Der neue Landdoktor Paket 1 – Arztroman. Tessa Hofreiter

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Der neue Landdoktor Paket 1 – Arztroman - Tessa Hofreiter


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antwortete Ben bitter. »Diesen Schaden können wir nicht mehr auffangen.«

      Emilia schaute mit großen Augen auf das schwarze Loch in der Decke und auf Ben, der die leise weinende Marie in seinen Armen hielt. »Ich – ich lass euch jetzt lieber mal allein, ihr habt bestimmt viel zu besprechen oder so«, stammelte sie hilflos.

      Ben nickte dankbar. »Wir telefonieren bald, in Ordnung?«

      »Ja!« Unsicher strich Emilia der jungen Frau über die Schulter. »Ich fahr dann jetzt. Und – und darf ich zu Hause erzählen, was hier los ist? Oder wollt ihr lieber, dass das unter euch bleibt“

      »Natürlich darfst du das.« Marie wischte sich die Tränen von den Wangen, und ihr gelang ein kleines Lächeln. Die Umsicht und Rücksichtnahme des Mädchens taten ihr gut. »Ihr seid doch unsere Freunde. Es wird gut tun, mit euch darüber zu sprechen. Wir sehen uns bald.«

      »Also, bis dahin!« Bedrückt machte Emilia sich auf den Heimweg.

      *

      Marie lehnte sich haltsuchend gegen Bens Brust. Ihre Augen glitten noch immer fassungslos über das Werk der Zerstörung, das die Feuchtigkeit angerichtet hatte. »Was – was wird denn nun? Ist denn überhaupt noch irgendetwas von der Balkenkonstruktion zu retten?«, fragte sie mutlos.

      »Das weiß ich noch nicht genau, ich muss erst den Rest freilegen. Aber was ich bisher gesehen habe, macht mir keine große Hoffnungen.« Müde beugte er seinen Kopf zu Marie herab und sagte mit einem kleinen, zärtlichen Lächeln: »Komm, lass uns hier herausgehen. Die Luft ist voller Schimmelsporen, und es ist nicht gut für dich und die Kinder, wenn du dieses giftige Zeug einatmest. Mach uns doch bitte einen Kaffee, während ich dusche und mich umziehe. Wir setzen uns zusammen hin und verdauen erstmal diesen Schock. Und danach machen wir uns allem zum Trotzt einen gemütlichen Abend! Nur du und ich und gemütliche Zweisamkeit. Für die Sorgen ist dann der nächste Tag da.«

      »Mein kluger Mann«, lächelte Marie und fühlte sich bereits etwas getröstet. Arm in Arm ging das Paar ins Haus hinüber.

      Bevor Benjamin sich zu seiner Frau in die Stube setzte, ging er in sein Büro, um die Post des Tages durchzusehen: Rechnungen, Angebote zweier Firmen für neue Kreissägen, eine Nachricht seines Freundes Niklas, der zur Zeit in Norwegen lebte.

      Und ein Brief in einem scharlachroten Umschlag, der keinen Absender trug.

      Ben öffnete ihn und zog einen Briefbogen hervor, der in einem ebenso tiefen, sündigen Rot leuchtete. Schon als er die Anrede gelesen las, runzelte Ben irritiert die Stirn.

      Mein heiß geliebter, einziger Ben,

      du weißt, wie sehr ich Dich vermisse! Die letzten Stunden unserer Liebe brennen auf meinem Körper und in meiner Seele. Ich bin hungrig, gierig nach dir, mein Geliebter, und ich werde niemals genug haben von unserer heißen Liebe. Ich zähle die Minuten bis zu unserem nächsten Wiedersehen, dem nächsten heimlichen Treffen. Es ist doppelt und dreifach erregend, weil niemand außer uns weiß, was wir zusammen treiben! Komm schnell, mein Geliebter, ich erwarte dich!

      Und, Ben, ich bin nackt, während ich Dir schreibe …

      DEINE EINZIGE

      Fassungslos ließ Ben den Brief sinken.

      Wer schrieb ihm diesen Mist? Es gab weder einen Absender noch einen Namen als Unterschrift. Was hatte dieser sehr intime, anonyme Liebesbrief zu bedeuten? War er ein schlechter Scherz? Ein Versehen? Das schien eigentlich unmöglich, sein Name und die Anschrift stimmten. Aber wer sollte ihm solche Zeilen schicken und vor allem: Warum?

      Ratlos drehte Ben den Brief in seinen Händen. Was sollte er jetzt damit anfangen? Sein erster Impuls war, ihn Marie zu zeigen. Er hatte keine Geheimnisse vor ihr und wusste, dass sie sich alles sagen konnten. Aber dann dachte er daran, wie erschüttert sie von dem Zustand des Stalles gewesen war, und dass sie gerade erst zu ein wenig innerlicher Ruhe zurückgefunden hatte. Sollte er sie jetzt mit diesem Wisch aus ihrem brüchigen Frieden aufstören? Sollte er ihren Seelenfrieden mit einem anonymen Brief trüben? Ben wusste, dass dieser so genannte Liebesbrief nur haarsträubender Blödsinn war und dass Marie es ebenso sehen und ihm vertrauen würde. Aber er wusste auch, dass die schamlosen Worte sie verletzen würden. Ihre tiefe Liebe gehörte nur ihnen, und ihre Intimität verband nur sie zwei. Niemand außer ihnen hatte das Recht, darüber zu sprechen.

