Kritik der reinen Vernunft. Immanuel Kant

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Kritik der reinen Vernunft - Immanuel Kant


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bis zur Vollständigkeit zu verzeichnen, eine nützliche und nicht unangenehme, hier aber entbehrliche Bemühung sein würde.

      Der Definitionen dieser Kategorien überhebe ich mich in dieser Abhandlung geflissentlich, ob ich gleich im Besitz derselben sein möchte. Ich werde diese Begriffe in der Folge bis auf den Grad zergliedern, welcher in Beziehung auf die Methodenlehre, die ich bearbeite, hinreichend ist. In einem System der reinen Vernunft würde man sie mit Recht von mir fordern können; aber hier würden sie nur den Hauptpunkt der Untersuchung aus den Augen bringen, indem sie Zweifel und Angriffe erregten, die man, ohne der wesentlichen Absicht etwas zu entziehen, gar wohl auf eine andere Beschäftigung verweisen kann. Indessen leuchtet doch aus dem Wenigen, was ich hiervon angeführt habe, deutlich hervor, dass ein vollständiges Wörterbuch mit allen dazu erforderlichen Erläuterungen nicht allein möglich, sondern auch leicht sei zustande zu bringen. Die Fächer sind einmal da; es ist nur nötig, sie auszufüllen, und eine systematische Topik, wie die gegenwärtige, lässt nicht leicht die Stelle verfehlen, dahin ein jeder Begriff eigentümlich gehört, und zugleich diejenige leicht bemerken, die noch leer ist.

      § 11

      Über diese Tafel der Kategorien lassen sich artige Betrachtungen anstellen, die vielleicht erhebliche Folgen in Ansehung der wissenschaftlichen Form aller Vernunfterkenntnisse haben könnten. Denn dass diese Tafel im theoretischen Teile der Philosophie ungemein dienlich, ja unentbehrlich sei,d e nP l a nz u mG a n z e ne i n e rW i s s e n s c h a ft, sofern sie auf Begriffen a priori beruht, vollständig zu entwerfen und sie mathematischn a c hb e s t i m m t e nP r i n z i p i e na b z u t e i l e n,erhellt schon von selbst daraus, dass gedachte Tafel alle Elementarbegriffe des Verstandes vollständig, ja selbst die Form eines Systems derselben im menschlichen Verstande enthält, folglich aufa l l eM o m e n t eeiner vorhabenden spekulativen Wissenschaft, ja sogar ihreO r d n u n g,Anweisung gibt, wie ich denn auch davon anderwärts13 eineP r o b egegeben habe. Hier sind nun einige dieser Anmerkungen.

      D i ee r s t eist: dass sich diese Tafel, welche vier Klassen von Verstandesbegriffen enthält, zuerst in zwei Abteilungen zerfällen lasse, deren erstere auf Gegenstände der Anschauung (der reinen sowohl als empirischen), die zweite aber auf die Existenz dieser Gegenstände (entweder in Beziehung aufeinander oder auf den Verstand) gerichtet sind.

      Die erste Klasse würde ich die derm a t h e m a t i s c h e n,die zweite derd y n a m i s c h e nKategorien nennen. Die erste Klasse hat, wie man sieht, keine Korrelate, die allein in der zweiten Klasse angetroffen werden. Dieser Unterschied muss doch einen Grund in der Natur des Verstandes haben.

      2te Anm. Dass allerwärts eine gleiche Zahl der Kategorien jeder Klasse, nämlich drei sind, welches ebenso wohl zum Nachdenken auffordert, da sonst alle Einteilung a priori durch Begriffe, Dichotomie sein muss. Dazu kommt aber noch, dass die dritte Kategorie allenthalben aus der Verbindung der zweiten mit der ersten ihrer Klasse entspringt.

      So ist dieA l l h e i t(Totalität) nichts anderes als die Vielheit als Einheit betrachtet, dieE i n s c h r ä n k u n gnichts anderes als Realität mit Negation verbunden, dieG e m e i n s c h a f tist die Kausalität einer Substanz in Bestimmung der anderen wechselseitig, endlich dieN o t w e n d i g k e i tnichts anderes als die Existenz, die durch die Möglichkeit selbst gegeben ist. Man denke aber ja nicht, dass darum die dritte Kategorie ein bloß abgeleiteter und kein Stammbegriff des reinen Verstandes sei. Denn die Verbindung der ersten und zweiten, um den dritten Begriff hervorzubringen, erfordert einen besondern Aktus des Verstandes, der nicht mit dem einerlei ist, der beim ersten und zweiten ausgeübt wird. So ist der Begriff einer Zahl (die zur Kategorie der Allheit gehört) nicht immer möglich, wo die Begriffe der Menge und der Einheit sind (z. B. in der Vorstellung des Unendlichen), oder daraus, dass ich den Begriff einerU r s a c h eund den einerS u b s t a n zbeide verbinde, noch nicht sofort derE i n f l u s s,d. i. wie eine Substanz Ursache von etwas in einer anderen Substanz werden könne, zu verstehen. Daraus erhellt, dass dazu ein besonderer Aktus des Verstandes erforderlich sei; und so bei den Übrigen.

      3te Anm. Von einer einzigen Kategorie, nämlich der derG e m e i n s c h a f t,die unter dem dritten Titel befindlich ist, ist die Übereinstimmung mit der in der Tafel der logischen Funktionen ihm korrespondierenden Form eines disjunktiven Urteils nicht so in die Augen fallend, als bei den übrigen.

