DSA: Rabenbund. Heike Wolf

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DSA: Rabenbund - Heike Wolf


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als er endlich zu verstehen schien.

      Langsam nahm er die Waffe beiseite. »Macht das nicht wieder«, knurrte er. »Sonst bringe ich Euch um.«

      Amato wich einen Schritt zurück, als Said sich aufsetzte und die Beine aus dem Bett schob. »Was hast du vor?«

      »Ich gehe.« Er richtete sich auf, kniff die Augen zusammen, als brauche er einen Moment, um sich zu sammeln. »Habt Dank für alles.«

      »Aber du kannst nicht gehen!«, rief Amato hilflos, während Said an ihm vorbeiwankte und den Beutel mit seinen Sachen griff. »Draußen herrscht Sturm. Du brauchst Ruhe, und hier ...«

      »Bei Sturm werden sie mich nicht bemerken«, unterbrach ihn der Bastard. Er drehte sich um und sah ihn an. Das Aufflackern der Blitze spiegelte sich in seinen Augen wieder, aber die Härte war aus seinem Blick gewichen. »Boron mit Euch, Don Amato.«

      Amato stand wie betäubt, unfähig, etwas zu sagen. Erst, als Said bereits an der Tür war, löste sich die Erstarrung. »Wenn du Hilfe brauchst ... komm hierher«, rief er und fühlte sich im gleichen Moment furchtbar albern. Warum sollte er ausgerechnet zu ihm kommen, wenn er jetzt vor ihm floh?

      Said hielt noch einmal inne, die Hand an der Tür. Er drehte sich nicht um, doch Amato sah, wie er nickte.

      Amato ließ sich auf das Bett sinken und schloss die Augen, um gegen die Enge anzukämpfen, die ihn zu ersticken drohte. Er hatte sich aus der Deckung gewagt, aber er hatte verloren, und es blieb nicht einmal ein tröstender Traum.

      Er fühlte sich elend.

      II

      Esmeraldo

      Esmeraldo Paligan hielt die Hand locker auf den Knauf des Säbels gestürzt, während er neben dem alten Geweihten durch den Tempelgarten schlenderte. Die Schritte seiner Stiefel knirschten auf dem dunklen Kies, von dem die Nässe in dampfenden Schwaden aufstieg, wo ihn die Sonne berührte. Der Morgen war ungewohnt frisch nach dem Sturm, der in der Nacht über die Stadt hereingebrochen war und die drückende Hitze für ein paar Stunden vertrieben hatte. Vom Tempeldach krächzten die Raben, und in einiger Entfernung hörte man das Ächzen und Poltern der Sklaven, die die Überreste zerstörter Statuen aus dem Einschlagkrater bargen. Eine Geweihte in schwarzem Ornat überwachte die Arbeiten, während ein bulliger Vorarbeiter zur Eile antrieb.

      »Es scheint sich tatsächlich um einen Sternenfall zu handeln, sehr ähnlich den Vorkommnissen, deren Berichte wir bereits gesammelt haben.« Brotos Paligans Stimme erinnerte ein wenig an die einer Krähe, kratzig und alt. Die goldgesäumte Robe fiel eine Spur zu weit über die mageren Schultern, die er trotz des Alters aufrecht hielt. Scharf, wie der Schnabel eines Raubvogels, saß die Nase in dem hageren Gesicht, und seine Augen blickten stechend, als er den Kopf wandte, um Esmeraldo anzusehen.

      Als Kind hatte Esmeraldo Angst vor dem Hochgeweihten gehabt. Der Alte, der das Lachen stielt, hatte seine Mutter Brotos genannt, weil jede Feier schlagartig an Fröhlichkeit verlor, wenn der düstere Priester den Raum betrat. Sie hatten alle Angst gehabt vor dem harten, unnachgiebigen Mann, der wahrscheinlich längst Oberhaupt der Boronkirche geworden wäre, hätten die Honaks den Patriarchenthron nicht an sich gerissen. Jetzt, fast dreißig Jahre später, hatte Brotos Paligan seinen Schrecken verloren. Esmeraldo war kein Kind mehr, das sich vor einem Greis mit Krähennase fürchtete. Er war Präfekt, Commandante im Rat des Schwarzen Generals und niemand, der sich noch maßregeln ließ. Brotos Paligan hatte ihn zu sich gebeten. Als Bittsteller, auch wenn dieses Wort dem alten Geweihten sicher nicht über die Lippen gekommen wäre.

      »Hat man den Stern geborgen?«, fragte Esmeraldo, während er einen prüfenden Blick zu den Arbeiten hinüberwarf. Der Anblick eines Geweihten, der im Gespräch durch die Gärten schlenderte, schien jedoch nicht außergewöhnlich, sodass man ihnen keine Beachtung schenkte.

