Der neue Landdoktor Paket 1 – Arztroman. Tessa Hofreiter
Читать онлайн книгу.Zunächst war Benjamin sprachlos. Tausend Gefühle und Gedanken explodierten in seinem Gehirn. Die Worte, die durch seinen Kopf schossen, fanden einfach nicht den Weg auf seine Zunge. »Wir …, wir bekommst ein Baby?«, war schließlich alles, was er herausbrachte.
»Ja, wir bekommen ein Baby«, antwortete seine Liebste.
Er hätte sie auf Händen tragen, vor ihr niederknien und ihre Hände küssen wollen, aber alles, was er tun konnte, war, bewegungslos in diesem Krankenhausbett zu liegen und unter Tränen zu sagen: »Marie, neben deiner Liebe ist es das größte Geschenk, das du mir machen kannst. Ich bin so glücklich, dass …, dass ich dafür keine Worte finde.«
»Die brauchst du nicht; ich höre, was dein Herz mir sagt«, antwortete Marie. Sie verschränkte ihre Finger mit seinen und legte ihre Hände dorthin, wo ihr winziges Ungeborenes dem Leben entgegen wuchs. So blieb sie bei ihm sitzen, bis er einschlief, und als Benjamin wieder aufwachte, saß sie immer noch dort und begrüßte ihn mit ihrem sanften Lächeln.
*
Während Benjamin in der Uniklinik wieder zu Kräften kam, hatte die Nachricht von seinem Unfall und der Blutvergiftung in Bergmoosbach die Runde gemacht. Jeder war schockiert von der Nachricht und wünschte dem beliebten Zimmermann alles Gute für seine baldige Genesung.
Auch Lisa hatte die Nachricht aufgeschreckt. Sie wäre gern in die Klinik gefahren, um sich nach Ben zu erkundigen, obwohl ihr die Rolle als barmherzige Samariterin nicht wirklich gefiel. Aber Doktor Seefeld, der vor allem einen gewissen Rückzug für Ben und Marie gewährleisten wollte, sagte, dass der Patient absolute Ruhe brauchte und keinen Besuch empfangen durfte. In absehbarer Zeit käme er nach Hause, und dann könnte man ihn hier mit guten Wünschen empfangen.
Das war Lisa ganz recht, denn Krankenhäuser fand sie unheimlich. Sollte doch Marie in diesen Tagen die hingebungsvolle Begleiterin sein, hier in Bergmoosbach würde sie schon die Möglichkeit haben, ihre Absichten bei Benjamin voran zu treiben. Sollte ihr intrigantes Gerede bei Marie keine Wirkung mehr zeigen, nun, dann würde sie eben stärkere Geschütze auffahren. Ein Sturz und eine überstandene Blutvergiftung waren noch lange kein Grund, die andere Frau und Ben als Paar an einander zu binden. Immerhin waren sie nicht miteinander verheiratet, und selbst wenn – Lisas Erfahrungen sagten ihr, dass das durchaus kein Hinderungsgrund sein musste.
Deshalb lächelte sie strahlend, als Ben und Marie ins Dorf zurückkehrten, und sie lächelte, als sie ihnen die Einladung zu einer kleinen Feier auf dem Ebereschenhof überbrachten, und sie lächelte, als sie mit den anderen Gästen in Maries duftendem Sommergarten saß.
Es war keine große Feier, mehr ein improvisiertes Fest unter Freunden, bei dem jeder etwas auf den Tisch stellte. Man konnte sich entspannt zurücklehnen und hatte einfach Freude an der Gesellschaft der anderen. Die Luft war erfüllt vom Duft der Rosen und des Geißblatts, Kerzen warteten darauf, in der Dämmerung entzündet zu werden, und wer Lust dazu hatte, konnte tanzen.
Erfüllt von ihrem Glück, lehnte Marie sich in Benjamins Arm und schaute in die Runde. Sie hatten enge Freunde eingeladen und natürlich die ganze Doktorfamilie, einschließlich des Freundes von Emilia. Markus saß ein wenig verlegen, aber gleichzeitig unübersehbar verliebt neben dem jungen Mädchen.
»Wir wollten uns bei euch allen bedanken!«, begann Benjamin. »Ihr habt uns so freundlich empfangen, als wir aus der Klinik kamen. Marie und ich hatten eine schwere Zeit, und so seltsam das auch klingen mag, die Tage im Krankenhaus haben uns gut getan. Wir konnten zur Ruhe kommen und unsere Dinge neu ordnen. Danach war es gut, nach Hause zu kommen. Wir werden hier weitermachen, allerdings anders als bisher geplant.
Und wir möchten uns besonders bei Doktor Seefeld bedanken, der so schnell gekommen ist und ohne dessen Erstversorgung alles viel schlimmer hätte ausgehen können!«
An dieser Stelle versuchte Sebastian Seefeld, Ben zu unterbrechen. Er sagte etwas von Beruf und Selbstverständlichkeit und keine große Sache, aber Ben ließ sich nicht beirren.
