Der neue Landdoktor Paket 1 – Arztroman. Tessa Hofreiter
Читать онлайн книгу.beobachtete sie das junge Paar und spann ein dunkles Netz, mit dem sie die Liebe von Marie und Ben zu Fall bringen wollte.
*
Leuchtender Sonnenschein geleitete das Brautpaar durch seinen Hochzeitstag. Als Marie fertig geschmückt vor dem Spiegel stand, konnte sie kaum an das glauben, was sie dort sah. Diese junge Frau, strahlend vor Glück und erfüllter Liebe, sollte sie sein?
Die junge Frau trug ein wadenlanges Dirndl in wunderschön harmonierenden Grün- und Lila-Tönen. Dezente weiße Doppelpünktchen, die in den Stoff eingewebt waren, unterstrichen das traditionelle Aussehen des Kleides. Miederhaken und Kette aus feinem Silber verzierten das Oberteil. Die festliche Eleganz dieses Dirndls wurde durch einen eleganten Stehkragen unterstrichen, der sich um Maries zarten Nacken schmiegte. Vervollständigt wurde das Kleid durch eine weiße Dirndlbluse aus feinster Baumwolle mit zierlichen Spitzenkanten.
Ihre dunklen Haare waren in einer Flechtfrisur sanft aus dem Gesicht geführt und im Nacken zu einem weichen, lockigen Knoten zusammengesteckt. Winzige cremefarbene Rosenblüten schimmerten zwischen den einzelnen Haarsträhnen.
»So ist es richtig, gell, Mama? So hast du es dir für mich gewünscht«, flüsterte Marie. Sie schickte ein Lächeln hinauf zu ihren Eltern in die Ewigkeit. »Ich weiß, dass ihr heute bei mir seid.«
Dann griff sie nach ihrem Brautstrauß, einem kleinen, wunderhübschen Kunstwerk aus cremefarbenen Rosen, zartem Frauenmantel, grünem Blattwerk und grünen Brombeeren, die erst kurz davor standen, ihren tiefdunklen Farbton zu entwickeln. Alles passte perfekt zu den Farben ihres Dirndls.
Als es an der Tür klopfte, drehte sie sich tief ausatmend zu ihrem Mann um und schaute ihm lächelnd entgegen. Benjamin war sprachlos von ihrem Anblick. Dieses wunderschöne Wesen war seine Frau! Die Frau, mit der er sein Leben teilte, seine Gefährtin am Tag und in der Nacht. Und die Hüterin ihres größten Schatzes: Sie trug ihr Kind unter dem Herzen.
Er konnte nichts gegen die Tränen tun, die in ihm aufstiegen. Der Gedanke, dass sie jetzt eine Familie waren, berührte ihn in der Tiefe seiner Seele. Er nahm ihre Hand und schaute sie mit einem Blick an, in dem sein ganzes Herz lag.
»Sind wir bereit, Marie?«, fragte er leise.
Seine tiefe, zärtliche Stimme und sein vertrauensvoller Blick hüllten Maries ganzes Wesen ein, und sie antwortete: »Ja, wir sind bereit, Benjamin!«
Seite an Seite gingen sie die Treppe hinunter zu den wartenden Freunden. Eine niedliche, aufgeregte Brautjungfer geleitete sie zu der mit Blumen geschmückten Kutsche, und der Brautzug setzte sich in Bewegung.
*
Abends erstrahlten auf dem Ebereschenhof Haus und Garten im Licht vieler Kerzen. Die Gäste saßen an weiß gedeckten Tischen oder bewegten sich zwanglos zwischen den Räumen innen und dem duftenden Garten. Es wurde getanzt und gelacht, man hielt zwei, drei herzliche Reden auf das Glück des Paares, dessen Liebe und Verbundenheit mit Händen zu greifen war. Sowohl Marie als auch Ben hatten keine nahen Familienangehörigen mehr und freuten sich von Herzen über den Kreis der Freunde, die ihnen Familie geworden waren.
Benedikt Seefeld tanzte wie ein Brautvater mit Marie, die er gerührt anschaute. »Wo ist denn nur die Zeit geblieben? Es war doch gerade erst gestern, dass du hier geboren wurdest und später als kleines Mädchen an der Hand der Mutter in meine Praxis getrippelt kamst.«
»Ja, die Zeiten ändern sich«, lächelte Marie ihren väterlichen Freund an. »Und vieles bleibt gleich. Du weißt ja, Benedikt. Es dauert gar nicht mehr lange, und dann kommt wieder ein kleines Mädchen oder ein kleiner Bub an der Hand der Mutter in eure Praxis.«
»Ich freue mich sehr für euch!« Der ältere Mann strahlte übers ganze Gesicht. »Ihr könnt es sicher kaum erwarten. Wann ist es denn soweit?«
»Na ja, ein bisschen Zeit haben wir noch«, sagte sie und schaute hinunter auf ihren Bauch, der sich so schön und verheißungsvoll unter ihrem seidenen Schürzenband wölbte. »Zur Adventszeit wird es wohl kommen.«
»Jetzt, da du es sagst …«, schmunzelte Benedikt. »Ich als alter Arzt hätte es eigentlich erkennen müssen. Wo hatte ich nur meine Augen?«
»Dirndl sind eben sehr kleidsam mit ihren weiten Röcken und Schürzen«, lachte Marie. Sie tanzte aus den Armen Benedikt Seefelds in die seines Sohnes Sebastian und von ihm wieder an die Seite ihres Mannes. Mit allen Sinnen genoss sie ihren Ehrentag und war die strahlende Königin dieses Festes.
