Das Prinzip Uli Hoeneß. Christoph Bausenwein

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Das Prinzip Uli Hoeneß - Christoph Bausenwein


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›Kommissar‹ angeschaut haben«, berichtete sein Zimmergenosse Karl-Heinz Rummenigge, genervt habe es ihn nie, denn für jede Unterschrift bekam er eine D-Mark. Zusätzlich zu dem Honorar von 250.000 DM holte Uli Hoeneß auf diese Weise noch weitere 100.000 DM Unterschriftsvergütung heraus. Seinen Plan, durch private Buchreklame die Verlagswerbung zu unterlaufen und den Eigengewinn weiter zu erhöhen, durchkreuzte der Verleger dann allerdings mit einer Klageandrohung. Solche Aktivitäten kamen bei vielen gar nicht gut an, aber Hoeneß ließ sich von niemandem bremsen.

      Zu einem kleinen Skandal kam es im November 1974, als er nach Frankfurt zu einer Autogrammstunde reiste (Gage: 3.000 DM) und dafür das Training schwänzte. Neudecker tobte, als er davon erfuhr, und belegte Hoeneß für das nächste Spiel in Bochum mit einem Auftrittsverbot (Bayern verlor 0:3). Auch Franz Beckenbauer hatte nun allmählich genug von solchen Sperenzchen. Er hielt die Geschäftstüchtigkeit seines Mitspielers nicht nur für fragwürdig, sondern vor allem für wenig leistungsfördernd. Unverblümt kritisierte er die »Verbissenheit«, mit der Uli Hoeneß nach dem Geld schiele. »Machst du zu viel nebenbei, gibst du nur noch Autogrammstunden – dann wirst du bald merken, dass der Schuss nach hinten losgeht. Es ist ganz einfach: wenn Fußball nicht mehr die Hauptsache für dich ist, sondern Geld, dann bringst du bald eine sehr schlechte Leistung.«

      Paul Breitner, der mit Werbeverträgen für Maggi, Coca-Cola, Trumpf und Nestlé kaum weniger verdient hatte als sein ehemaliger Zimmergenosse, hatte nach der WM mit seinem Wechsel zu Real Madrid den direkten Weg zum Geld gesucht: Drei Millionen brachte ihm sein Dreijahresvertrag bei den »Königlichen« ein. Der Großverdiener wollte bald auch seinen alten Kumpel zum Wechsel überreden, und tatsächlich sollten sich zwei Jahre später die Gerüchte verdichten, dass Hoeneß demnächst im weißen Trikot Reals auflaufen könnte. Doch dann entschied sich Breitner für eine Rückkehr nach Deutschland, und Hoeneß verkündete, dass er seinen bis 1978 laufenden Vertrag bei den Bayern erfüllen wolle. Ausschlaggebend für seine Entscheidung war wohl die Befürchtung, dass er durch den Wechsel die Anwartschaft auf einen Platz in der Nationalmannschaft einbüßen könnte. »Legionäre« waren damals beim DFB sehr unbeliebt, und das hatte auch Breitner zu spüren bekommen, der es während seiner Real-Zeit lediglich zu zwei Länderspielberufungen brachte. »1978 bin ich 26«, kalkulierte Hoeneß, »dann kann ich immer noch im Fußball großes Geld verdienen.«

      Da er mit seinem in München erzielten Gehalt nie zufrieden war bzw. seine Fußballeinnahmen immer nur als »Basis« betrachtete, ließ er sich nach dem Motto »Kleinvieh macht auch Mist« weiterhin keinen Zusatzverdienst entgehen. So schloss er etwa für ein Honorar von rund 1.500 DM jährlich einen Vertrag ab, der ihn verpflichtete, an Veranstaltungen teilzunehmen: Autogrammstunden, Diskussionen, ein Schüler-Fußballspiel zu pfeifen, ein Training zu leiten bei einem Amateurverein – oder auch mal die Gewinner eines Preisausschreibens zum »Frühstück mit Uli Hoeneß« einzuladen, bei dem Susi im trauten Heim Brötchen und Leberkäse auftrug. Begeistert war sie nicht gerade von den fremden Eindringlingen, aber sie trug alle Entscheidungen ihres Mannes mit. Immerhin hatte der gewisse Kriterien aufgestellt und war nicht zu allem bereit. Für alles werde er sich nicht hergeben, meinte er, und sicherte sich daher, als er seine Werberechte an eine Agentur vergab, ein Mitspracherecht. Jugend- und Freizeitmode passe zu ihm, war er überzeugt, eine Versicherung ebenso, vor allem aber eine Bank. Wer für eine Bank werbe, der müsse solide sein und mit dem Geld umgehen können. Und wer wäre da als Repräsentant besser geeignet als er, der Mann mit dem riesigen Sparkonto, der Mann mit den stattlichen Geldanlagen, der Mann, der trotz aller innovativen Geschäftsideen nie ein Risiko einging und mithin alles Materielle achtsam behandelte, sogar seinen Porsche, den er zur Schonung in jedem Winter abmeldete? Geld allein macht nicht glücklich – der Satz mochte schon stimmen. Aber es stimmte auch, dass Geld für einen wie Uli Hoeneß unabdingbare Voraussetzung für Glück war und blieb. Je vielfältiger die Quellen waren, aus denen es floss, desto unabhängiger machte es ihn. Und materielle Unabhängigkeit zu erreichen – das empfand der Metzgersohn als Grundmodul eines gelungenen Lebens.

