Der neue Landdoktor Paket 1 – Arztroman. Tessa Hofreiter

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Der neue Landdoktor Paket 1 – Arztroman - Tessa Hofreiter


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annimmst, von dem Niklas gesprochen hat, dann bist du sogar vier Wochen fort.«

      »Eben! Und weil das leider so ist, nehme ich dir alles ab, wenn ich zu Hause bin!«, beendete er die Diskussion, drückte einen Kuss auf Maries Bauch und ging, um die Jacke zu holen.

      Marie kuschelte sich ergeben in ihren Sessel und lächelte. Eigentlich war es doch wunderschön, so umsorgt zu sein! Wieviel schlimmer wäre es, wenn ihr Mann das Familienleben in gewohnter Weise weiterführen würde, und die Schwangerschaft nur eine hübsche Randerscheinung wäre. Hauptsache, das Essen steht pünktlich auf dem Tisch, und im Schrank hängen gebügelte Hemden!

      »Wenn du dich manchmal etwas überbehütet und bevormundet fühlst, dann hast du ein Luxusproblem, meine Liebe!«, ermahnte sie sich selbst. Und als Ben nicht nur mit ihrer Strickjacke, sondern noch mit einer Schale schwarzer, zuckersüßer Brombeeren auf Joghurteis zu ihr ins Wohnzimmer zurückkehrte, fühlte Marie sich verwöhnt wie eine Königin.

      Als ihr Mann sich neben sie setzte, spürte er den Brief in seiner Hosentasche knistern. Den dritten scharlachroten Brief ohne Namen.

      Bens Gedanken drehten sich im Kreis.

      Als der zweite Brief eingetroffen war, hatten sie gerade einen Termin bei Doktor Seefeld hinter sich. Maries Blutdruck ging in die Höhe, nicht besorgniserregend, aber es musste im Auge behalten werden. Der Arzt empfahl gemäßigte Bewegung an frischer Luft, und vor allen Dingen sollte jeder Stress vermieden werden.

      Innerlich verfluchte Ben die Situation, er hasste es, ein Geheimnis vor Marie zu haben! Äußerlich bewahrte er Ruhe, kochte Kräutertee aus Mistel, Melisse und Weißdorn und ließ seine Frau, soweit seine Arbeit es erlaubte, nicht aus den Augen.

      Aber natürlich beunruhigten ihn die Briefe. Ben schwankte zwischen dem Wunsch, es möge sang- und klanglos wieder aufhören, dann müsste man jetzt nicht darüber reden. Oder der Möglichkeit, die Schreiberin aufzuspüren und ihr gehörig die Hölle heißzumachen! Um nach möglichen Hinweisen suchen zu können, hatte er den zweiten Brief nicht vernichtet, sondern ganz hinten in der untersten Schreibtischschublade versteckt. Dann herrschte eine gewisse Zeit Ruh und Ben dachte schon, der Spuk sei vorbei, aber heute war der dritte Brief gekommen.

      Und nun?

      Benjamin öffnete gerade seinen Mund, um Marie von den hässlichen Briefen zu erzählen, als seine Frau tief aufseufzte und sagte: »Weißt du, was, mein Schatz? Ich lasse mir jetzt ein herrliches Schaumbad ein und lege mich vorm Schlafengehen noch ganz entspannt in die Wanne. Du wolltest dir doch sowieso noch im Fernsehen den Film über das Projekt in Norwegen angucken, bei dem Niklas mitmacht. Mich interessiert es zwar auch, aber ich glaube, heute Abend fühle ich mich in der Wanne wohler als im Sessel.«

      »Gute Idee.« Ben ging mit seiner Frau nach oben und ließ ihr ein entspannendes Bad ein, während sie sich im Schlafzimmer auszog und ihr Bettzeug bereit legte. Dann dämpfte er das Licht, zündete Kerzen an und half seiner wunderschönen Frau in die Wanne. Auf einen Stuhl in Reichweite stellte er einen Teller mit Apfelsinenspalten und den Eistee, den Marie so gerne trank, dann schaltete er leise Musik an. »Brauchst du noch etwas, mein Schatz?«, fragte er.

      »Bin wunschlos glücklich!«, schnurrte Marie. »Ich fühle mich verwöhnt wie Königin Kleopatra.«

      Ben küsste ihre zarte Schulter, die seidig-feucht glänzend aus dem Schaum heraus ragte. »Königin Kleopatra war nur schön«, sagte er, »aber du bist schön und schwanger. Da kannst du wohl einen besseren Service erwarten als eine ägyptische Königin.«

      »Ach, Ben!« Marie legte ihre Hände um sein Gesicht und schaute ihn voller Liebe an. »Manchmal kann ich gar nicht an das große Glück glauben, das mir einen so wundervollen Mann geschenkt hat.«

      »Das solltest du aber!«, antwortete Ben unerwartet ernst. »Solange ich lebe, gehöre ich an deine Seite, Marie!«

