Kritik der reinen Vernunft. Immanuel Kant

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Kritik der reinen Vernunft - Immanuel Kant


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mehr durch unbestimmte Anpreisungen der Mäßigung in Schranken halten lässt; der zweite ergab sich gänzlich demS k e p t i z i s m u s,da er einmal eine so allgemeine, für Vernunft gehaltene Täuschung unseres Erkenntnisvermögens glaubte entdeckt zu haben. – Wir sind jetzt im Begriffe, einen Versuch zu machen, ob man nicht die menschliche Vernunft zwischen diesen beiden Klippen glücklich durchbringen, ihr bestimmte Grenzen anweisen und dennoch das ganze Feld ihrer zweckmäßigen Tätigkeit für sie geöffnet erhalten könne.

      Vorher will ich nur noch dieE r k l ä r u n gder Kategorien voranschikken. Sie sind Begriffe von einem Gegenstande überhaupt, dadurch dessen Anschauung in Ansehung einer derl o g i s c h e nF u n k t i o n e nzu Urteilen als bestimmt angesehen wird. So war die Funktion desk a t e g o r i s c h e nUrteils die des Verhältnisses des Subjekts zum Prädikat, z. B. alle Körper sind teilbar. Allein in Ansehung des bloß logischen Gebrauchs des Verstandes blieb es unbestimmt, welchem von beiden Begriffen die Funktion des Subjekts und welchem die des Prädikats man geben wolle. Denn man kann auch sagen: Einiges Teilbare ist ein Körper. Durch die Kategorie der Substanz aber, wenn ich den Begriff eines Körpers darunter bringe, wird es bestimmt: dass seine empirische Anschauung in der Erfahrung immer nur als Subjekt, niemals als bloßes Prädikat betrachtet werden müsse; und so in allen übrigen Kategorien.

      Der Deduktion der reinen Verstandesbegriffe

      Z W E I T E RA B S C H N I T T

      Transzendentale Deduktion der reinen Verstandesbegriffe

      § 15

      Von der Möglichkeit einer Verbindung überhaupt

      Das Mannigfaltige der Vorstellungen kann in einer Anschauung gegeben werden, die bloß sinnlich, d. i. nichts als Empfänglichkeit ist, und die Form dieser Anschauung kann a priori in unserem Vorstellungsvermögen liegen, ohne jedoch etwas anderes als die Art zu sein, wie das Subjekt affiziert wird. Allein dieV e r b i n d u n g(conjunctio) eines Mannigfaltigen überhaupt kann niemals durch Sinne in uns kommen und kann also auch nicht in der reinen Form der sinnlichen Anschauung zugleich mit enthalten sein; denn sie ist ein Aktus der Spontaneität der Vorstellungskraft, und da man diese, zum Unterschiede von der Sinnlichkeit, Verstand nennen muss, so ist alle Verbindung, wir mögen uns ihrer bewusst werden oder nicht, es mag eine Verbindung des Mannigfaltigen der Anschauung oder mancherlei Begriffe, und an der ersteren der sinnlichen oder nichtsinnlichen Anschauung sein, eine Verstandeshandlung, die wir mit der allgemeinen BenennungS y n t h e s i sbelegen werden, um dadurch zugleich bemerklich zu machen, dass wir uns nichts, als im Objekte verbunden, vorstellen können, ohne es vorher selbst verbunden zu haben, und unter allen Vorstellungen dieV e r b i n d u n gdie Einzige ist, die nicht durch Objekte gegeben, sondern nur vom Subjekte selbst verrichtet werden kann, weil sie ein Aktus seiner Selbsttätigkeit ist. Man wird hier leicht gewahr, dass diese Handlung ursprünglich einig und für alle Verbindung gleichgeltend sein müsse und dass die Auflösung (A n a l y s i s), die ihr Gegenteil zu sein scheint, sie doch jederzeit voraussetze; denn wo der Verstand vorher nichts verbunden hat, da kann er auch nichts auflösen, weil es nurd u r c hi h nals verbunden der Vorstellungskraft hat gegeben werden können.

      Aber der Begriff der Verbindung führt außer dem Begriffe des Mannigfaltigen und der Synthesis desselben noch den der Einheit desselben bei sich. Verbindung ist Vorstellung ders y n t h e t i s c h e nEinheit des Mannigfaltigen.14 Die Vorstellung dieser Einheit kann also nicht aus der Verbindung entstehen, sie macht vielmehr dadurch, dass sie zur Vorstellung des Mannigfaltigen hinzukommt, den Begriff der Verbindung allererst möglich. Diese Einheit, die a priori vor allen Begriffen der Verbindung vorhergeht, ist nicht etwa jene Kategorie der Einheit (§ 10); denn alle Kategorien gründen sich auf logische Funktionen in Urteilen; in diesen aber ist schon Verbindung, mithin Einheit gegebener Begriffe gedacht. Die Kategorie setzt also schon Verbindung voraus. Also müssen wir diese Einheit (als qualitative § 12.) noch höher suchen, nämlich in demjenigen, was selbst den Grund der Einheit verschiedener Begriffe in Urteilen, mithin der Möglichkeit des Verstandes, sogar in seinem logischen Gebrauche, enthält.