      Um sich dieser Übereinstimmung zu versichern, muss man bemerken, dass in allen disjunktiven Urteilen die Sphäre (die Menge alles dessen, was unter ihm enthalten ist) als ein Ganzes in Teile (die untergeordneten Begriffe) geteilt vorgestellt wird, und, weil einer nicht unter dem anderen enthalten sein kann, sie als einanderk o o r d i n i e r t,nichts u b o r d i n i e r t,so dass sie einander nichte i n s e i t i g,wie in einer Reihe, sondernw e c h s e l s e i t i g,als in einemA g g r e g a t,bestimmen (wenn ein Glied der Einteilung gesetzt wird, alle übrigen ausgeschlossen werden, und so umgekehrt), gedacht werden.

      Nun wird eine ähnliche Verknüpfung in einemG a n z e nd e rD i n g egedacht, da nicht eines, als Wirkung, dem anderen als Ursache seines Daseins,u n t e r g e o r d n e t,sondern zugleich und wechselseitig als Ursache in Ansehung der Bestimmung der anderenb e i g e o r d n e twird (z. B. in einem Körper, dessen Teile einander wechselseitig anziehen und auch widerstehen), welches eine ganz andere Art der Verknüpfung ist als die, so im bloßen Verhältnis der Ursache zur Wirkung (des Grundes zur Folge) angetroffen wird, in welchem die Folge nicht wechselseitig wiederum den Grund bestimmt und darum mit diesem (wie der Weltschöpfer mit der Welt) nicht ein Ganzes ausmacht. Dasselbe Verfahren des Verstandes, wenn er sich die Sphäre eines eingeteilten Begriffs vorstellt, beobachtet er auch, wenn er ein Ding als teilbar denkt, und wie die Glieder der Einteilung im ersteren einander ausschließen und doch in einer Sphäre verbunden sind, so stellt er sich die Teile des letzteren als solche, deren Existenz (als Substanzen) jedem auch ausschließlich von den übrigen zukommt, doch als in einem Ganzen verbunden vor.

      § 12

      Es findet sich aber in der Transzendentalphilosophie der Alten noch ein Hauptstück vor, welches reine Verstandesbegriffe enthält, die, ob sie gleich nicht unter die Kategorie gezählt werden, dennoch, nach ihnen, als Begriffe a priori von Gegenständen gelten sollten, in welchem Falle sie aber die Zahl der Kategorien vermehren würden, welches nicht sein kann. Diese trägt der unter den Scholastikern so berufene Satz vor: quodlibet ens est unum, verum, bonum. Ob nun zwar der Gebrauch dieses Prinzips in Absicht auf die Folgerungen (die lauter tautologische Sätze gaben), sehr kümmerlich ausfiel, sodass man es auch in neueren Zeiten beinahe nur ehrenhalber in der Metaphysik aufzustellen pflegt, so verdient doch ein Gedanke, der sich so lange Zeit erhalten hat, so leer er auch zu sein scheint, immer eine Untersuchung seines Ursprungs und berechtigt zur Vermutung, dass er in irgendeiner Verstandesregel seinen Grund habe, der nur, wie es oft geschieht, falsch gedolmetscht worden. Diese vermeintlich transzendentalen Prädikate derD i n g esind nichts anderes als logische Erfordernisse und Kriterien allerE r k e n n t n i sd e rD i n g eüberhaupt und legen ihr die Kategorien der Quantität, nämlich derE i n h e i t,V i e l h e i tundA l l h e i t,zum Grunde, nur dass sie diese, welche eigentlich material, als zur Möglichkeit der Dinge selbst gehörig, genommen werden müssten, in der Tat nur in formaler Bedeutung als zur logischen Forderung in Ansehung jeder Erkenntnis gehörig brauchten, und doch diese Kriterien des Denkens unbehutsamerweise zu Eigenschaften der Dinge an sich selbst machten. In jedem Erkenntnisse eines Objekts ist nämlichE i n h e i tdes Begriffs, welche manq u a l i t a t i v eE i n h e i tnennen kann, sofern darunter nur die Einheit der Zusammenfassung des Mannigfaltigen der Erkenntnisse gedacht wird, wie etwa die Einheit des Thema in einem Schauspiel, einer Rede, einer Fabel. ZweitensW a h r h e i tin Ansehung der Folgen. Je mehr wahre Folgen aus einem gegebenen Begriffe, desto mehr Kennzeichen seiner objektiven Realität. Dieses könnte man dieq u a l i t a t i v eV i e l h e i tder Merkmale, die zu einem Begriffe als einem gemeinschaftlichen Grunde gehören (nicht in ihm als Größe gedacht werden), nennen. Endlichd r i t t e n sV o l l k o m m e n h e i t,die darin besteht, dass umgekehrt diese Vielheit zusammen auf die Einheit des Begriffes zurückführt und zu diesem und keinem anderen völlig zusammenstimmt, welches man dieq u a l i t a t i v eV o l l s t ä n d i g k e i t(Totalität) nennen kann. Woraus erhellt, dass diese logischen Kriterien der Möglichkeit der Erkenntnis überhaupt die drei Kategorien der Größe, in denen die Einheit in der


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