Seewölfe Paket 12. Roy Palmer

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Seewölfe Paket 12 - Roy Palmer


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Die Nationalität ist noch nicht zu erkennen. Wahrscheinlich ein Spanier, vermute ich wenigstens. Wenn ich das richtig sehe, ankert das Schiff in der Nähe eines merkwürdigen Wracks, das am Ufer liegt. Entweder hat den Kapitän die Neugier dorthin getrieben, oder aber sie sind ebenfalls scharf auf Vorräte und Trinkwasser.“

      „Sehr schön, Señor Capitán“, sagte Alfonso Casal, und in seine kleinen, schwarzen Schweinsäuglein trat ein gefährliches Glitzern. „Wollen wir wieder ein bißchen Abwechslung in die Mannschaft bringen?“

      Alfredo Fernandez nahm das Spektiv vom Bug und grinste Alfonso an.

      „Warum nicht?“ sagte er. „Bestimmt hat diese Galeone einiges in ihren Frachträumen, für das wir gute Verwendung haben. Also, gehen wir ans Werk. Schließlich wollen wir nicht dem lieben Gott den Tag stehlen. Sollte uns das Schiff einigermaßen unversehrt ins Netz gehen, könnten wir – wer weiß – vielleicht noch etwas damit anfangen. Es ist ein stolzes Schiff und gut gebaut. Scheint ein schneller Segler zu sein.“

      „Das will nichts heißen, Señor Capitán.“ Alfonso dienerte. „Wir haben schon andere Brocken geschafft. Ich muß gestehen, es juckt mir schon in den Händen.“

      „Mir auch, Alfonso“, sagte Alfredo Fernandez mit einem entschlossenen Gesichtsausdruck. „Außerdem sind wir in der besseren Ausgangsposition und haben das Überraschungsmoment auf unserer Seite. Das Schiff scheint im flachen Wasser vor Anker zu liegen und dürfte damit weit weniger manövrierfähig sein als wir. Auf was warten wir noch?“

      Fernandez, der Piratenkapitän, rollte die Seekarte zusammen. Gleich darauf brachte er mit Unterstützung seines Profos hektisches Leben in seine Mannschaft, die sich lebhaft ausmalen konnte, was die plötzlichen Aktivitäten zu bedeuten hatten.

      Wenig später klirrten Waffen, und nackte Fußsohlen trampelten über das Deck. Jeder Handgriff, den die verwegenen Gestalten taten, saß am richtigen Platz. Sie waren Piraten und verstanden schließlich ihr Handwerk.

      In kurzer Zeit war die dickbauchige, aber immer wieder überraschend wendige „Esmeralda“ klar zum Angriff.

      4.

      Die Nacht hatte wenigstens einen Hauch von Abkühlung gebracht, und der neue Tag war mit einer leichten, wohltuenden Brise heraufgezogen. Wie ein glutroter Ball war die Sonne hinter der Kimm aufgetaucht. Schon wenig später hatte sie wieder damit begonnen, die Luft über der Baja de Marajo aufzuheizen.

      Die „Isabella VIII.“ schwoite noch immer gemächlich an der Ankertrosse – zwei Kabellängen von der Flußmündung entfernt, an der das Wrack, mit dem sie gestern auf höchst ungemütliche Art Bekanntschaft geschlossen hatten, auf einer Sandbank lag.

      In den Nachtstunden hatte sich manch einer der Männer an Bord, wenn er sich nicht gerade mit den lästigen Moskitos herumgeschlagen hatte, den Kopf über die Bedeutung der menschlichen Skelette zerbrochen, die dort drüben in den traurigen Schiffsresten auf dem Kielschwein hockten. Aber auch die Nacht hatte dieses Geheimnis nicht entwirren können, und so beschäftigte das ungelöste Rätsel nach wie vor die Mannschaft der „Isabella“.

      Noch während des kräftigen Frühstücks, das der Kutscher zubereitet hatte, war das Wrack Mittelpunkt der Gespräche.

      „Ein Wrack bedeutet nichts Gutes, Skelette schon gar nicht“, murmelte der alte O’Flynn. „Habe ich nicht gestern erst gesagt, daß es zwischen Himmel und Erde …“

      „… Dinge gibt, die uns ganz fürchterlich auf den Magen schlagen, wenn man darauf wie auf zähem Stiefelleder herumkauen muß“, unterbrach ihn der Profos und warf dem Kutscher einen schrägen Blick zu, als könnte der etwas dafür, daß das Brot infolge des feuchten Klimas etwas zäh geworden war. Im selben Atemzug vollzog er mit einem klatschenden Geräusch die Hinrichtung zweier Moskitos, weil sie es gewagt hatten, sich auf seinem linken Unterarm niederzulassen.