»Sollte man nicht trotzdem danke sagen, wenn man Dankbarkeit empfindet?«, entgegnete er. »Was wären wir hier auf dem Land ohne unseren Doktor!«
Zustimmendes Nicken und Applaus der Gäste begleiteten diese Worte. Traudel strahlte über das ganze Gesicht. Diese Anerkennung hatte ihr Bub wirklich verdient! Ihr Blick suchte den des älteren Arztes, und ihr Herz weitete sich, als sie das glückliche Lächeln Benedikts sah. Sie las seine Gedanken in seinen Augen: nun war sein Sohn wirklich in seiner Heimat angekommen.
»Und wie sehen nun eure neuen Pläne aus? Wie geht es denn weiter mit euch und dem Ebereschenhof?«, brachte Lisa sich ins Spiel. Ohne ihr Lächeln zu verlieren, aber innerlich leicht beunruhigt beobachtete sie den tiefen Blick, den Ben und Marie mit einander tauschten.
»Wie die Pläne für den Hof aussehen, das wissen wir noch nicht genau, daran arbeiten wir noch«, sagte Ben. »Zuerst konzentrieren wir uns auf ein großes Ereignis, zu dem ihr alle eingeladen seid. So bald wie möglich feiern Marie und ich unsere Hochzeit!«
Diese Neuigkeit wurde mit neuem Applaus und vielen Glückwünschen begrüßt. Das Paar hatte für diese Gelegenheit Champagner kalt gestellt, und man stieß auf eine glückliche Zukunft an.
Dass in Maries Glas anstelle des edlen Tropfens Apfelschorle perlte, fiel nur Traudel auf. Sie behielt ihre Beobachtung für sich und lächelte.
Lisa spielte die freudig aufgeregte Freundin. Nein, was war das aber plötzlich gekommen! Wie spannend das doch alles ist! War der Antrag romantisch? Wie sah der Ring aus? Welches Kleid würde die Braut anziehen?
Marie ließ die Fragen um sich herum flattern und antwortete mit einem Lächeln. »Siehst du, alles ist gut geworden! Es ist wirklich so, wie du gesagt hast: ich muss mir nicht mit unnötigen Gedanken das Herz schwer machen.«
Oh, das würde ich keineswegs so sagen, du strahlendes Glückskind! Das hier ist noch lange nicht zu Ende, Hochzeit hin oder her!, dachte Lisa giftig. Natürlich sagte sie das nicht laut, sondern stieß mit allen auf den schönen Anlass an, lachte, tanzte und verbarg ihr armseliges, neidisches Herz.
Als sich die Dämmerung über das Land senkte, flammten die Kerzen in den Windlichtern auf und beleuchteten den duftenden Garten und die feiernden Menschen. Liebevoll zog Benjamin Marie in seine Arme. Die beiden blieben eng an einander geschmiegt in der warmen Dämmerung stehen und genossen den Anblick ihres lebendigen Zuhauses. Alt und Jung saß zusammen, und zumindest für diese wundervollen Stunden waren sie alle Teil ihres gemeinsamen Lebens.
»Was uns die Zukunft wohl bringen mag?«, fragte Marie träumerisch. Ihr Gesicht zeigte keine Zweifel oder Ängste, es war von tiefem Frieden erfüllt.
Ben streichelte ihre Wange und barg dann ihren Kopf an seiner Brust. »Das Leben«, beantwortete er Maries Frage. »Liebe. Und unser Kind. Was könnten wir noch mehr vom Schicksal erbitten?«
»Nichts!«, antwortete sie aus tiefster Seele. »Gar nichts!«
Und genau in diesem Augenblick glitt eine Sternschnuppe über den Himmel. Sie zeichnete einen eleganten Bogen in das Dunkel der Nacht, und ihr goldenes Schimmern leuchtete wie ein freundlicher Gruß aus der Unendlichkeit.
- E N D E -
Der Weg hinaus zur Imkerei Gärtner wand sich durch blühende Wiesen stetig den Berg hinauf, bis das Haus hinter einer Tannenreihe auftauchte. Es stand inmitten eines Gartens mit wilden Blumen, hatte drei Zimmer im Erdgeschoss, einen Dachspeicher und einen flachen Anbau, in dem die Imkerei untergebracht war. Die roten Fensterläden und die rote Haustür waren frisch gestrichen und glänzten in der Sonne. In den Blumenkästen blühten bunte Chrysanthemen, die aus Holz gezimmerte Veranda neben der Tür war sauber gefegt.
Susanne Gärtner, die das Haus und die Imkerei von ihrem Großonkel geerbt hatte, ging wie jeden Morgen nach dem Aufwachen in den Garten hinaus. In ihrem langen silberfarbenen Nachthemd und mit offenem