      Brotos deutete ein Kopfschütteln an. »Angeblich ist er an der Absturzstelle verglüht. Wenn es sich jedoch tatsächlich um einen gefallenen Stern handelt, wie man sie im Norden erlebt hat, halte ich das für sehr unwahrscheinlich. Ich nehme an, Amir Honak hat ihn heimlich bergen lassen und hält ihn im Tempel zurück. Er hat angeordnet, Stillschweigen über die Geschehnisse zu wahren. So unmittelbar vor der Kriegserklärung will er wohl Aufruhr vermeiden. Fallende Sterne sind und bleiben ein böses Omen.«

      »Daran tut er gut. Die Truppen würden unruhig, wenn sie davon erführen. Allerdings halte ich es für ebenso gefährlich, den Zwischenfall zu ignorieren. Wenn es tatsächlich ein Fingerzeig der Götter ist, sollten wir es ernst nehmen. Al’Anfa hat zu viele Kriege verloren, um Vorzeichen zu ignorieren.«

      »Nicht jedes Vorzeichen ist eindeutig. Ein gefallener Stern kann vieles bedeuten. Eine Niederlage, ein schwerer Verlust, das Ende des Imperiums, der Boronkirche ... oder schlicht des Hauses Honak.« Ein durchdringender Blick streifte Esmeraldo, ehe der alte Geweihte wieder in den lockeren Plauderton verfiel. »Sicher werden wir versuchen, den Willen der Götter zu ergründen. Das müssen wir tun. Der Einschlag ist selbstverständlich nicht unbemerkt geblieben. Außerhalb des Tempels redet man bereits, und man fragt sich, was der Honak zurückhält. Es werden weitere Fragen gestellt. Fragen, die richtig angeleitet Zweifel nähren.« Seine schmalen Lippen formten ein wissendes Lächeln. »Diesen Dolch hat uns der Patriarch selbst in die Hand gedrückt. Nun gilt es, ihn geschickt zu nutzen.«

      »Ihr wollt den Sternenfall so deuten, dass das Unheilsomen dem Patriarchen gilt?«, fragte Esmeraldo.

      »Ich werde gar nichts deuten. Das wird ganz von selbst geschehen. Aber es ist sinnvoll, die richtigen Anstöße zu geben, um die Dinge in unserem Sinne in Bewegung zu setzen. Was mich zum eigentlichen Anlass unseres Gespräches führt.«

      »Ich bin mir nicht sicher, ob dieser Ort für diese Art Gespräche geeignet ist.« Esmeraldo sah erneut zu den Arbeitern, die gerade den zertrümmerten Arm einer Marmorstatue aus dem Krater zogen. Die Stille des Tempelgartens trug ihre Stimmen heran, aber sie waren zu weit entfernt, um Worte zu verstehen.

      Brotos lachte leise. »Ihr seid misstrauisch, das ist gut! Gutgläubige Narren habe ich genug um mich herum. Doch lasst uns hier ein wenig gehen und plaudern, vom Onkel zum Neffen. Wir haben uns seit Jahren nicht gesehen, und ich bin erfreut, ein verlorenes Räblein in der Heimat willkommen zu heißen.«

      Esmeraldo war sich nicht sicher, ob er Brotos’ Sorglosigkeit teilen wollte, aber es war vermutlich tatsächlich nichts Verdächtiges dabei, wenn er mit seinem Verwandten am helllichten Tag durch die Einsamkeit der Tempelgärten spazierte. Manchmal waren die offensichtlichen Orte die sichersten.

      »Ich bin erfreut über Eure Fürsorge«, nahm er daher den Faden auf. »Allerdings kann ich Euch versichern, dass es um mein Seelenheil wohl bestellt ist. Es gibt in Sylla einen Tempel unseres Herrn Boron, sodass ich die letzten Jahre nicht gänzlich verlassen war.«

      »Der Götterfürst wacht über seine Räblein, wo auch immer das Rabenbanner steht. Allerdings findet Ihr nur hier Männer und Frauen, die bereit sind, es zu ergreifen und zum Ruhm unseres Herrn Boron über die Grenzen des Imperiums hinauszutragen.« Wieder streifte ihn Brotos’ Blick, ohne dass der Geweihte innehielt. »Ihr habt sie kennengelernt, und Ihr kennt die Pläne unseres Generals. Ich will wissen, was Ihr darüber denkt.«

      Esmeraldo nickte langsam. Seine Finger strichen über den Knauf seines Säbels, während er darüber nachdachte, wie viel er dem hageren Geweihten preisgeben wollte. »Lasst mich bei der militärischen Lage beginnen«, sagte er schließlich und senkte die Stimme. »Die Streitmacht ist gut ausgebildet, gerüstet und ohne Zweifel geeignet, das Königreich der Kemi zu unterwerfen. Oderin du Metuant weiß, was er tut. Er hat Erfahrung, Geschick und militärisches Verständnis. Allerdings kann er nicht mehr lange zögern. Mit jedem Tag, den die Truppen zur Untätigkeit verdammt sind, sinkt die Moral. Selbst wenn es ihm gelingt, sie noch eine Weile unter Kontrolle zu halten, werden die Soldaten am Ende ungeduldig und wenig diszipliniert in Kemi einfallen, was den Erfolg des Unternehmens gefährden würde. Es bleibt daher wenig Zeit.«

      Der alte Geweihte nickte zustimmend. »Dann haltet Ihr es für sinnvoll, bald zuzuschlagen? Sprecht offen, ich bin gespannt auf Eure Einschätzung.«

      »Bezüglich eures Kreises, den


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