Das Monster im 5. Stock. Regina Mars

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Das Monster im 5. Stock - Regina Mars


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auf zu betteln.«

      »Was soll ich denn sonst machen, verdammt? Du … du hast doch alle Karten in der Hand, du …«

      »Biete mir etwas, das ich nicht habe«, sagte Adrian. »Zeig mir, dass ich mit dir besser dran bin als ohne dich. So überzeugt man jemanden.«

      Was für ein Vollarsch. Wastl straffte sich. »Bist du doch auch. Kocht irgendwer wie ich?«

      »Nein, Gott sei Dank.«

      »Aber es schmeckt dir.« Hoch pokern, Wastl. »Besser als alles, was du in letzter Zeit gegessen hast, oder?«

      Adrian schwieg.

      »Richtig?« Ein winziges Triumphgefühl schlich sich in Wastls Herz.

      »Es sollte mir nicht schmecken. Objektiv betrachtet war es furchtbar.«

      »Aber … subjektiv betrachtet hat es dir gefallen.« Wastl räusperte sich. »Ich mach dir jeden Tag Frühstück, wenn du willst. Und ich koch das Abendessen. Und … wenn du magst, bin ich … also im Bett bin ich auch nicht schlecht.«

      Eine Augenbraue hob sich und Wastls Herz versuchte, seinen Brustkorb zu durchbrechen. Verdammt, warum hatte er das jetzt gesagt?

      »Witzig«, sagte Adrian. Eine Stimme wie Eiswasser. »Ich glaube, Frühstück und Abendessen reichen mir.«

      »Oh, gut.« Wastl zuckte mit den Achseln. Das war überhaupt nicht witzig gemeint, du Trottel, dachte er. Warum nahm Adrian seine, zugegeben, sehr ungeschickten Annäherungsversuche nicht ernst? Lag es daran, dass er ihm zu jung war? War Adrian wieder so einer, der ihn wie einen kleinen Bengel behandelte? Egal. »Also kann ich bleiben?«

      »Bis zum 20.« Adrian ging zu der Schiefertafel, die neben dem Herd hing und griff ein Stück Kreide. Sie kratzte über die schwarze Oberfläche.

      »Was schreibst du da?«, fragte Wastl.

      »Eine Liste deiner Schulden.« Adrian klang gleichmütig. »Die Fliese, der ruinierte Topf, meine Aufräumarbeiten nach dem Frühstück … Ich schätze, da kommt noch einiges hinzu.«

      »Wird es nicht.« Wastl straffte sich. Ein ganz unbekanntes Glücksgefühl wärmte ihn von innen. Er hatte es geschafft! Fast ein Monat ohne die gruselige Existenzangst, ohne das Gefühl, dass das Eis unter seinen Füßen dünner und dünner wurde. Nur ein Aufschub, klar, aber ein Monat kam ihm vor wie die grünste Oase in der Wüste. »Danke Adrian. Vielen Dank. Du wirst es nicht bereuen.«

      Adrian schwieg. »Doch, werde ich vermutlich. Sei’s drum.« Er zuckte mit den Achseln. »Ich ziehe mich zurück um zu lesen. Heute will ich nicht mehr angesprochen werden.«

      »Öh, aber … wo soll ich denn schlafen? Und …«

      »Such dir ein Zimmer raus. Das Gästebad gehört dir.« Adrians schöner Finger zeigte auf eine der grauen Türen. »Oh, und das Büro ist hinter der Tür, auf der ›Büro‹ steht, im nächsten Flur. Da setzt du keinen Fuß rein, verstanden?«

      »Nein. Keinen Fuß«, wiederholte Wastl und zuckte innerlich zusammen. Er musste aufhören, Dinge über Füße zu sagen. »Vielen Dank.«

      »Räum auf und lass mich in Ruhe.« Adrian schnappte sich sein Buch vom Sofa, verzog sich in den Flur und bog um die Ecke.

      Wastl hörte eine Tür klappen und war allein. Allein in der gigantischen Wohnwüste, in der Möbelstücke aufragten wie Felsbrocken. Wie hielt Adrian es hier aus? Ob er oft Besuch bekam? Ein bisschen Gelächter und Bierflaschengeklirr würde die Wohnung viel netter machen. Oder ein paar Farben. Aber das hier war für die nächsten Wochen sein Zuhause und ein seltsames, kaltes Zuhause war so viel besser als gar keins.

      Wastl hörte ein leises Miauen von irgendwoher und erinnerte sich, dass er Katzenfutter gekauft hatte. Er öffnete eine Dose, kippte sie in eine Schüssel, die hoffentlich nicht allzu teuer war und stellte sie auf den Küchenboden. Da, wo er Prinzessin Butterfliege zum letzten Mal gesehen hatte. Als er zum zweiten Mal hineingetreten war, platzierte er sie stattdessen neben dem Sofa. Er räumte die Küche auf, putzte sie blitzblank und merkte erst nach drei Strophen »Kaperfahrt«, dass er vor sich hin summte. Es half ein wenig gegen die Einsamkeit.

