Der neue Landdoktor Paket 1 – Arztroman. Tessa Hofreiter

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Der neue Landdoktor Paket 1 – Arztroman - Tessa Hofreiter


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seufzte glücklich und suchte jetzt in einem gemäßigteren Tempo ihre Sachen zusammen. Wie sehr sie Bens Fürsorge liebte! Er achtete auf alles, was sie tat oder tun wollte, sprach mit ihrem Ungeborenen und hatte ihm den Namen Fragezeichen gegeben. Beide hatten entschieden, sich vom Arzt das Geschlecht ihres Kindes nicht mitteilen zu lassen; erst bei der Geburt wollten sie wissen, ob ihnen ein Mädchen oder ein Bub geschenkt worden war. So war es einfach ihr kleines Fragezeichen, das schon vor der Geburt von der Liebe seiner Eltern getragen wurde.

      Heute war ein weiterer Vorsorgetermin fällig, zu dem Marie nicht zu ihrer Hebamme Anna gehen würde, sondern zu Doktor Seefeld. Allein hätte Anna sich das teure Ultraschallgerät nicht leisten können, es wäre durch ihre Patientinnen auch gar nicht ausgelastet gewesen. Daher teilte sie sich das Gerät mit Sebastian Seefeld in dessen Praxis.

      Marie und Ben nahmen im Wartezimmer Platz. Außer dem jungen Paar saß nur noch eine ältere Frau in dem hellen, freundlich eingerichteten Raum und blätterte gelangweilt in den Zeitschriften. Es war Afra, die einen Kiosk betrieb und außerdem als Kellnerin im Biergarten arbeitete, sie war sozusagen die Nachrichtenzentrale Bergmoosbachs.

      »Grüß Gott!«, sagte sie, und sofort nahmen ihre Augen Maries Figur in Augenschein. Dass diese jungen Frauen aber auch keine weiten, wallenden Umstandskleider mehr trugen! Nein, eng und figurbetont musste es auch in der Schwangerschaft sein, sodass das Bäuchlein für jedermann sichtbar war. Und überhaupt – erst ein Baby machen und danach heiraten, was war das für ein Verfall der guten Sitten!

      Aber spannend war’s schon!

      »Na, Marie, wie geht’s denn? Es soll ja so eine schöne Hochzeit gewesen sein, hab ich gehört«, eröffnete Afra das Gespräch. »Und wann kommt nun das Kleine?«

      Ben legte den Arm um die Schultern seiner Frau. »Das dauert noch«, antwortete er ruhig.

      Das war auch wieder etwas, das Afra missbilligte: Dass die Mannsleute mitkamen, wenn es zur Hebamme und zum Doktor ging. Mal ganz abgesehen davon, dass sie unverheiratet und selbstverständlich kinderlos war –, so etwas wäre bei ihr nie in Frage gekommen!

      »Wie geht es denn nun weiter bei euch auf dem Ebereschenhof? Mit dem Kind wird es wohl nichts werden mit dem Umbau?«, fragte Afra ungeniert weiter.

      Ben und Marie wechselten einen Blick. Die ältere Frau hatte ein schwieriges Thema angesprochen, das ihnen Kopfzerbrechen bereitete. Wäre Marie alleine geblieben, hätte sie wie geplant das erste Stockwerk ihres Hauses in Gästeappartements umwandeln können. Nun wurde es knapp, sie brauchte den Platz für ihre eigene Familie, und Ben und sie mussten neu überlegen.

      Marie verschränkte ihre Finger mit denen von Ben. »Das wird schon!«, antwortete sie zuversichtlich.

      »Und wie?«, bohrte Afra weiter. Ihr Blick richtete sich anzüglich auf Maries Bauch. »Wo ihr doch jetzt mehr Platz braucht! So kurz nach der Hochzeit!«

      »Wenn unsere Gäste an deinem Kiosk ihre Zeitungen kaufen, kannst du sie ja fragen, wie es auf dem Ebereschenhof geworden ist«, sagte Marie freundlich.

      Auch diese diplomatisch verpackte Abfuhr hätte Afra nicht von weiteren Fragen abgehalten, aber jetzt öffnete sich die Tür, und Lisa trat ein. Auf ihrer linken Hand ruhte ein umhülltes Kühlkissen, und sie trug eine äußerst wehleidige Miene zur Schau.

      Als sie sah, wer im Wartezimmer saß, setzte sie sich sofort neben Ben und Lisa und belegte sie mit Beschlag. »Habt ihr überhaupt eine Ahnung, wie gefährlich mein Beruf ist?«, klagte sie mit ihrer Klein-Mädchen-Stimme, die jetzt auf weinerlich gestellt war. »Alle diese Chemikalien zum Haarefärben, zum Beispiel, und denn erst die Elektrogeräte! Eben habe ich mich so furchtbar an einem Lockenstab verbrannt! Wenn ihr nur wüsstet, wie höllisch weh das tut!« Unaufgefordert hob sie das Kühlkissen an und hielt Ben und Lisa ihre Hand vor die Augen.

