Ronaldo. Luca Caioli
Читать онлайн книгу.seien und man sie „restlos und kategorisch“ zurückweise. „Die Ermittlungen werden zeigen, dass diese Anschuldigungen nicht auf Tatsachen basieren.“
Cristiano Ronaldo ist nicht der erste Spieler der Premier League, der sich Vorwürfen wegen angeblichen sexuellen Missbrauchs ausgesetzt sieht. 2003 wurde Jody Morris von Leeds United wegen mutmaßlicher Vergewaltigung festgenommen. Die Anklage wurde später fallen gelassen. Im September des gleichen Jahres beschuldigte man sieben Spieler des FC Chelsea und von Newcastle United, im Grosvenor House Hotel in London eine junge Frau vergewaltigt zu haben. Sie hatte ein Date mit einem weiteren Kicker von Chelsea gehabt, der mit den fraglichen Männern befreundet war. Das Verfahren löste in ganz England einen Skandal aus, wurde aber später eingestellt.
2004 wurde Terrell Forbes, Abwehrspieler von Grimsby Town, zusammen mit vier Freunden in den Vergewaltigungsfall eines 15-jährigen Mädchens hineingezogen. Alle fünf Männer sprach man frei. Im spanischen Cartagena wurden ebenfalls 2004 drei Spieler von Leicester City beschuldigt, drei Frauen vergewaltigt zu haben. Auch sie wurden am Ende freigesprochen. Der letzte Fall war der des Niederländers Robin van Persie, Stürmer beim FC Arsenal. Nach einer Anzeige wegen Vergewaltigung wurde er im Juni 2005 in Rotterdam verhaftet. Zwei Wochen später ließ man ihn ohne Anklage wieder frei.
Es gibt sicher viele Vergewaltigungsfälle, doch mag niemand glauben, dass Ronaldo wirklich schuldig sein könnte. Warum nicht? Weil der Portugiese trotz seines prahlerischen und provokativen Verhaltens auf dem Feld neben dem Platz als „the Quiet One“, der Ruhige, bekannt ist. Doch dieser Umstand heizt die Gerüchte und Theorien in den britischen Medien eher noch weiter an. Zum Glück erhält Cristiano jede Menge Unterstützung durch den Verein, die Fans und den portugiesischen Fußballverband.
Anfang November gibt es neue Entwicklungen in seinem Fall. Der Sun zufolge hat man Cristianos Cousin Nuno Aveiro festgenommen und auf demselben Polizeirevier verhört, auf dem auch Cristiano seine Aussage gemacht hat. Die Frau, die den Spieler beschuldigt, behauptet, dass Nuno sie in der Nacht im Sanderson Hotel festgehalten habe, damit Cristiano sie vergewaltigen konnte. Nuno Aveiro bestreitet die Vorwürfe und wird auf Kaution freigelassen. In der Zwischenzeit ist die zweite Frau nach Frankreich zurückgekehrt und hat ihre Aussage zurückgezogen.
Am 25. November schließt man den Fall. Cristiano Ronaldo wird nicht wegen Vergewaltigung angeklagt werden. „Die Metropolitan Police hatte der königlichen Staatsanwaltschaft in Folge von Anschuldigungen bezüglich eines sexuellen Übergriffs in einem Hotel im Zentrum Londons am 2. Oktober eine Akte übersandt“, so ein Sprecher von Scotland Yard. „Man hat uns heute seitens der Staatsanwaltschaft mitgeteilt, dass für eine Anklage nicht genügend Beweise vorliegen. Demzufolge werden die beiden Männer, die man im Zuge dieser Ermittlungen festgenommen hat, keinerlei weiteren Maßnahmen in dieser Angelegenheit unterzogen werden.“
Cristiano Ronaldo reagiert mit einer weiteren Erklärung: „Ich habe stets ausdrücklich meine Unschuld beteuert und bin froh, dass diese Sache ein Ende hat. Nun kann ich mich darauf konzentrieren, für Manchester United zu spielen.“ Cristiano hatte seinen engsten Freunden immer gesagt, dass die Vorwürfe haltlos wären und er das Opfer einer Falle geworden sei. Diese Theorie wird auch von der mittlerweile eingestellten Boulevardzeitung News of the World gestützt. Dort heißt es, dass die Anschuldigungen das Werk einer Prostituierten gewesen seien, die sich darauf spezialisiert habe, reiche und berühmte Personen zu verführen. Die Geschichte nimmt also ein gütliches Ende. Trotzdem betont der Spieler: „Alle Zeitungen hatten die Beschuldigungen gegen mich dick und fett auf ihren Titelseiten stehen. Aber als die Wahrheit herauskam, da haben sie die irgendwo ganz klein auf einer Innenseite gedruckt.“
Doch Cristiano hat sich zuletzt nicht nur mit juristischen Problemen herumschlagen müssen. Im Derby gegen Manchester City ist er mit Rot vom Platz geflogen. Im Training ist er mit Ruud van Nistelrooy aneinandergeraten. Und in der Champions League hat er den Fans von Benfica den Finger gezeigt, als er bei einem Spiel in Lissabon ausgewechselt wurde. Es sieht so aus, als läge er gerade mit der ganzen Welt im Streit.
