Das Prinzip Uli Hoeneß. Christoph Bausenwein

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Das Prinzip Uli Hoeneß - Christoph Bausenwein


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Traditionsverein angeboten hatte.

      Aber war Fußballmanager wirklich das Richtige für ihn? In München fiel Paul Breitner auf die Frage, ob er sich seinen Freund womöglich als Fußballmanager vorstellen könne, Folgendes ein: »Dafür ist das Betätigungsfeld für den Uli zu klein. Der Uli ist zu Größerem in der Lage. Das wäre sicherlich schade, wenn sich der Uli irgendwo bei einem Verein hinter den Schreibtisch hocken würde. Es wäre ein Unsinn. Ich glaube, wenn er ganz ehrlich ist, dann will er das auch gar nicht. Er wird sicherlich mal irgendwas im Bereich Management tun, das ja. Aber nicht beim FC Bayern oder bei irgendeinem anderen Verein.« Breitner hatte wie immer eine eigene Meinung, die Wirklichkeit sah aber anders aus. Während in dem äußerst schneereichen Winter der Bundesliga-Spielbetrieb durcheinander gewirbelt wurde – insgesamt gab es 46 Absagen –, köchelte die Gerüchteküche. Nach dem 21. Spieltag am 3. Februar 1979 sickerte durch, Bayern-Präsident Neudecker wolle den beim VfB Stuttgart in Diensten stehenden Dieter Hoeneß als Nachfolger von Gerd Müller und seinen Bruder Uli als neuen Bayern-Manager verpflichten. An diesem Samstag fanden nur drei Partien statt, und da auch Uli Hoeneß aufgrund der Absage der Partie Nürnberg gegen Köln unbeschäftigt war, konnte er auf dem Gebiet des Managements tätig werden. Er organisierte in Frankfurt, wo die Bayern bei der Eintracht angetreten waren, ein Treffen zwischen Neudecker und seinem vom VfB-Auswärtsspiel in Hamburg angereisten Bruder Dieter. »Sie wären der würdige Nachfolger Gerd Müllers, und wir sind sehr an Ihnen interessiert«, soll Neudecker den möglichen Neu-Bayern umworben haben.

      Eine gute Woche später gab Uli Hoeneß offiziell bekannt: »Ich werde zum 1. Juli 1979 Manager bei Bayern München, vorher erfülle ich aber auf jeden Fall meinen Vertrag beim 1. FC Nürnberg.« Neudecker habe ihm eine Frist von zehn Tagen gesetzt. Er kannte Neudecker gut genug, um zu wissen, dass der sein Vorhaben auch in die Tat umsetzt. Und er wusste: Wenn er jetzt nicht zugeschlagen hätte, wäre sein Traumjob besetzt gewesen. Der Konkurrent hieß Rudi Assauer, damals Manager von Werder Bremen, dem Neudecker kurz zuvor ein Angebot unterbreitet hatte. Der Bayern-Präsident entschied sich schließlich für den Ex-Bayern-Spieler, und der hielt den Zeitpunkt des Überwechselns ins neue Berufsleben für gerade richtig. Er hätte sicherlich noch zwei, drei Jahre Fußball spielen können, war er überzeugt, aber zugleich fürchtete er, später nicht noch einmal eine so gute Gelegenheit für den Einstieg in einen anderen Beruf zu erhalten. Dazu kamen ernstzunehmende Bedenken, denn eine Fortsetzung seiner Karriere wäre von großen Unwägbarkeiten begleitet und nur mit großem Risiko möglich gewesen. »Als mir die Ärzte damals erklärten, wenn ich weiterspielen würde, könnten sie mir nicht garantieren, dass ich mit 40 Jahren noch Tennis spielen und mit 50 noch beschwerdefrei spazieren gehen kann, war für mich klar: Jetzt musst du aufhören!« In dieser Situation sei dann die Anfrage von Neudecker »wie eine Erlösung« gewesen.

      Was für Hoeneß eine Erlösung war, sollte sich für den FC Bayern als die beste denkbare Lösung auf dem Managerposten erweisen. Jahre nach der Entscheidung, als der Manager seine Bayern zu Seriensiegern gemacht hatte, resümierte er immer noch ein wenig ungläubig, wie schnell das alles damals gegangen war: Ein »Wahnsinnsjahr« sei das gewesen, es habe sein Leben »total verändert, und ich glaube, auch das des FC Bayern«.

      Über die Hintergrund-Details seiner Verpflichtung als Bayern-Manager berichtete Uli Hoeneß nie Konkretes, er sprach da immer nur vom »Anruf Neudeckers«. Auch im Jahr 1993, als die Hoeneß-Brüder von der »SZ« zu einem Plausch über die alten Zeiten geladen waren, bestritt er irgendwelche Zusammenhänge mit dem Transfer seines Bruders Dieter. Der hingegen meinte, das Gerücht, sein Bruder Uli hätte ihm geraten, in München zu unterschreiben, damit er dort Manager werden könne, sei damals schon sehr problematisch gewesen. Gewiss sei er noch nicht offiziell Bayern-Manager gewesen, so Dieter weiter, aber natürlich habe Uli ihn »schon auch im Auftrag der Bayern« beraten. Da Rudi Assauer bis heute behauptet, der Manager-Job bei den Bayern sei zuerst ihm angeboten worden, spricht einiges für die These, dass Neudeckers Entscheidung für Uli Hoeneß vom gelungenen Abschluss des Transfers von Dieter zumindest mitmotiviert war.