      »Ich weiß!« Die junge Frau schwieg einen Augenblick. Sie suchte nach den richtigen Worten, um erklären zu können, was sie tief im Inneren empfand. »Ich genieße es, schwanger zu sein, es ist ein unbeschreibliches Gefühl. Aber gleichzeitig habe ich oft auch Angst, Ben. Vor der Welt da draußen. Es gibt so viel Schlimmes und Gemeines, und ich fühle mich oft so verwundbar. Wenn ich in der Zeitung das Bild von dem angefahrenen Reh sehe, das jetzt in einer Wildtierstation wieder aufgepäppelt wird, dann muss ich weinen.« Ihre Augen schwammen bereits in Tränen, und gleichzeitig versuchte sie zu lachen. »Siehst du? Sogar jetzt, wo ich nur darüber rede, weine ich schon los. Ich weiß, das ist ein bisschen komisch und es sind nur die Hormone, die mich so empfindlich machen. Es wird sich ja auch wieder ändern.

      Aber jetzt bin ich froh, dass ich hier in unserer heilen Welt leben kann. Unsere Liebe ist wie ein Mantel, der mich gegen alles Bedrohliche von außen beschützt. Das ist so schön, Ben, und ich bin dir sehr dankbar dafür. Ich weiß, dass du alles tust, damit unser Leben und unser Zuhause ein sicherer Hort inmitten der geschäftigen Welt bleibt.«

      Zum ersten Mal konnte Benjamin den Blick ihrer klaren Augen kaum ertragen. Er beugte sich vor und küsste Marie, dann vergewisserte er sich noch einmal, dass sie alles in Reichweite hatte, was sie brauchte, und ging aus dem Badezimmer.

      Bei jedem Schritt knisterte der scharlachrote Brief in seiner Tasche kaum wahrnehmbar, aber für ihn hörte es sich lauter an als das wilde Lodern eines zerstörerischen Feuers.

      Benjamin ging hinunter in sein kleines Büro, schloss die Tür, setzte sich an seinen Schreibtisch und öffnete den Brief. Dieser schien länger zu sein als die beiden vorherigen.

      Mein geliebter Ben,

      in Gedanken bin ich bei dir und küsse Deine Lippen, Deinen Hals, Deine Brust. Ich liege auf Dir, mein prächtiger, starker Mann, und ich trage nichts außer meiner heißen Haut, und du hast …

      Der Brief schilderte sehr ausführlich und äußerst deutlich die Praktiken des Liebesspiels, das angeblich zwischen der unbekannten Briefschreiberin und Ben stattgefunden hatte. Es stieß ihn ab, das zu lesen! Seine Frau und er teilten in der Liebe eine tiefe, innige Intimität, die wunderschön war und niemanden außer sie als Paar etwas anging. Jetzt tat die Schreiberin so, als sei die Unbekannte selbst Teil dieser Verbindung geworden, und allein dafür hätte Ben ihr schon den Hals umdrehen können! Dass eine Fremde mit ihren Gedanken versuchte, Marie auszulöschen und sich selbst und Benjamin als Paar beschrieb, verletzte ihn und machte ihn unheimlich wütend! Und wenn er schon so fühlte, wie würde es dann Marie damit ergehen!

      Aber es sollte noch schlimmer werden! Nachdem die Unbekannte aufgehört hatte, die körperliche Liebe zu schildern, ergoss sie Bosheit und Häme über Marie!

      Geliebter, ich würde verrückt werden, wenn ich nicht wüsste, wie Du zu mir stehst! Aber weil ich weiß, wie Du über Deine dicke, langweilige Frau denkst, kann ich die Stunden unserer Trennung überstehen. Immer wieder denke ich daran, wie wir im Bett liegen und über Deine Hochzeit lachen. Wie ernst Dein Frauchen im biederen Dirndl den ganzen Quatsch genommen hat! Ist das herrlich! Und Du als »liebender Ehemann“ stehst daneben und siehst unglaublich heiß aus und ich weiß genau, was Du denkst …, ja, mein Starker, genau das werden wir tun, wenn wir uns wieder treffen!

      Wie dumm Marie ist, so dumm, einfältig und langweilig! Du verdienst einen Orden, weil Du bis zur Geburt bei der fetten Langweilerin aushältst! Und wenn sie dann den Ebereschenhof verkaufen muss, weiß ich, wie wir den Preis in die Höhe treiben können, damit wir ein ordentliches Stück vom Kuchen abbekommen. Das ist dann die Entschädigung für die Zeiten, in denen wir aufeinander verzichten mussten!

      Marie sieht jetzt schon aus wie eine aufgeplusterte Glucke, die auf ihrem Nest hockt. Sie bekommt die Gören, und ich bekomme Dich – jetzt rat‘ doch mal, wer den besseren Teil erwischt? Lass uns feiern, wenn wir uns das nächste Mal treffen! Wir lachen sie aus, »die ahnungslose, dämliche graue Maus mit ihrem dicken Bauch«, wie Du sie immer nennst. Wir lachen zusammen und sagen schmutzige Sachen über sie und haben hemmungslosen, wilden Sex, bald, bald, bald!

      DEINE EINZIGE

      Benjamin zerknüllte den Brief und hieb mit der geschlossenen Faust auf den Tisch. »Himmel, hilf!«, knirschte er zwischen zusammengepressten


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