Das Prinzip Uli Hoeneß. Christoph Bausenwein

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Das Prinzip Uli Hoeneß - Christoph Bausenwein


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im Self-made-Verfahren.« Die dritte Karriere – mit der ersten war die als Profi gemeint, mit der zweiten die als Geschäftsmann, deren Abrundung er noch vor sich hatte: 1983, mit der Gründung einer Bratwurstfabrik in Nürnberg.

      Im neuen Job als Manager erwies es sich als großer Vorteil, dass er finanziell bereits ausgesorgt hatte – was nicht erst mit den Bratwurst-Millionen der Fall war, sondern schon 1979 durch die Einnahmen aus Werbung, Immobilien und Wertpapieren. Sein Erfolg als Geschäftsmann biete ihm perfekte Voraussetzungen für den Job als Fußballmanager, betonte er: »Weil ich der unabhängigste Mensch im Fußball bin. Weil ich alles für den FC Bayern tue, aber nichts für mich.« Diese Unabhängigkeit sei sein »einziges Geheimnis« und zugleich sein Erfolgsrezept. Er habe es nicht nötig, sich über den FC Bayern zu bereichern, er sei vollkommen unbestechlich und komme in keinerlei Versuchung, wenn etwa, wie es in der Branche üblich sei, »Freundschaftsspiel-Partner im Ausland den Preis zu drücken versuchen, indem sie dem Manager fünfoder zehntausend Mark Provision anbieten«. Außerdem erlaube ihm die finanzielle auch eine geistige Unabhängigkeit und damit die Möglichkeit, mit einem völlig ungetrübten Selbstbewusstein als Fußballmanager aufzutreten. Denn »das Wissen, morgen sofort etwas anderes tun zu können«, spürte er, »gibt Selbstvertrauen«. Und es gibt die Freiheit, rein sachorientiert zu entscheiden.

      Uli Hoeneß sei »die perfekte Symbiose aus Footballman und Businessman«, schrieb der Fußballbuch-Autor Dietrich Schulze-Marmeling. Bessere Voraussetzungen für einen Fußballmanager konnte einer tatsächlich kaum mitbringen. Und vielleicht florierte der FC Bayern unter Hoeneß auch gerade deswegen so gut, weil – anders als bei anderen Bundesligavereinen – die Zuständigkeiten für das Sportliche und das Wirtschaftliche nie getrennt, sondern stets in einer Person gebündelt blieben. All das klingt plausibel, kann aber dennoch nicht erklären, warum diese Person über so viele Jahre auf ihrem Posten aushielt. Dies führt zu dem dritten Kriterium, das Uli Hoeneß – neben den Spielererfahrungen auf höchstem Niveau und der wirtschaftlichen Unabhängigkeit – als entscheidend für eine erfolgreiche Arbeit als Fußballmanager nannte: die totale Identifikation mit dem Verein. Im Gegensatz zu seinen in flotter Folge die Vereine wechselnden Kollegen war für ihn ein Arbeitsplatzwechsel ab einem bestimmten Zeitpunkt völlig ausgeschlossen. In gewisser Weise wurde aus ihm in seinem unbedingten Engagement für den FC Bayern allmählich ein ganz neuer Mensch. Hoeneß denke auf dem Feld nur an sich, und ansonsten gehe es ihm nur ums Geld, hatte Beckenbauer während der WM 1974 seinem Mitspieler vorgehalten. Aus dem Spieler, der immerzu nur »ich« sagte und »Geld für mich«, wurde nun im neuen Job ein Mann, der immerzu nur »Bayern« sagte und »Geld für Bayern«. Und weil es immer klar blieb, dass er niemals für einen anderen Verein tätig werden würde, konnte er stets mit einer besonderen Aura der Glaubwürdigkeit auftreten – und so zum »Mister Bayern« werden.

      Seine drei Kriterien für die erfolgreiche Arbeit als Fußballmanager nannte Uli Hoeneß wohl nicht zufällig. Außer ihm selbst erfüllte sie in der Bundesliga niemand – und so suggerierte er damit zugleich: Solange dieser Drei-Kriterien-Hoeneß Manager bei den Bayern ist, kann auch kein anderer Verein dauerhaft zu einem ernstzunehmenden Konkurrenten werden. Er selbst freilich, erwähnte er immer wieder mal nebenbei, hätte natürlich auch was anderes machen können. In der Wirtschaft hätte er sich alles Mögliche zugetraut, und dort hätte er auch besser dotierte Stellungen finden können.

