Die Abenteuer des Kapitän Hatteras. Jules Verne

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Die Abenteuer des Kapitän Hatteras - Jules Verne


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so enge Gas­se zwi­schen zwei ho­hen Blö­cken, dass die En­den sei­ner Sten­gen1 an den Wän­den rie­ben, die so hart wie Fel­sen wa­ren; all­mäh­lich be­fand er sich mit­ten in ei­nem ge­wun­de­nen Tal voll wir­beln­dem Schnee­ge­stö­ber, wäh­rend die schwim­men­den Eis­blö­cke wi­der­ein­an­der stie­ßen und mit un­heim­li­chem Kra­chen zer­brö­ckel­ten.

      Aber bald stell­te sich’s her­aus, dass die­se Gas­se ohne Aus­gang war; ein enor­mer Block, der in die­se Enge ge­ra­ten war, trieb rasch auf den For­ward zu; ihm aus­zu­wei­chen schi­en un­mög­lich, und eben­so un­mög­lich auf ei­nem be­reits ver­sperr­ten Weg rück­wärts zu fah­ren.

      Shan­don und John­son er­wo­gen, vorn auf der Brigg ste­hend, ihre Lage. Der ers­te­re gab mit der rech­ten Hand dem Steue­rer die Rich­tung an, wel­che zu neh­men war, und mit der Lin­ken ließ er dem ne­ben dem In­ge­nieur ste­hen­den Ja­mes Wall sei­ne Be­feh­le für Lei­tung der Ma­schi­ne zu­ge­hen.

      »Wie wird das en­den?« frag­te der Dok­tor John­son.

      »Wie es Gott fügt«, er­wi­der­te der Rüst­meis­ter.

      Der hun­dert Fuß hohe Eis­block war nur noch eine Ka­bel­län­ge von der For­ward ent­fernt und droh­te ihn zu zer­brö­ckeln.

      »Don­ner und Teu­fel!« fluch­te Pen.

      »Stil­le!« rief eine Stim­me, die man im Sturm nicht zu er­ken­nen ver­moch­te.

      Der Block schi­en auf die Brigg stür­zen zu wol­len, und es ent­stand einen Au­gen­blick un­be­schreib­li­che Angst; die Män­ner lie­ßen ihre Stan­gen und flüch­te­ten trotz der Be­feh­le Shan­d­ons aufs Hin­ter­teil.

      Und als nun die er­schro­cke­nen Bli­cke sich auf den Eis­berg rich­te­ten, war die­ser ver­schwun­den; die Fahrt war frei, und es war der Brigg über ei­nem lan­gen, von schie­fen Son­nen­strah­len er­hell­ten Kanal hin­aus wei­ter­zu­fah­ren ge­stat­tet.

      »Nun, Herr Cla­w­bon­ny«, sag­te John­son, »kön­nen Sie die­se Er­schei­nung er­klä­ren?«

      »Es ist eine sehr ein­fa­che Sa­che, Freund«, er­wi­der­te der Dok­tor, »und die oft vor­kommt. Wenn zur­zeit des Tau­wet­ters die­se schwim­men­den Mas­sen sich von­ein­an­der lö­sen, trei­ben sie iso­liert und in völ­li­gem Gleich­ge­wicht; aber all­mäh­lich, wenn sie süd­li­cher in ein ver­hält­nis­mä­ßig wär­me­res Was­ser kom­men, fängt ihre durch das An­sto­ßen an an­de­re Blö­cke be­reits er­schüt­ter­te Ba­sis an zu schmel­zen, schwä­cher zu wer­den; es kommt da­her ein Mo­ment, wo der Schwer­punkt die­ser Mas­sen sich än­dert, dann pur­zeln sie zu­sam­men. Wenn nun die­ser Eis­berg zwei Mi­nu­ten spä­ter ge­stürzt wäre, so wäre er über die Brigg ge­fal­len und hät­te sie im Fal­len zer­schmet­tert.«

      1 Spen­ge: Ver­län­ge­rung des Mas­tes <<<

      2 Eine be­stimm­te Art von Wir­bel­stür­men. <<<

      End­lich war man über den Po­lar­kreis hin­aus; der For­ward fuhr am 30. April zu Mit­tag vor Hol­stein­borg vor­über; ma­le­ri­sche Ge­bir­ge er­ho­ben sich am öst­li­chen Ho­ri­zont. Das Meer schi­en, so­zu­sa­gen, frei von Eis, oder viel­mehr man konn­te den Eis­blö­cken leicht aus­wei­chen. Der Wind schlug um in Süd-Ost und die Brigg fuhr mit vol­len Se­geln das Baf­fins-Meer hin­ein.

