In die unbegrenzte Weite. Karoline von Günderrode

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In die unbegrenzte Weite - Karoline von Günderrode


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      Den Blumenkranz in Lockennacht.

      Und Juans Seele sieht verwegen,

      Mit ungestümem wildem Regen,

      Dem kommenden Moment entgegen.

      Er winkt, und Flamm und Dampf erfüllen,

      Entsetzlich jetzt das Schauspielhaus;

      Der Liebe Glück will er verhüllen

      In Dampf und Nacht und Schreck und Graus;

      Er jauchzet, daß es ihm gelungen,

      Des Schicksals Macht hat er bezwungen

      Der Liebe süssen Lohn errungen.

      Gekommen ist die schöne Stunde;

      Er trägt sie durch des Feuers Wuth,

      Raubt manchen Kuß dem schönen Munde,

      Weckt ihres Busens tiefste Gluth.

      Möcht sterben jetzt in ihren Armen,

      Möcht alles geben! ihr, verarmen

      Zu anderm Leben nie erwarmen.

      Die eilenden Minuten fliehen

      Er merket die Gefahren nicht,

      Und fühlt nur ihre Wange glühen;

      Doch sie, sie träumet länger nicht,

      Sie reißt sich von ihm los mit Beben,

      Er sieht sie durch die Hallen schweben.

      Verhaucht ist der Minute Leben.

      Mit sehnsuchtsvollem, krankem Herzen

      Eilt Juan durch die Hallen hin.

      In Wonne Gram und süße Schmerzen

      Versinket ganz sein irrer Sinn,

      Er wirft sich auf sein Lager nieder,

      Und holde Träume zeigen wieder

      Ihm ihr geliebtes, holdes Bild.

      Die Sonne steiget auf und nieder;

      Doch Abend bleibt’s in seiner Brust.

      Es sank der Tag ihm, kehrt nicht wieder,

      Und sie, nur sie ist ihm bewußt,

      Und ewig, ewig ist gefangen

      Sein Geist im quälenden Verlangen

      Sie, wachend träumend, anzuschaun.

      Und da er wacht aus seinem Schlummer

      Ist’s ihm, als stieg’ er aus der Gruft,

      So fremd und tod; und aller Kummer

      Der mit ihm schlief erwacht und ruft:

      O weine! sie ist dir verlohren

      Die deine Liebe hat erkohren

      Ein Abgrund trennet sie und dich!

      Er rafft sich auf mit trüber Seele

      Und eilt des Schlosses Gärten zu;

      Da sieht er, bei der Mondeshelle,

      Ein Mädchen auf ihn eilen zu.

      Sie reicht ein Blatt ihm und verschwindet,

      Eh er zu fragen Worte findet,

      Er bricht die Siegel auf und liest:

      „Entfliehe! wenn dies Blatt gelesen

      Du hast, und rette so dich mir.

      Mir ist, als sey ich einst gewesen,

      Die Gegenwart erstirbt in mir,

      Und lebend ist nur jene Stunde,

      Sie spricht mir mit so süßem Munde,

      Von dir, von dir, und stets von dir.“

      Er liest das Blatt mit leisem Beben

      Und liebt’s, und drückt es an sein Herz.

      Gewaltsam theilet sich sein Leben,

      In große Wonne – tiefen Schmerz.

      Solt er die Theuerste nun meiden?

      Kann sie dies Trauern ihm bereiten!

      Soll er sie nimmer wieder sehn?

      Er geht nun, wie sie ihm geboten;

      Da trifft ein Mörderdolch die Brust.

      Doch steigt er freudig zu den Todten,

      Denn der Erinn’rung süße Lust,

      Ruft ihm herauf die schönste Stunde,

      Er hänget noch an ihrem Munde;

      Entschlummert sanft in ihrem Arm.

       Die Manen 4

       Ein Fragment

      Schüler: Weiser Meister! ich war gestern in den Katakomben der Könige von Schweden. Tags zuvor hatte ich die Geschichte Gustav Adolphs gelesen, und ich nahte mich seinem Sarge mit einem äusserst sonderbaren und schmerzlichen Gefühl, sein Leben und seine Thaten gingen vor meinem Geiste vorüber, ich sah zugleich sein Leben und seinen Tod, seine große Thätigkeit und seine tiefe Ruhe in der er schon dem zweiten Jahrhundert entgegen schlummert. Ich rief mir die dunkle grausenvolle Zeit zurück in welcher er gelebt hat, und mein Gemüth glich einer Gruft, aus welcher die Schatten der Vergangenheit bleich und schwankend herauf steigen. Ich weinte um seinen Tod mit heissen Thränen, als sey er heute erst gefallen. Dahin! Verlohren! Vergangen! sagte ich mir selbst, sind das alle Früchte eines großen Lebens? Diese Gedanken, diese Gefühle überwältigten mich, ich mußte die Gruft verlassen, ich suchte Zerstreuung, ich suchte andere Schmerzen, aber der unterirdische trübe Geist verfolgt mich allenthalben, ich kann diese Wehmuth nicht los werden, sie legt sich wie ein Trauerflohr über meine Gegenwart; dies Zeitalter däucht mir schaal und leer, ein sehnsuchtsvoller Schmerz zieht mich gewaltig in die Vergangenheit. Dahin! Vergangen! ruft mein Geist. O möchte ich mit vergangen seyn! und diese schlechte Zeit nicht gesehen haben, in der die Vorwelt vergeht, an der ihre Größe verlohren ist.

      Lehrer: Verlohren junger Mensch? Es ist nichts verlohren, und in keiner Rücksicht; nur unser Auge vermag die lange unendliche Kette von der Ursache zu allen Folgen nicht zu übersehen. Aber wenn du auch dieses nicht bedenken willst, so kannst du doch das nicht verlohren und dahin nennen, was dich selbst so stark bewegt, und so mächtig auf dich wirkt. Schon lange kenne ich dich, und mich däucht, dein eignes Schicksal und die Gegenwart haben dich kaum so heftig bewegt, als das Andenken dieses großen Königs. Lebt er nicht jetzt noch in dir! oder nennst du nur Leben, was im Fleisch und in dem Sichtbaren fortlebt? und ist dir das dahin und verlohren, was noch in Gedanken wirkt, und da ist?

      Schüler: Wenn dies ein Leben ist, so ist es doch nicht mehr, als ein bleiches Schattenleben; dann ist die Erinnerung des Gewesenen, Wirklichen, mehr, als ihre bleiche Schatten dieser Wirklichkeit!

      Lehrer: Die positive Gegenwart ist der kleinste und flüchtigste Punkt; indem du die Gegenwart gewahr wirst, ist sie schon vorüber, das Bewußtseyn des Genusses liegt immer in der Erinnerung. Das Vergangene kann in diesem Sinn nur betrachtet werden, ob es nun längst oder so eben vergangen, gleichviel.

      Schüler: Es ist wahr. So lebt und wirkt aber ein großer Mensch nicht nach seiner Weise in mir fort, sondern nach meiner, nach der Art wie ich ihn aufnehme, wie ich mich und ob ich mich seiner erinnern will.

      Lehrer: Freilich lebt er nur fort in dir, in sofern du Sinn für


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