       Das Ende bei den Bayern

      Die Saison 1978/79 war die letzte des Spielers Uli Hoeneß und die wohl turbulenteste in der Geschichte des FC Bayern München überhaupt. Im Sommer kehrte Paul Breitner nach drei Jahren in Madrid und einem recht unbefriedigenden Intermezzo in Braunschweig nach München zurück. Den Transfer hatte Uli Hoeneß durch seine Kontakte zur Ulmer Firma Magirus Deutz möglich gemacht: 600.000 DM der Ablöse von insgesamt 1,96 Millionen steuerte Magirus Deutz als neuer Trikotsponsor bei. Erhalten habe Hoeneß diese Summe nur unter der Voraussetzung, sie ausschließlich für seinen Transfer zu verwenden, kommentierte Breitner voller Stolz. Und das Geld sei gut angelegt gewesen, bilanzierte er ohne falsche Bescheidenheit Jahre später: »Das war der Beginn des Werdegangs des FC Bayern in diese Höhe, in der der FC Bayern heute ist.« Damals, im Sommer 1978, machte ein vor Tatendrang nur so strotzender Uli Hoeneß beim Pressetermin zur Vorstellung der neuen Mannschaft deutlich, dass man die Scharte vom Vorjahr, als man sich mit dem äußerst blamablen zwölften Platz hatte begnügen müssen, umgehend wieder auswetzen wolle. »Bei den Fototerminen im nächsten Jahr werden zwei Dinge gleich bleiben. Die Aufschrift wird gleich bleiben, die Spieler werden wahrscheinlich auch größtenteils dieselben bleiben, aber eines muss sich ändern – da müssen wieder Pokale stehen.« Dabei nickte er mit dem Kopf leicht in die Mitte des Trainingsplatzes – dorthin, wo früher immer die Meisterschale präsentiert worden war, aber nun schon seit vier Jahren keine Trophäen mehr hatten platziert werden können.

      Der Mann mit dem übergroßen Selbstbewusstsein schien sich also einiges zuzutrauen – und das trotz des seit geraumer Zeit kursierenden Gerüchts, er sei eigentlich schon fast ein Sportinvalide und somit von ihm nicht mehr viel zu erwarten. Uli Hoeneß war ein Spieler, der von seiner Dynamik lebte. Und die hatte nach zahlreichen Läsionen – Leistenbruch, Verletzung der Achillessehne, zwei Meniskusoperationen – unübersehbar gelitten. Uli Hoeneß sei wie ein Kerze, die von beiden Seiten angezündet wird, hatte die »FAZ« im Frühjahr 1977 geschrieben. Das sollte heißen: Seine kraftraubende Spielweise mit den entsprechenden Verschleißerscheinungen führe zwangsläufig zu einer Karriere von nur kurzer Dauer.

      Noch aber lief die Karriere, und noch war der Ehrgeiz des angeschlagenen Stürmers riesig. Dem möglichen Vorwurf, ein Geldabzocker auf der Reservebank zu sein, wollte er unbedingt entgegenwirken, und so handelte er mit Bayern-Präsident Neudecker einen Sondervertrag aus, in dem er auf jedes Grundgehalt verzichtete und ausschließlich nach tatsächlichen Spieleinsätzen bezahlt werden sollte. »Nun kann mir niemand mehr vorwerfen, ich liege dem Verein auf der Tasche«, kommentierte er sein Vorgehen. »Das volle Risiko trage nur ich.« Außerdem gefalle es ihm, schob er als weitere Begründung für sein Vorgehen hinterher, ein außergewöhnliches Experiment durchzuziehen. »Ich will ausprobieren, wie das geht. Ich will sozusagen Fußball im Extremfall spielen. Ich will mich bewusst allen Einflüssen, Unwägbarkeiten, Gefahren meines Berufes aussetzen.« Selbst der Gefahr, im Zweifel kein Geld zu verdienen. Aber das hatte er inzwischen aufgrund seiner zahlreichen Nebeneinkünfte sowieso nicht mehr unbedingt nötig. Fußball nur aus Leidenschaft zu spielen – das war die Freiheit, die er sich erarbeitet hatte und nun nutzen wollte.

      Laut der Münchner Boulevardzeitung »tz« war Hoeneß 1977/78 auf ein Jahresgehalt von 450.000 DM gekommen, nun sollte er pro Einsatz 10.000 DM erhalten, dazu die üblichen Prämien. Das Risiko des neuen Vertrages zeigte sich rasch. Im ersten Saisonspiel (0:1 in Dortmund) zur Halbzeit ausgewechselt, saß Hoeneß bereits beim 6:2-Heimsieg gegen Duisburg auf der Bank. Trainer Gyula Lorant meinte nach dem Spiel: »Hoeneß passt momentan nicht in mein Konzept. Außerdem kommt er mit der Raumdeckung nicht zurecht.« Der Geschasste war erbost, aber nicht wegen des verlorenen Geldes, wie er feststellte, sondern weil er nicht spielen durfte, obwohl er sich so gut in Form fühlte wie zu seiner besten Zeit. Ansonsten nahm er die Sache noch humorvoll. Der Präsident Neudecker habe am Spieltag ganz freundlich Grüß Gott zu ihm gesagt. »Früher, wenn ich verletzt war und nicht gespielt habe und trotzdem einen Haufen Geld gekostet habe, hat er mich kaum angeschaut.« Während der Präsident ihn anlächelte, wurde er allerdings vom Trainer kaum mehr beachtet. »Hoeneß ist nur noch Ersatzmann für Rummenigge«, hatte Lorant entschieden.

      Für den einstigen Jung-Siegfried gestaltete sich die Lage immer unbefriedigender. Es wurde zunehmend deutlich, dass er in den Planungen des


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