      § 16

      Von der ursprünglich-synthetischen Einheit der Apperzeption

      Das:I c hd e n k e,muss alle meine Vorstellungen begleitenk ö n n e n;denn sonst würde etwas in mir vorgestellt werden, was gar nicht gedacht werden könnte, welches ebenso viel heißt als: die Vorstellung würde entweder unmöglich oder wenigstens für mich nichts sein. Diejenige Vorstellung, die vor allem Denken gegeben sein kann, heißtA n s c h a u u n g.Also hat alles Mannigfaltige der Anschauung eine notwendige Beziehung auf das: Ich denke, in demselben Subjekt, darin dieses Mannigfaltige angetroffen wird. Diese Vorstellung aber ist ein Aktus derS p o n t a n e i t ä t,d. i. sie kann nicht als zur Sinnlichkeit gehörig angesehen werden. Ich nenne sie die reineA p p e r z e p t i o n,um sie von der empirischen zu unterscheiden, oder auch dieu r s p r ü n g l i c h eA p p e r z e p t i o n,weil sie dasjenige Selbstbewusstsein ist, was, indem es die VorstellungI c hd e n k ehervorbringt, die alle anderen muss begleiten können und in allem Bewusstsein ein und dasselbe ist, von keiner weiter abgeleitet werden kann. Ich nenne auch die Einheit derselben diet r a n s z e n d e n t a l eEinheit des Selbstbewusstseins, um die Möglichkeit der Erkenntnis a priori aus ihr zu bezeichnen. Denn die mannigfaltigen Vorstellungen, die in einer gewissen Anschauung gegeben werden, würden nicht insgesamt meine Vorstellungen sein, wenn sie nicht insgesamt zu einem Selbstbewusstsein gehörten, d. i. als meine Vorstellungen (ob ich mir, ihrer gleich nicht als solcher bewusst bin) müssen sie doch der Bedingung notwendig gemäß sein, unter der sie allein in einem allgemeinen Selbstbewusstsein zusammenstehen können, weil sie sonst nicht durchgängig mir angehören würden. Aus dieser ursprünglichen Verbindung lässt sich vieles folgern.

      Nämlich diese durchgängige Identität der Apperzeption eines in der Anschauung gegebenen Mannigfaltigen enthält eine Synthesis der Vorstellungen und ist nur durch das Bewusstsein dieser Synthesis möglich. Denn das empirische Bewusstsein, welches verschiedene Vorstellungen begleitet, ist an sich zerstreut und ohne Beziehung auf die Identität des Subjekts. Diese Beziehung geschieht also dadurch noch nicht, dass ich jede Vorstellung mit Bewusstsein begleite, sondern dass ich eine zu der anderenh i n z u s e t z eund mir der Synthesis derselben bewusst bin. Also nur dadurch, dass ich ein Mannigfaltiges gegebener Vorstellungen in einemB e w u s s t s e i nverbinden kann, ist es möglich, dass ich mir dieI d e n t i t ä td e sB e w u s s t s e i n si nd i e s e nV o r s t e l l u n g e nselbst vorstelle, d. i. diea n a l y t i s c h eEinheit der Apperzeption ist nur unter der Voraussetzung irgendeiners y n t h e t i s c h e nmöglich.15 Der Gedanke: diese in der Anschauung gegebenen Vorstellungen gehören mir insgesamt zu, heißt demnach so viel, als ich vereinige sie in einem Selbstbewusstsein oder kann sie wenigstens darin vereinigen; und ob er gleich selbst noch nicht das Bewusstsein derS y n t h e s i sder Vorstellungen ist, so setzt er doch die Möglichkeit der letzteren voraus, d. i. nur dadurch, dass ich das Mannigfaltige derselben in einem Bewusstsein begreifen kann, nenne ich dieselben insgesamt meine Vorstellungen; denn sonst würde ich ein so vielfarbiges verschiedenes Selbst haben, als ich Vorstellungen habe, deren ich mir bewusst bin. Synthetische Einheit des Mannigfaltigen der Anschauungen, als a priori gegeben, ist also der Grund der Identität der Apperzeption selbst, die a priori allem meinem bestimmten Denken vorhergeht. Verbindung liegt aber nicht in den Gegenständen und kann von ihnen nicht etwa durch Wahrnehmung entlehnt und in den Verstand dadurch allererst aufgenommen werden, sondern ist allein eine Verrichtung des Verstandes, der selbst nichts weiter ist als das Vermögen, a priori zu verbinden und das Mannigfaltige gegebener Vorstellungen unter Einheit der Apperzeption zu bringen, welcher Grundsatz der oberste im ganzen menschlichen Erkenntnis ist.

      Dieser Grundsatz der notwendigen Einheit der Apperzeption ist nun zwar selbst identisch, mithin ein analytischer Satz, erklärt aber doch eine Synthesis des in einer Anschauung gegebenen Mannigfaltigen als notwendig, ohne welche jene durchgängige Identität des Selbstbewusstseins nicht gedacht werden kann. Denn durch das Ich, als einfache Vorstellung, ist nichts Mannigfaltiges gegeben; in der Anschauung, die davon unterschieden ist, kann es nur gegeben und durchV e r b i n d u n gin einem Bewusstsein gedacht werden. Ein Verstand, in welchem durch das Selbstbewusstsein zugleich alles Mannigfaltige gegeben würde,


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