„Die Vergewaltigung war eine falsche Anschuldigung. Das zählt nicht“, erklärt Cristiano einige Monate später in einem Interview mit dem portugiesischen Journalisten und Autor Joel Neto. „Aber es ist ja offensichtlich, dass mich bei den ganzen anderen Vorfällen der Tod meines Vaters irgendwie beeinflusst hat. Von einem auf den anderen Moment erwische ich mich dabei, wie ich Leute unfair behandele. Manchmal denke ich dann einfach: ‚Der geht mir gegen den Strich, und ich will jetzt nicht der nette Junge sein!‘ Ich wollte doch nie Aufmerksamkeit auf mich ziehen. Ich wusste ja, dass das sowieso passieren würde, und das Wichtigste in meinem Leben war, weiterhin hart zu arbeiten. Aber es war eine schwierige Zeit in meinem Leben. Klar weiß ich, dass man lernen muss, mit schwierigen Zeiten umzugehen, aber das ist nun mal leichter gesagt als getan. Besonders, wenn es um Fußball geht. Es ist verdammt schwer zu spielen, wenn man sich nicht gut fühlt.“
Kapitel 10
Ronaldo vs. Rooney
Die Weltmeisterschaft 2006
„Was man über mich und meinen Mannschaftskameraden und Freund Rooney gesagt hat, ist unglaublich.“
Er kennt die Bilder von der WM 1966, als Eusébios Portugiesen im Halbfinale gegen Bobby Charltons Engländer aus dem Turnier flogen, die dann am Ende den Weltmeistertitel holten. Doch seine erste Erinnerung an eine Weltmeisterschaft ist das Turnier von 1994 in den Vereinigten Staaten. „Ich war neun Jahre alt und habe das Finale mit meiner Familie auf Madeira geguckt. Alle waren für Brasilien. Trotzdem hat sich das Bild, wie Roberto Baggio den entscheidenden Elfmeter verschossen hat, für immer in mein Gedächtnis eingebrannt.“ Unvergessen ist auch die WM 2002, als Portugal nach einer Niederlage gegen Südkorea nicht über die Gruppenphase hinauskam.
Vier Jahre später guckt sich Cristiano die WM nicht mehr im Fernsehen an. Stattdessen fährt er nach Deutschland und spielt selber mit. Er ist nun 21 Jahre alt, und Fußballfans aus der ganzen Welt haben ihn gemeinsam mit Lionel Messi und Ecuadors Luis Antonio Valencia auf die Liste der sechs Kandidaten gesetzt, von denen einer die Auszeichnung als bester Nachwuchsspieler der WM erhalten soll. Die drei übrigen Kandidaten sind von der FIFA benannt. Es handelt sich um Spaniens Cesc Fàbregas, den Schweizer Tranquillo Barnetta und Lukas Podolski. Für die Liste wurden nur Spieler nominiert, die nach dem 31. Dezember 1984 geboren wurden. Der Sieger soll anhand der Kriterien Spielstil, Ausstrahlung, Fairness und Fußballleidenschaft ermittelt werden.
Cristianos dritte Saison bei United war heftig gewesen, sowohl auf als auch neben dem Platz. Er hat eine Wette mit Ferguson verloren, nachdem er angekündigt hatte, mindestens 15 Tore zu schießen, aber nur zwölf erzielte. Dennoch hat sich Ronaldo deutlich verbessert, obgleich United auch im zweiten Jahr in Folge hinter José Mourinhos FC Chelsea zurückblieb. In der Champions League kam man nach einer Niederlage gegen Benfica Lissabon nicht über die Gruppenphase hinaus und musste sich als Gruppenvierter im Dezember bereits komplett von der europäischen Bühne verabschieden.
Die einzige Trophäe, die der Vitrine von United hinzugefügt werden konnte, war nach einem 4:0-Sieg im Finale gegen Wigan Athletic der Carling Cup, der englische Ligapokal. Das dritte Tor hatte dabei Ronaldo erzielt. Darüber hinaus wurde er von der FIFPro, dem internationalen Verband der Profifußballer, mit dem erstmals vergebenen Fan-Preis für den besten Nachwuchsspieler ausgezeichnet. Sein Mannschaftskollege Wayne Rooney bekam den offiziellen Preis als Nachwuchsspieler des Jahres. Die beiden sollen in Deutschland noch für Schlagzeilen sorgen, sowohl positive als auch negative. Portugals Trainer Luiz Felipe Scolari glaubt ebenso an ihn, wie ganz Portugal an die Mannschaft glaubt. Das tut auch Ronaldo. „Ich denke, dass wir eine hervorragende Truppe, klasse Spieler und einen klasse Trainer haben“, sagt er. „Für mich persönlich hoffe ich, dass ich bei der WM besser sein werde als bei der EM.“
Portugals Gruppe D mit Angola, Mexiko und dem Iran scheint ziemlich leicht zu sein. Die Portugiesen gewinnen alle drei Spiele: 1:0 gegen die ehemalige Kolonie Angola, 2:0 gegen den Iran und 2:1 gegen Mexiko. Das zweite Tor gegen den Iran ist ein von Cristiano verwandelter Strafstoß. Mit neun Punkten zieht Portugal als Gruppenerster ins Achtelfinale ein. Es ist das erste Mal seit der WM 1966 in England, dass die Portugiesen