Paul Schneider – Der Prediger von Buchenwald. Margarete Schneider

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Paul Schneider – Der Prediger von Buchenwald - Margarete Schneider


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persönlicher Unaufrichtigkeit in meinem Herzen als Stachel zurückgeblieben, der sich nun auch auf diese Weise Luft machte. Immerhin bedauere ich es, den Aufsatz von Dr. Goebbels tragischer genommen zu haben, als er es verdient, und einen eigenwilligen oder ungerechten Weg in der Reaktion darauf eingeschlagen zu haben.« Er bestätigt, dass er »in den durch das Wohlwollen des Konsistoriums mir vorgeschlagenen Weg meiner Beurlaubung selber eingewilligt habe« und bittet, mit Landrat Grillo zu klären, ob seine Äußerungen denn wirklich eine Verhaftung begründen würden. Er bittet aber auch, an geeigneter Stelle darauf hinzuweisen, dass Pfarrer ernste Besorgnis hätten betreffend die Wirkung solcher »immerhin missverständlicher Aufrufe und Erlasse«. Sein Brief schließt: »Ich gebe zu, dass ich in meinen kirchenpolitischen Äußerungen zu allzu großer Schärfe mich habe fortreißen lassen vor der Gemeinde, und gebe meinem Bedauern darüber Ausdruck mit der Bitte um Entschuldigung.«

      Trotz seiner zweiten Beurlaubung fühlte Paul sich um des Gemeindeteils willen, der treu hinter ihm stand, zum Bleiben verpflichtet. Aber am 19. Februar 1934 kommt das amtliche Schreiben mit seiner Versetzung nach Dickenschied. Sein Bleiben sei in Hochelheim nicht mehr möglich, besonders nicht von seiten der staatlichen Stellen. Bis zum Umzug, Ende April, sei kein Dienst mehr gestattet.

      Mit Datum vom 15. Februar 1934 teilte das Konsistorium P. S. mit, 203 es habe dem Landrat geschrieben, dass er, P. S., sich bis auf Weiteres als beurlaubt zu betrachten hätte und sobald wie möglich in eine andere Pfarrstelle versetzt werden müsse. Es wird festgestellt, dass er in seiner Predigt »mehrere Leiter des heutigen Staates mit Nennung ihrer Namen einer scharfen Kritik unterzogen« habe. Die Sachbearbeiter hätten ihm seine Verfehlungen eindringlich vor Augen gehalten. Da er eine Bitte um Entschuldigung ausgesprochen habe, sehe das Konsistorium davon ab, disziplinarische Maßnahmen gegen ihn zu ergreifen. »Indessen ist der Übergang in eine andere Pfarrstelle möglichst bald herbeizuführen.« Das Konsistorium habe für ihn die Pfarrstelle Dickenschied/Womrath in Aussicht genommen. Es werde dieses der Gemeinde mitteilen. »Wir fordern Sie auf, uns innerhalb einer Woche Ihre Bereitwilligkeit mitzuteilen, dass Sie diese Pfarrstelle übernehmen wollen.« Diese Bereitschaft hat P. S. dem Konsistorium mitgeteilt.204

      Langensiepen schreibt hierzu in seinen »Erinnerungen«, S. 233f: »Er war drauf und dran, seiner Beurlaubung nicht nachzukommen: ›Auf eine Verhaftung will ich es dabei ankommen lassen.‹ Ein Brief von mir bewegte ihn doch endlich zum Nachgeben, da die Verhältnisse in der in Aussicht genommenen Gemeinde Dickenschied und in unserer Synode für ihn ungleich günstiger liegen würden als in Hochelheim. Es hat ihn aber Zeit seines Lebens bedrückt, dass er damals von seiner alten Gemeinde gewichen ist und den Kampf nicht ausgefochten hat. Dies erklärt manches an seinen Entschlüssen, die er später anlässlich seiner Ausweisung aus Dickenschied fasste.«

      Das war eine schwere Probe für Paul, innerhalb der Gemeinde zu stehen und zu wohnen und doch Predigt und Unterricht anderen überlassen zu müssen. In einem Brief vom 1. März 1934 schreibt er an einen Freund: »Mein Hochelheimer Presbyterium stellte sich nicht hinter mich, und bei im Übrigen sehr vielen Sympathien in den Gemeinden sind nur sehr wenige da, die für ihren Pfarrer den Kopf hinhalten wollen.«

      Eine Abordnung zweier gutgesinnter Männer musste sich auf dem Konsistorium belehren lassen, dass es für den Pfarrer das Allerbeste sei, er gehe. Paul hatte also keinen Auftrag mehr in Hochelheim.205 Er wäre sonst bereit gewesen, die Treue zu halten.