      Musste sie erfahren, dass jemand versuchte, sich dazwischen zu drängen? Sollte er sie beunruhigen ohne zu wissen, wer oder was sich hinter diesen Zeilen verbarg? Wäre es nicht besser, diesen Wisch einfach zu ignorieren?

      Einen Augenblick noch war Benjamin unschlüssig, dann nahm er den Brief und zerriss ihn sehr sorgfältig in viele, winzige Schnipsel, die er umsichtig in seinem Papierkorb unter anderem Papiermüll versteckte. Von diesem Blödsinn, den sich irgendjemand ausgedacht hatte, würde er weder Marie noch sich selbst den Abend verderben lassen. Sie hatten, weiß der Himmel, ganz andere Sorgen!

      *

      Emilia saß bedrückt am Abendbrottisch. Sie war schweigsam, aber es war ein anderes Schweigen als das eines mürrischen Teenagers.

      »Geht es Marie gut?«, fragte Doktor Seefeld. »Du siehst etwas besorgt aus, Emmchen.«

      »Doch, Papa, mit Marie und den Babys ist alles in Ordnung. Sie war richtig gut drauf heute Nachmittag. Aber dann hat Ben bei den Arbeiten im Stall entdeckt, dass dort alle Balken total verrottet sind. Mann, hat das übel gerochen und eklig ausgesehen! Alles schwarz und faulig und gammelig. Und es muss wohl was ganz Schlimmes sein, das sie nicht reparieren können, denn Ben hat gesagt, das ist jetzt das Aus, und Marie hat so geweint.«

      Traudel und Doktor Seefeld wechselten einen bestürzten Blick. Wenn ein so positiv denkender Mann wie Benjamin, der außerdem Holzfachmann war, so etwas sagte, war die Lage wirklich ernst.

      Traudel streckte ihre Hand aus und strich Emilia liebevoll über die Schulter. »Es tut mir leid, dass ich jetzt weg muss«, sagte sie bedauernd, »aber ich bin mit Regina zum Kino verabredet. Sie hat bereits die Karten, und ich muss los. Aber wenn ich etwas tun kann, dann sagst du’s mir sofort, gell? Was auch immer dort draußen los ist, die Lauterbachs können sich auf uns verlassen.«

      »Danke, Traudel, und viel Spaß euch beiden im Kino«, antwortete Emilia. Ihr war schon ein wenig leichter ums Herz, seitdem sie über das Dilemma auf dem Hof erzählen konnte.

      »Aber warum hat Ben gesagt, es ist das Aus für sie? Warum kann er nicht einfach neue Balken einziehen?«, wandte Emilia sich an ihren Vater.

      »Ich weiß es nicht«, antwortete Sebastian. »Vielleicht wird das Bauvorhaben dann zu umfangreich und zu teuer? Und vielleicht bekommen sie andererseits Probleme, wenn sie es nicht tun, und das Gästehaus eröffnen, um damit Geld zu verdienen? Sie sind bald zu viert, und das Leben ist teuer.«

      »Können sie denn nicht zur Bank gehen und sich Geld leihen? Damit wird doch immer geworben. Wenn du etwas haben möchtest, und du hast nicht genug Geld, dann leiht es dir die Bank, das geht ganz schnell und problemlos«, sagte Emilia.

      »Schnell schon, problemlos allerdings nicht«, antwortete ihr Vater ernsthaft. Er lehnte sich zurück und erklärte seiner heranwachsenden Tochter die Zusammenhänge von Krediten, Zinsen und Ratenzahlungen und den möglichen Fallen, in die viele Menschen dadurch gerieten.

      Emilia hörte konzentriert zu und seufzte dann tief auf. »Mensch, Papa, das Erwachsenenleben ist aber ganz schön kompliziert!«, meinte sie.

      »Ja, manchmal schon«, gab ihr Vater zu. »Aber wenn man nicht allein ist, wenn man einen guten Partner hat, so wie Ben und Marie, dann hilft das sehr und macht alles leichter.«

      Über das junge Gesicht seiner Tochter glitt ein Schatten. »Aber, Papa, wie ist es denn dann für dich? Mama ist doch nicht mehr bei dir.«

      Sebastian musste schlucken, so tief berührte ihn Emilias Einfühlungsvermögen. »In Gedanken ist Mama bei mir«, antwortete er leise, »und oft rede ich mit ihr. Das hilft auch. Und außerdem bin ich ja nicht allein. Ich habe dich und meinen Vater und Traudel, und ihr helft mir unglaublich viel!«

      Emilias


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