      Während der Kutscher vorzog, die Bemerkung des Profosses mit Mißachtung zu strafen, konnten sich einige ein Grinsen nicht verkneifen. Stenmark, der Schwede, mußte dabei den Mund wohl um einige Zoll zu weit verzogen haben. Jedenfalls verschluckte er sich und begann heftig zu husten.

      „Ho, jetzt grassiert auch noch die Schwindsucht an Bord“, kommentierte der Profos und hieb dem blonden Stenmark seine Pranke in gutgemeinter Weise so kräftig auf den Rücken, daß dieser beinahe mit der Nase in die Muck getaucht wäre, die er krampfhaft in der linken Hand hielt. Auf jeden Fall war der Hustenanfall sofort vorüber, und die Männer begannen schallend zu lachen.

      Old O’Flynn, dessen Rede so jäh unterbrochen worden war, wollte gerade wieder die Stimme erheben, aber da sorgte sein Sohn Dan, der den Moses Bill im Ausguck abgelöst hatte, dafür, daß er eine weitere tiefsinnige Bemerkung verschlucken mußte.

      „Deck!“ rief Dan aus dem Großmars. „Eine Galeone, dick wie eine Seekuh, segelt in die Bucht!“

      Die Männer horchten auf, und der Seewolf griff sofort zum Spektiv.

      „Ist es ein Don?“ fragte Ben Brighton.

      „Ich weiß nicht“, erwiderte Hasard. „Das Schiff ist noch etwas zu weit weg. Ein Name oder eine Flagge ist noch nicht zu sehen. Aber es hält direkt auf uns zu. Man muß uns natürlich ebenfalls gesehen haben.“

      Auch Ben Brighton hatte inzwischen zum Kieker gegriffen.

      „Die Galeone sieht zwar nicht unbedingt nach einem Piratenschiff aus, aber das muß nichts heißen“, stellte er dann fest. „Allerdings rechne ich eher damit, daß es ein Spanier ist.“

      Hasard nickte. „Wir stellen uns auf jeden Fall auf eine Begegnung ein, um keine unliebsame Überraschung zu erleben. Hievt den Anker ein und setzt die Segel!“ brüllte er dann von Achterdeck. „Und klar Schiff zum Gefecht!“

      Hasard wollte so rasch wie möglich aus dem flachen Wasser heraus, in dem die „Isabella“ vor Anker gegangen war, denn hier wäre das Schiff im Ernstfall wenig manövrierfähig.

      Augenblicklich geriet Leben unter die Männer an Bord. Aber kein Handgriff und kein Schritt, die getan wurden, waren unnütz. Jeder wußte, was er zu tun hatte. Alles, was die Männer bis zum Augenblick noch bewegt hatte, war in diesem Moment zur Nebensache geworden. Niemand interessierte sich noch für das Wrack, das dort drüben auf der Sandbank lag, und niemand dachte noch über die rätselhaften Skelette nach.

      Was im Moment zählte, war die Galeone, die hinter ihnen aufgetaucht war und von der man zunächst annahm, daß es sich um ein spanisches oder portugiesisches Schiff handele. Diese beiden Nationalitäten waren in dieser Gegend jedenfalls am häufigsten anzutreffen.

      Pete Ballie, der Rudergänger, stand bereits im Ruderhaus, um die „Isabella“ so schnell wie möglich aus den flachen Gewässern herauszusteuern.

      Der Waffen- und Stückmeister, Al Conroy, gab gerade den Befehl, die Stückpforten zu öffnen. Bill, der Moses, half dem Kutscher, die Kupferbecken mit den glühenden Holzkohlen aus der Kombüse zu holen und verteilte sie sofort auf die Geschütze.

      Die beiden „Rübenschweinchen“, die Söhne des Seewolfs, die sich längst zu brauchbaren Schiffsjungen entwickelt hatten, waren eifrig damit beschäftigt, Sand auf der Kuhl auszustreuen, um den Füßen der Männer festen Halt auf den Decksplanken zu geben.

      Während sich der Seewolf mit seinem Radschloß-Drehling und dem Schnapphahn-Revolverstutzen bewaffnete, um notfalls zahlreiche Schüsse zur Verfügung zu haben, besetzten Ben Brighton, Ed Carberry, der Kutscher und Old O’Flynn die Drehbassen.

      Ferris Tucker, der rothaarige Schiffszimmermann, wandte sich der von ihm erfundenen Schleudervorrichtung zu, die dem Abfeuern der verheerenden Flaschenbomben diente, und Batuti und Big Old Shane, der ehemalige Schmied der Feste Arwenack, spannten ihre Bogen, um damit notfalls ihre gefürchteten Brand- und Pulverpfeile auf den Gegner abzuschießen.

      Auch die übrigen Männer waren auf Stationen: Smoky, Blacky, Gary Andrews, Matt Davies, Dan O’Flynn, Jeff Bowie, Sam Roskill, Bob Grey, Luke Morgan, Will Thorne und Stenmark.


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