      Er schied in Frieden; die, die ihm am meisten schadeten, können es bezeugen. Aber die Sorge um seine ersten Gemeinden ließ ihn nicht los, und so wurde ihm sein Weggang immer wieder zur Anfechtung.

      Die Gemeinden erwirkten bei den politischen Leitern die Genehmigung, Abschiedsfeiern im Vereinshaus bzw. in der Turnhalle für den Pfarrer halten zu dürfen. Dabei kam dann Paul auch noch einmal zu Wort. Von der Feier im Filial Dornholzhausen erzählt eine Freundin: »Paul Schneider sah angegriffen und abgezehrt aus. Mächtiger noch als sonst wölbte sich der starke Schädel mit der gebuckelten Stirn vor, die Augen lagen tief in ihren Höhlen. Aber eine große Stille lag wie ein Glanz auf seinen Zügen. Wir machten uns schweigend in dieser abendlichen Stunde auf den Weg. Ein Auto überholte uns – eine Frau mit einem amputierten Bein ließ sich herbeifahren, um in dieser Stunde nicht zu fehlen. Mir gegenüber äußerte sie sich dahin, durch Pfarrer Schneiders Seelsorge sei in ihr bisher unstetes Leben Ruhe und Frieden eingekehrt. Da saßen nun in dem Saal die Menschen, Kopf an Kopf, mit stillen, in sich gekehrten Gesichtern. Der Mädchenchor begann mit Liedern, die sie bei ihrem Pfarrer gelernt hatten, die Frauen sagten Gedichte und brachten als Abschiedsgabe ein Bild ihres Kirchleins. Ein Presbyter trat vor und erklärte, lange habe er in der Hl. Schrift nach einem Trostwort für seinen Pfarrer gesucht, und nun wolle er ihm diesen Trostpsalm vorlesen. So begann er mit der eintönigen Stimme, wie es Landleute häufig tun, oft vor Bewegung stockend, zu lesen. – Dann erhob sich Paul Schneider und sprach zum letzten Mal zu der Gemeinde seiner Heimat. Nun gelte es, Abschied zu nehmen. Er bat seine Gemeinde, es seinem Nachfolger nicht schwer zu machen, jeder habe nun einmal eine andere Art. – Aber es gelte nun auch, Rechenschaft abzulegen. Diese seine Gemeinde sei seine erste große Liebe im Amt gewesen, und um sie habe er im Zorn und in Liebe geeifert … Wäre ihm noch einmal vergönnt gewesen, ihnen das Wort Gottes zu verkündigen, so hätte es in größerer Liebe geschehen sollen. Das erkenne er in dieser Stunde, und darum bäte er sie alle, ihm zu verzeihen, wo er gefehlt habe, denn es bliebe dabei: Nun aber bleibet Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.206 Denn der Grund, auf dem sie erbaut seien, Jesus Christus207, der Sohn des lebendigen Gottes, der müsse unwandelbar bis in alle Ewigkeit bestehen bleiben; seine letzte Bitte könne nun keine andere sein, als in Gehorsam und Glauben auf diesem Boden, was auch kommen möge, zu beharren. Dann schritt er durch die Reihen und reichte allen die Hand. Es herrschte eine lautlose Stille, in das Scharren der Füße klang das unterdrückte Weinen der Frauen. – Die Frauenhilfe hatte zu einem Abschiedskaffee eingeladen. Da saßen nun die Frauen auf den Bänken aufgereiht, immer noch fand keine das erlösende Wort. Das Dorf hatte seiner scheidenden Pfarrfrau eine vollständige Hessentracht mit den gefalteten Röcken, Häubchen und breiten Bindebändern zum Abschied geschenkt. Als Gretel Schneider nun, gekleidet wie alle andern, mit einem herzlichen Wort zu den Frauen trat, war der Bann gebrochen.«

      Auch die Hochelheimer Frauenhilfe richtete uns einen Familienabend größten Ausmaßes, bei dem Humor und Fröhlichkeit nicht fehlten.208 Wir wollten uns gegenseitig den Abschied nicht zu schwer machen. – Unter dem Gesang der Frauen fuhren wir dann am 25. April zum Dorf hinaus.

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