      Die­ser Tag war ganz be­son­ders ru­hig und die Mann­schaft konn­te sich ein we­nig er­ho­len; zahl­rei­che Vö­gel schwam­men und flat­ter­ten um das Schiff her­um.

      An die­sem Tag be­gab sich an Bord ein ganz au­ßer­or­dent­li­ches Er­eig­nis.

      Als Richard Shan­don um sechs Uhr früh von sei­ner Wa­che zu­rück in sei­ne Ka­bi­ne kam, fand er auf sei­nem Tisch einen Brief mit der Auf­schrift:

      »An den Kom­man­dan­ten Richard Shan­don an Bord der For­ward, Baf­fins-Meer.«

      Shan­don konn­te sei­nen Au­gen nicht trau­en; aber be­vor er von die­ser auf­fal­len­den Kor­re­spon­denz Kennt­nis nahm, ließ er den Dok­tor, Ja­mes Wall und den Rüst­meis­ter ru­fen und zeig­te ih­nen den­sel­ben.

      »Das wird et­was ganz Be­son­de­res«, sag­te John­son.

      »Das ist rei­zend!« dach­te der Dok­tor.

      »Schließ­lich«, rief Shan­don, »wer­den wir doch das Ge­heim­nis er­fah­ren …«

      Er zer­riss rasch den Um­schlag und las wie folgt:

      »Kom­man­dant!

      Der Ka­pi­tän der For­ward ist zu­frie­den mit der Kalt­blü­tig­keit, Ge­schick­lich­keit und dem Mut, wel­chen Sie mit Ihren Of­fi­zie­ren und Ih­rer Mann­schaft un­ter den letz­ten Um­stän­den ge­zeigt ha­ben; er bit­tet Sie, der Mann­schaft sei­nen Dank da­für aus­zu­spre­chen.

      Wen­den Sie sich nun ge­ra­de nörd­lich zur Bai Mel­ville, und von da aus be­mü­hen Sie sich in die Stra­ße Smith zu drin­gen.

      Der Ka­pi­tän des For­ward.

      K. Z.

      Mon­tag, den 30. April, dem Kap Wal­sin­g­ham ge­gen­über.«

      »Und nichts wei­ter?« rief der Dok­tor.

      »Nichts wei­ter«, er­wi­der­te Shan­don.

      Der Brief fiel ihm aus der Hand.

      »Ei!« sag­te Wall. »Die­ser ein­ge­bil­de­te Ka­pi­tän spricht kein Wort mehr da­von, an Bord zu kom­men; ich schlie­ße dar­aus, dass er nie kom­men wird.«

      »Aber«, sag­te John­son, »wie ist denn die­ser Brief an­ge­kom­men?«

      Shan­don schwieg.

      »Herr Wall hat recht«, er­wi­der­te der Dok­tor, der den Brief auf­hob und um und her­um dreh­te; »der Ka­pi­tän wird nicht mehr an Bord kom­men aus treff­li­chem Grund …«

      »Und aus wel­chem?« frag­te Shan­don leb­haft.

      »Weil er be­reits da ist«, er­wi­der­te ein­fach der Dok­tor.

      »Be­reits!« rief Shan­don. »Was mei­nen Sie da­mit?«

      »Wie ist sonst zu er­klä­ren, dass die­ser Brief kam?«

      John­son schüt­tel­te den Kopf zum Zei­chen der Bei­stim­mung.

      »Nicht mög­lich!« ver­setz­te Shan­don nach­drück­lich. »Ich ken­ne je­den ein­zel­nen Mann an Bord; man müss­te


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