Auch Lisa hatte sich für die Hochzeitsfeier geschmückt, nur wie so oft, kannte sie dabei kein Maß. Sie trug ein hautenges Kleid aus schimmerndem dunkelrotem Stoff, das ihre üppigen Kurven wirklich äußerst knapp umschloss. Seitlich war das Kleid fast bis zur Hüfte geschlitzt, und es hatte einen tiefen Ausschnitt. Ihr blondiertes Haar umspielte in wilden Locken und Wellen ihre nackten Schultern. Statt der üblichen riesigen Creolen trug sie lange Ohrgehänge aus funkelndem Strass, die bei jeder Kopfbewegung verführerisch über ihren Hals streiften. Die Augen hatte sie tiefschwarz betont, und ihr Schmollmund leuchtete mit dem Rot ihres Kleides um die Wette. Sie trank zu viel, und im Laufe des Abends wurden ihr Gang und ihre Art zu tanzen immer sinnlicher. Freigiebig verteilte sie Küsse und Umarmungen, was von den anderen Gästen teils amüsiert, teils missbilligend wahrgenommen wurde.
»Meine Güte, trägt dieses verrückte Huhn überhaupt Unterwäsche unter ihrem roten Fummel?«, murmelte Traudel, als sie mit einem Teller voller Schmankerln am Buffet neben ihrer Freundin stand.
»Glaub mir, das willst du nicht wirklich wissen«, meinte diese augenzwinkernd.
Traudel nickte ein wenig geistesabwesend. Sie beobachtete Lisa, die gerade neben Marie stand und freundschaftlich ihren nackten Arm um die Schultern der Braut legte. Im Dämmerlicht wirkte es für einen Augenblick so, als gleite eine hautfarbene Schlange um den Hals der jungen Frau.
»Marie, was für ein schönes Fest du hast!«, flötete Lisa. »Es ist wirklich, wirklich toll, obwohl es so viel kleiner und bescheidener ist als damals deine Hochzeit mit Fabian, gell?«
Marie beschloss, diese Taktlosigkeit zu überhören. »Es freut mich, dass es dir gefällt«, antwortete sie und befreite sich aus der Umarmung ihrer Freundin. »Ich sehe dort drüben die Fanny, bei der hab ich heute noch gar nicht gesessen. Ich gehe mal rüber zu ihr.«
Lisa stand nur einen Augenblick allein und nahm sich gerade ein frisch gefülltes Sektglas, als eine sehr tiefe und warme Männerstimme neben ihr fragte: »Na, Lisa, amüsierst du dich gut?«
»Ah, der glückliche Bräutigam!«, gurrte Lisa. Sie lächelte mit feucht glänzenden Lippen. Ihr Blick glitt anzüglich über Gesicht und Körper des Mannes. Sie seufzte tief. Was für ein außerordentlich gut aussehender und attraktiver Kerl dieser Benjamin Lauterbach war!
Ein ausgesprochen männliches Gesicht mit blau-grünen Augen, glänzenden dunkelblonden Haaren und einem sinnlichen Mund, der von einem gepflegten Bart gerahmt wurde. Ben war sehr groß und breitschultrig, man sah seinem durchtrainierten Körper an, dass er schwere Arbeit gewohnt war. Dennoch wirkte der Mann nicht schwerfällig; im Gegenteil, seine Art, sich zu bewegen, erinnerte an die geschmeidige Kraft eines eleganten Raubtiers.
Lisa seufzte erneut, und ihre Augen verschleierten sich. Diese vollen, männlichen Lippen zu küssen, sich mit diesem prachtvollen Körper im Rhythmus der Liebe bewegen zu können… und das nur für die hausbackene Marie mit ihrer Flechtfrisur und dem spießigen Dirndl, was für eine Verschwendung! Was würde sie, Lisa, mit diesem herrlichen Kerl an ihrer Seite hermachen! Im Bergmoosbacher Alltag hätte sie mit diesen angesehenen Jungunternehmer an ihrer Seite und im Bett jede Menge Spaß. Die Art von Spaß, die er mit seinem schwangeren Frauchen jetzt bestimmt vermisste. Man sollte …
»Lisa? Ist dir nicht gut? Du schaust ein wenig … weggetreten aus«, sagte Ben und trat einen Schritt zur Seite. Lisas Hand, die eben noch unter sein Jackett hatte schlüpfen und über seine Brust streichen wollen, fiel ins Leere. Ben schüttelte lachend den Kopf. »Mir scheint, du hast genug für heute, Lisa! Wir sollten schauen, dass wir dich nach Hause bekommen.«
»Ich hab noch lange nicht genug, und