      Durch ihre Worte beunruhigt, erwarteten sie Verbrennungen dritten Grades zu sehen, deshalb dauerte es einen Augenblick, bis sie erkannten, worüber Lisa gesprochen hatte: Über den Handrücken verlief ein hellrosa Streifen, so blass, das er kaum auffiel. Offenbar war Lisa hier mit dem heißen Lockenstab in Kontakt gekommen und hatte sich eine leichte Hautreizung zugezogen.

      »Hm, ja, ich sehe. Im wahrsten Sinne des Wortes: Brandgefährlich!«, sagte Ben mit todernster Miene.

      »Gell, du verstehst mich!«, schnurrte Lisa und rückte noch näher an ihn heran. »Kommst du …« Ihr Satz wurde durch Sebastian Seefeld unterbrochen, der seine Tür öffnete und den nächsten Patienten in sein Sprechzimmer bitten wollte. Lisa sprang auf die Beine und hielt ihm ihre Hand entgegen. »Ich bin ein Notfall, Doktor, Sie müssen mich sofort versorgen!«

      Sebastian Seefeld stutzte, warf Marie und Ben einen kurzen, entschuldigenden Blick zu und schaute dann auf Lisas Hand. Er unterdrückte einen Seufzer. »Das ist alles andere als ein Notfall, Frau Ecker! Das ist noch nicht einmal eine Verbrennung ersten Grades. Wenn Sie ernsthaft wollen, dass ich mir das ansehe, dann setzen Sie sich bitte und warten, bis Sie an der Reihe sind. Jetzt kommen bitte Frau und Herr Lauterbach mit mir!« Der Doktor führte das junge Paar in sein Sprechzimmer und bevor er die Tür schloss, wandte er sich noch einmal zu Lisa um: »Und versuchen Sie, nicht zu kollabieren, während ich die anderen Patienten untersuche!«

      Verdattert starrte Lisa die geschlossene Tür an. »Hä? Ich soll was nicht?«

      »Zusammenbrechen!«, erklärte Gertrud über den Empfangstresen hinweg. »Das kann manchmal vorkommen bei so schweren Verletzungen.«

      »Aber …, was …«, stammelte Lisa mit weit aufgerissenen Augen.

      Gertrud erkannte, dass Bergmoosbachs Starfriseurin den Scherz überhaupt nicht verstanden hatte und sagte kopfschüttelnd: »Nun setz dich halt hin, ich werd‘ schon ein Auge auf dich haben!«

      Lisa setzte sich neben Afra, und sofort entspann sich ein reger Austausch über alle größeren und kleineren Verletzungen, welche die Damen jemals hatten erleiden müssen.

      *

      Nach einem Gespräch und den üblichen Untersuchungen lag Marie auf der Liege neben dem Ultraschallgerät. Sie war so aufgeregt, denn endlich würde sie ihr Baby sehen! Ben stand neben ihr, und sein Herz pochte mindestens genau so schnell wie ihres.

      Die Hebamme und Doktor Seefeld hatten im Vorfeld eine Besprechung wegen Maries Schwangerschaft abgehalten. Anna war bei ihrer letzten Untersuchung etwas aufgefallen, was sie abklären wollte. Arzt und Hebamme warteten heute ebenso gespannt wie die jungen Eltern auf das Ergebnis dieser Untersuchung.

      Marie fühlte die Kälte des Gels und den leichten Druck, mit dem der Arzt den Schallkopf über ihren Bauch gleiten ließ. Der Bildschirm stand noch so, dass sie ihn nicht einsehen konnte, gleich würde Doktor Seefeld ihn zu dem Paar umdrehen. Die junge Mutter wartete mit großer Aufmerksamkeit und drückte Bens Hand vor Spannung.

      »Siehst du? Hier und hier«, sagte Hebamme Anna leise zu dem Arzt.

      Sehr konzentriert bewegte er den Schallkopf, neigte ihn, setzte ihn erneut an einer anderen Stelle an. Es kam Marie so vor, als dauerte diese Untersuchung länger als die vorherige. Beunruhigt runzelte sie die Stirn. Der Arzt schien mehr als gründlich vorzugehen, und warum deutete er wiederholt auf den Bildschirm? Und warum nickte Anna bestätigend, und warum murmelten die beiden unverständliche lateinische Begriffe?

      »Stimmt etwas nicht?«, fragte Marie mit einer ganz fremden Stimme, die viel zu hoch und dünn klang. Sie hatte plötzlich entsetzliche Angst!

      Aber sowohl Arzt als auch Hebamme schauten sie freundlich lächelnd an. »Nein, es ist alles in bester Ordnung!«, beruhigte sie Doktor Seefeld sofort. »Meine Kollegin und ich haben nur etwas abgeglichen, das wir gesehen haben.« Er drehte den Bildschirm so, dass Marie und Ben ihn sehen konnten, und betätigte einen Regler am Gerät. »Und jetzt wollen wir uns mal anhören, was dein Bauch zu erzählen hat.«

      Er hatte den Lautsprecher eingeschaltet, und das seltsam fauchende und schwappende Geräusch, das der Schallkopf auffing, wurde laut in den Raum übertragen. Und dann kam es! Ein sehr schnelles, rhythmisches Geräusch, wie ein rasches Pochen, das durch das Fruchtwasser verfremdet klang;


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