      In jedem Fall unzweifelhaft bleibt, dass Dieter nur deswegen zum Schnäppchenpreis von 175.000 DM vom Neckar an die Isar hatte wechseln können, weil Uli für eine entsprechende Wechselklausel im Vertrag mit dem VfB gesorgt hatte. Fest steht zudem: Der Unglücklichste bei der ganzen Angelegenheit war mit Sicherheit der VfB-Präsident Mayer-Vorfelder. »Plötzlich tauchen da die Herren Manager auf, die im deutschen Fußball kein Wesen, sondern ein Unwesen sind«, hatte er äußerst gereizt auf Uli Hoeneß’ Werben um seinen Bruder und weitere VfB-Spieler reagiert. Neben Dieter, so behauptete »MV«, habe der Bayern-Manager in spe »als Kumpel« auch zu Markus Ellmer sowie zu Karl-Heinz und Bernd Förster Kontakt gesucht »in dem Versuch, sie abzuwerben. Außerdem wollte er unseren bewährten Physiotherapeuten Francois Caneri von uns wegholen.« Auch in der Öffentlichkeit war das Gebaren des noch nicht einmal offiziell im Amt bestätigten Management-Novizen nicht gut angekommen. Im »Kicker« hatte Werner-Johannes Müller kritisch bemerkt: »Manager – die Aufgabe verlangt persönlichen Stil, eine klare Linie, muntere Geschäftstüchtigkeit reicht da nicht.«

       Die Revolte der Bayern-Spieler

      Uli Hoeneß’ forscher Auftakt im neuen Job war trotz aller Kritik nicht der eigentliche Aufreger dieser turbulenten Saison 1978/79. Der fand bei den Bayern statt, die unter Trainer Lorant mehr und mehr ins Trudeln geraten waren. Nach einer deprimierenden 1:7-Niederlage in Düsseldorf im Dezember war der Streit zwischen dem Trainer und den Spielern um Breitner eskaliert. Lorant hatte sich zunächst in den Krankenstand und dann für immer verabschiedet, den Job an der Seitenlinie hatte als »Interimslösung« sein Assistent Csernai übernommen. Die Ergebnisse waren jedoch auch unter dem Neuen trübe geblieben. Zwei Siege und drei Niederlagen standen zu Buche, als es am 10. März erneut eine große Blamage gab – die Bayern verloren zu Hause gegen Bielefeld mit 0:4. Die Stimmung war nun auf einem Siedepunkt. Bayern-Präsident Neudecker wollte Csernai durch einen Mann ersetzen, der endlich wieder Zucht und Ordnung in die seiner Meinung nach chaotische Truppe bringen würde: Max Merkel. Die Mannschaft war jedoch strikt dagegen. Vor allem Breitner setzte sich dafür ein, den bei den Profis beliebten Ungarn Csernai fest zu verpflichten. »Es gibt überhaupt keinen anderen Weg, wir haben ohnehin kein Geld«, erläuterte er dem Präsidenten. »Und ich habe, was die Vorbereitung auf ein Spiel, das Training an sich angeht, noch keinen Besseren erlebt. Gut, hat Neudecker gesagt, ich gebe euch zwei Spieltage, um zu beweisen, dass es funktioniert.«

      Pal Csernai würde also bleiben dürfen, wenn, so die genaue Abmachung, aus den anstehenden Auswärtspartien in Braunschweig und in Mönchengladbach mindestens ein Unentschieden und ein Sieg herausspringen würden. In Braunschweig erkämpften sich die Bayern am 17. März ein 0:0. Die Spieler meinten, damit den ersten Teil des Abkommens erfüllt zu haben, da erfuhr Paul Breitner auf dem Rückweg nach München durch einen Journalisten – die Mannschaft befand sich nach einer Zwischenlandung gerade auf dem Frankfurter Flughafen –, von der soeben erfolgten Erklärung Neudeckers, Max Merkel werde ab Sonntag das Training übernehmen. »Daraufhin hab’ ich die Mannschaft zusammengetrommelt«, so Breitner, »und habe gesagt: Es geht mir nicht um den Herrn Merkel, sondern um die Zusage des Präsidenten, dass wir zwei Spieltage Zeit haben. Und jetzt hat er gelogen, das lassen wir uns nicht bieten. Der Merkel ist morgen um zehn Uhr an der Säbener Straße, und wir machen frei. Und wir treffen uns wieder am Montag um zehn Uhr, wo, das sag’ ich euch noch. Hamma uns? Kein Widerspruch.« Breitner und Kapitän Maier riefen danach Neudecker an und setzten ihn über den beschlossenen Boykott ins Bild.

      Wilhelm Neudecker, gleichermaßen erbost wie ratlos und trotzig, wollte mit solch aufmüpfigen Spielern, die als »Aufrührer« und »Anarchisten« in die Vereinsführung hineinzuregieren trachteten, nichts mehr zu tun haben. »Mutti, ich trete zurück und werde nicht mehr kandidieren«, sagte er zu seiner Frau, und am Montag um neun Uhr morgens verkündete er in einer Mannschaftssitzung das Ende seiner Präsidentschaft. »Mit einem solchen Kapitän und dieser Mannschaft kann ich nicht weiter zusammenarbeiten. Ich wünsche Ihnen und Ihren Familien alles Gute. Auf Wiedersehen.« Für den Boulevard war die Sache ein gefundenes Fressen. »Bayern-Spieler stürzen Präsidenten«, lautete die Standard-Schlagzeile. Und Bayern-Kapitän Sepp Maier wurde live in der »Tagesschau« zugeschaltet, um zu dieser »Spielerrevolution« Stellung zu beziehen. »Wir haben weder einen Präsidenten gestürzt,


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