      ***

      Die Schlafzimmer unterschieden sich hauptsächlich in ihrem Helligkeitsgrad. Eins war weiß, eins dunkelgrau und eins hellgrau eingerichtet. Er entschied sich für das hellgraue, weil es am kleinsten war. Es hatte eine bodenlange Fensterfront, die nicht auf die Stadt hinausging, sondern auf den Dachgarten. Es gab einen Dachgarten! Irgendwann, wenn Adrian mal nicht da war, würde er die Wohnung erkunden. Natürlich nicht das Büro, aber … alles andere. Wie Adrians Schlafzimmer wohl aussah? Es musste das gegenüber von seinem sein, da hinten, neben dem weiß gekachelten Pfad im Kies. Adrians Vorhänge waren zugezogen und nur ein leichter Lichtschein drang heraus. Ein schmaler Streifen, der durch den Kies schnitt wie eine Klinge.

      Wastl schloss seine eigenen Vorhänge, löschte das Licht und legte sich auf sein Bett. Er hatte die Zähne geputzt und trug, in Ermangelung eines Pyjamas, T-Shirt und Boxershorts. Aber er konnte noch nicht schlafen. Der Tag rumorte in seinem Gehirn. Die Besichtigung, der bärtige Mistkerl, der alles verkauft hatte. Wie der ihn angemotzt hatte, als er die Katze mitgenommen hatte. Wastl hatte zurückgemotzt, und nicht zu knapp. Hoffentlich ging es Prinzessin Butterfliege gut, wo immer sie war.

      Und dann war da Adrian, dessen Nachnamen Wastl immer noch nicht kannte. Auf dem Klingelschild stand leider nur ›Dachgeschoss‹. Adrian. Ein Arschloch vor dem Herrn, aber der erste Mensch hier, der ihm zumindest zeitweise ein Obdach gewährte. Und … Wastl konnte sich nicht erinnern, dass er je so stark auf einen anderen Mann reagiert hatte. Und er hatte stark reagiert. In der neunten Klasse war er fast gestorben, wenn Ferdi den Arm um ihn gelegt hatte. Meist, um Wastl zu Boden zu ringen, doch das war egal gewesen. Wastl hatte gern mit ihm gerungen. Oft hatte er sogar gewonnen, damit es Ferdi nicht zu langweilig wurde. Und danach, abends, hatte er all die gesammelten Gerüche und Laute wieder hervorgekramt und mit unter die Bettdecke genommen, wo er … Wastl schluckte. Seine Hände waren unter der Bettdecke. Und er war endlich wieder allein. Im Hostel hatte er sich den Raum mit drei anderen teilen müssen, aber nun …

      »Endlich«, murmelte er und zog die Boxershorts herunter. Kaum spürte er seine Handflächen, wurde er auch schon hart. Er fühlte sich anschwellen, groß und prall werden, und war ein wenig stolz. Er war doch bestimmt genau so gut ausgestattet wie Adrian, oder? Die Erinnerung an Adrian in dem dünnen Pyjama reichte, um ihm das Blut endgültig zwischen die Schenkel zu treiben. Was wäre, wenn Adrian heute Morgen ganz anders reagiert hätte? Was, wenn … Wastl schluckte, weil sein ganzer Körper sich bei dem Gedanken lustvoll zusammenzog: Was wäre, wenn Adrian den Kuss erwidert hätte? Wie würde sich diese kleine Brandnarbe auf Wastls Lippen anfühlen? Hätte Adrian nach Marmelade geschmeckt? Hätte er Wastl gepackt, fest, und ihn über den Tisch zu sich hergezerrt? Hätte er ihn auf die Tischplatte gelegt? Ihm die Hose heruntergerissen, den Kopf zwischen Wastls Beinen vergraben und seinen Schwanz verschlungen? Den Schwanz, an dem Wastls Finger hektisch rieben? Er hatte keine Zeit, es richtig zu genießen, bevor er kam. Der Gedanke an Adrians Zunge, die an ihm auf und ab fuhr, an den Blick, den er ihm durch wirre Strähnen hindurch zuwerfen würde, reichte. Keuchend ergoss Wastl sich in seine Hand. Als das wilde Drängen zu einer abebbenden Glut wurde, hörte er sein schweres Atmen in dem fast leeren Raum.

      Verdammt, dachte er. Hoffentlich hat Adrian nichts gehört. Er lauschte, vernahm aber nicht einmal ein leises Miauen.

      Sperma lief zwischen seinen Fingern hervor und tropfte auf die Matratze. Mist. Er suchte nach Taschentüchern und fand sie in der Schublade des Nachtschranks. Doch das Bettzeug war besudelt. Das würde Adrian ihm ja wohl nicht auch in Rechnung stellen, oder? Das konnte man schließlich waschen. Nein, zu dieser blöden Liste auf der Schiefertafel würde nichts mehr hinzukommen, das schwor Wastl sich. Seine Lider wurden schwer. Befriedigt und warm gebettet konnte er endlich einschlafen.

      ***

      Als er aufwachte, lag Prinzessin Butterfliege auf seinen Füßen. Sein Handywecker brummte und kaum, dass er ihn ausgeschaltet hatte, ging


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