, dass ein Mann und eine Frau, auch wenn sie sich so nahestehen wie wir beide, kein richtiges Timing haben? Vielleicht ist es das, wodurch die Männer die Liebe kaputtmachen, mehr als durch Nachlässigkeit und Untreue. Aber man kann es ihnen nicht beibringen. Er würde niemals einsehen, dass er selber nach dem anstrengenden Abend und dem vielen Alkohol nicht in der besten Verfassung sein kann.

      Greta seufzte. Bevor sie das Fenster schloss, beugte sie sich hinaus, um noch einmal tief Atem zu holen. Dabei blickte sie unwillkürlich hinunter. Die Burg stand so nah am Abgrund, ihre Mauern schlossen mit dem steilen Felsen ab, auf dem sie erbaut war, dass ihr schwindelig zu werden drohte. Rasch zog sie den Kopf zurück.

      Sie überwand den Schauer, der sie ergriffen hatte. Das hätte noch gefehlt, dass ich jetzt aus dem Fenster stürzte! dachte sie. Dann gäbe es sicher ein zweites Gespenst auf Burg Salm.

      Schnell lief sie nach oben. Als sie Philipp heiratete, hatte sie sich entschlossen, ihm eine gute Frau zu sein, und dabei sollte es auch bleiben. Was machte es schon aus, ob sie Lust hatte, mit ihm zu schlafen oder nicht? Es gab Schlimmeres, als einem Mann zu seinem Vergnügen zu verhelfen.

      Als sie ins Schlafzimmer trat, lag er schon ausgezogen im Bett und breitete verlangend die Arme nach ihr aus. Behende schlüpfte sie aus ihrem seidenen Kleid und warf sich an seine Brust.

      6

      Das Wetter blieb in diesen Juniwochen unverändert schön. Greta lud Inge Kramer und ihre beiden kleinen Söhne, Oliver und Michael, zu sich ein. Sie hatte Aline gebeten, sich um die Jungen zu kümmern, aber das Mädchen hatte unter dem Vorwand, lernen zu müssen, abgelehnt. Ein Machtwort hatte Greta nicht sprechen wollen. Das erwies sich auch als unnötig, da die beiden sehr gut allein zurechtkamen.

      Oliver neun und Michael sieben Jahre alt, braunäugig und braunhaarig, etwas untersetzte Kerlchen, konnten ausgezeichnet schwimmen. Eine Weile sahen die Frauen ihnen zu, dann zogen sie sich, nach einigen Ermahnungen, in den Pavillon hinter dem Tennisplatz zurück. Frau Breuer hatte dort den Gartentisch gedeckt, eine Kanne Tee auf ein Stövchen gestellt, eine Schale mit Schlagsahne, einen Krug frisch ausgepresster Orangen mit Eiswürfeln und einen selbst gebackenen Kirschkuchen aufgeschnitten. Sie hatte alles auf einem Wägelchen durch den unterirdischen Gang herausgefahren. Die beiden jungen Frauen tranken Tee und gönnten sich ein Stück Kuchen. Inge mochte auch auf die Schlagsahne nicht verzichten. Nach einiger Zeit kamen sie auf Gretas letztes Dinner zu sprechen.

      »Du«, sagte Inge, »ich muss dir gestehen, Hans-Philipp hat mich mit seiner Weißen Dame richtig erschreckt. Aber Heinz meint, dass er es nur zur Unterhaltung erzählt hätte, weil Engländer nun mal auf solche Geschichten fliegen.«

      »Ich weiß nicht recht«, erwiderte Greta und rührte gedankenverloren in ihrer Tasse, obwohl sie keinen Zucker, sondern nur etwas Zitronensaft genommen hatte.

      »Nicht? Du glaubst, dass cs ernst war?«

      »Ich habe mir diese Ulrike von Soundso bei Tageslicht angesehen. Sie macht keinen sehr freundlichen Eindruck. Wahrscheinlich bilde ich es mir nur ein. Aber ich hatte das Gefühl, dass etwas Böses von ihr ausgeht.«

      »Warum bittest du Philipp nicht, das Bild abzunehmen? Es im Keller zu verstauen oder, noch besser, einfach zu verbrennen? Wirklich wertvoll ist es doch nicht.«

      »Du weißt, wie sehr er an dem alten Graffel hängt. Mit so einer Bitte mag ich ihm nicht kommen, mal ganz davon abgesehen, dass ein Gemälde auch bloß ein Gegenstand ist. Wirklich anrichten kann es ja nichts.«

      »Bist du kein bisschen abergläubisch?«

      »Schon. Aber ich mag irrationalen Ängsten nicht nachgeben. Weder ein Bild, noch ein Gespenst – falls es denn existieren sollte – könnte uns Menschen irgendwie schaden. Eher verletzen wir uns gegenseitig.«

      »Ich bewundere dich!«

      »Keine Ursache. Wenn Elvira zwanzig Jahre lang mit dem Spuk leben konnte, werde ich das auch fertig bringen.« Sie zündete sich eine Zigarette an. »Hat sie eigentlich je darüber gesprochen?«

      »Nie.« Inge kämpfte mit sich, bevor sie ein zweites Stück Kuchen nahm.

      »Wie war sie eigentlich? Hast du sie gut gekannt?«

      Inge ließ die Kuchengabel,


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