      Aus reiner Liebe aber verrichtete er seine Tätigkeit beim FC Bayern denn doch nicht. Obwohl er mit seinen Geschäften genügend Geld zur Sicherung seiner Unabhängigkeit auf die Seite gebracht hatte, wollte er auf das Zubrot, das er von den Bayern erhielt, natürlich nicht verzichten. Aber was heißt da »Zubrot«? Sein Verdienst bei den Bayern war erstaunlich üppig. Als Basis gab es 10.000 DM als monatliches Grundgehalt, dazu kamen Prämien für Titel, die er in derselben Höhe wie die Spieler erhielt, und vor allem stattliche Provisionen. Von jeder Mark Werbeeinnahmen, die über 600.000 DM jährlich hinausgingen, sollte er 50 Prozent bekommen. Das schien für den Verein nicht riskant, denn damals lagen die Jahreseinnahmen in diesem Bereich bei nur etwa 300.000 DM. Dank Hoeneß stiegen die freilich rapide. »Heute haben wir Werbeeinnahmen von rund 70 Millionen Euro«, verriet er im Januar 2009 dem »Spiegel«, »da können Sie sich ausrechnen, was ich verdienen würde.« Für sein Empfinden war es schon 1980 geradezu peinlich viel. Nach einem Jahr sei er zum Präsidenten Willi O. Hoffmann gegangen und habe ihm eine freiwillige Kürzung seiner Provision vorgeschlagen: »Das geht so nicht weiter, ich kriege zu viel Geld.« Man einigte sich auf ein höheres Grundgehalt und nur noch fünf Prozent Provision. Mitte der achtziger Jahre lag sein Jahresgehalt bei etwa 300.000 DM brutto plus Erfolgsprämien. Nur wenige Jahre später, als sein Festgehalt auf über 400.000 DM gestiegen war, setzte er eine Erhöhung seiner Provision auf sechs Prozent durch. Es könne nicht sein, begründete er kühl, dass er den Fanartikel-Verkauf von null auf sechs Millionen Mark aus dem Boden stampfe und davon nicht profitiere. Später erzielte Uli Hoeneß unter der Berufsbezeichnung »Stellvertretender Vorstand der Bayern München AG« einen Jahresverdienst von angeblich rund einer Million Euro. Ein Feilschen um Provisionen, möchte man meinen, sollte sich da erübrigt haben.

      Uli Hoeneß bildete nicht nur eine perfekte Symbiose aus Fußballund Wirtschaftskompetenz, sondern auch aus mittelständischer Bodenständigkeit und innovativem Geschäftssinn. Deswegen ging die Erfolgsgeschichte der Bayern nicht sprunghaft vonstatten, sondern kontinuierlich und nachhaltig. Als Hoeneß 1979 mit dem Managen anfing, hatte der FC Bayern insgesamt gerade einmal 12 Mio. DM Umsatz. Im Eiltempo machte er sich daran, den Umsatz – und dann natürlich auch den Gewinn – zu steigern. Rasch erkannte er, wie viel es tatsächlich zu tun gab: im Lizenzspielerbereich, bei den Spielertransfers und bei der Talentsuche, in der Werbung und in der Öffentlichkeitsarbeit. Wahrlich kein eintöniger Job, stellte er fest: »Das Aufgabengebiet ist so riesig, dass ich nicht in täglicher Routine ersticke.«

      Auf eine Aufgabe freilich hätte er gerne verzichtet – nämlich auf die Aufgabe, die Schulden abarbeiten zu müssen, die unter Schwan aufgelaufen waren. Zu dem Zeitpunkt, als er Uli Hoeneß verpflichtete, wusste Präsident Wilhelm Neudecker wohl bereits, dass Steuernachzahlungen in Millionenhöhe auf den FC Bayern zukommen würden. »Neudecker hatte vor, mich zu verheizen«, mutmaßte Hoeneß. »Er hat gemerkt, hier geht alles den Bach runter.« Hoeneß wollte alles tun, um den FC Bayern zu retten und zu neuer Größe zu führen. Seinen Ehrgeiz und seinen unbedingten Willen zum Erfolg dokumentierte er vor laufenden Kameras am 9. Juni, als die Bayern, die am Ende dieser ereignisreichen Saison 1978/79 auf dem vierten Tabellenplatz einliefen, im letzten Saisonspiel beim bereits als neuer Meister feststehenden Hamburger SV einen 2:1-Sieg holten. Mitten in den Tumulten, die nach dem Spiel ausbrachen – HSV-Fans stürmten im Meisterschaftsrausch den Rasen und verursachten ein Gedränge, bei dem es 72 Verletzte gab –, antwortete Hoeneß auf die Reporterfrage nach seinen Erwartungen für die nächste Saison: »Wir wollen vielleicht ähnliche Feierlichkeiten haben wie der HSV.«

      Die Aufgaben, die auf dem Weg dorthin bewältigt werden mussten, waren riesig. Es galt, dem Verein neue Einnahmequellen zu erschließen und für die neue Saison eine schlagkräftige Mannschaft aufzubauen. Der Job war Lust und Last zugleich. Einerseits machte es ihm enormen Spaß, seinen Ideen freien Lauf lassen und alle wichtigen Dinge selbst entscheiden zu können. Andererseits hatte er mit der ungeheuren Belastung, die auf ihn zukommen würde, nicht gerechnet. Schon nach drei Monaten fieberhafter Tätigkeit waren ihm erste Verschleißerscheinungen anzumerken. »Wenn er so weitermacht wie jetzt«, meinte ein besorgter Paul Breitner, »wird er keine dreißig.« Auch er, der seinen Freund noch wenige Monate zuvor als überqualifiziert für diesen Posten erachtet hatte, erkannte jetzt, dass die Tätigkeit eines Fußballmanagers hohe Ansprüche stellt. Manager in einem Verein zu sein, sollte Uli Hoeneß Jahre später resümieren, »ist ja mit das Höchste, was man sein kann. Der Präsident, okay«, meinte er mit Blick auf Beckenbauer, der dieses Amt im Jahr 1994 angetreten hatte, »aber der ist ja auch bei uns nicht so aktiv, wie er es in anderen Klubs vielleicht ist. Bei uns ist der Manager schon eine starke und wichtige Persönlichkeit, und auch von der Funktion her sehr wichtig. Insofern war das natürlich eine Sache, die nahe lag, denn ich wollte nicht Trainer werden. Ich wollte beim Fußball bleiben, und dann bleibt ja möglicherweise nicht viel anderes als der Manager.«

      Uli Hoeneß wollte das ihm vertraute Terrain nicht verlassen. Es ist daher fraglich, ob er sich in einem reinen Wirtschaftsunternehmen


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