Seewölfe Paket 20. Roy Palmer
Читать онлайн книгу.gibt das keine Überraschung für uns, Sir“, meinte er.
Von der „Pommern“ klang ein unbekümmertes Lachen herüber.
„In der Höhle des Löwen ist man am sichersten, Dan! Damit wird kein Don rechnen, daß wir dort wieder aufkreuzen.“
„Aye, aye, Sir“, sagte Dan, „auf nach Santiago.“
„Was kann er dort nur vorhaben?“ fragte Dan den Profos, der auf dem Achterdeck stand und mit dem Kieker die See absuchte, ob auch wirklich kein Don mehr weit und breit zu sehen war.
„Vielleicht will er ein paar Schiffchen versenken, so bei Nacht und Nebel“, meinte Ed. „Aber das kann mächtig ins Auge gehen, denn die Dons sind ja alarmiert.“
„So etwas Ähnliches dachte ich auch. Den Dons weiteren Schaden zufügen“, murmelte Dan. „Aber da steckt noch etwas anderes dahinter, damit gibt sich Hasard nicht zufrieden. Der hat irgendeinen harten Raid vor.“
Renke Eggens blickte zur „Pommern“ hinüber, wo er die Silhouette des Seewolfs auf dem Achterdeck sah. Er bewunderte diesen Mann, der kaltblütig und wild wie ein Wolf in die spanische Herde fuhr, sich ein paar Brocken herausriß und wieder verschwand. Er war sich sicher, daß sie das auf ihn ausgesetzte Kopfgeld bald verdoppeln würden, denn der Schaden, den er den Dons zufügte, stieg unaufhörlich.
„Ich weiß auch nicht, was er vorhat“, sagte er leise, „aber es wird wohl mit den Schiffen zusammenhängen, die auf Reede liegen. In zwei Stunden ist Mitternacht“, setzte er nachdenklich hinzu.
„Eine gute Zeit, um eine schlafende Herde aufzuscheuchen“, meinte Dan. „Wir werden es ganz sicher bald erfahren. Vermutlich ist er gerade dabei, alles bis ins letzte Detail zu planen.“
4.
Das war tatsächlich der Fall. Hasard hatte seinen Plan allerdings reiflich durchdacht und hatte die Absicht, ihn so bald wie möglich in die Tat umzusetzen.
Shane, der wieder nicht wußte, was anlag, trat unruhig von einem Bein auf das andere.
„Das ist vielleicht eine Geheimniskrämerei“, schimpfte er leise, „jetzt pirschen wir uns wieder auf die Sierra Maestra zu, und keiner hat eine Ahnung, was da passieren soll. Hast du etwa vor, die sechs Kähne zu versenken, Sir, sozusagen klammheimlich und bei Nacht und Nebel?“
„Du weißt schon, um was es geht, Shane. Alles zu seiner Zeit. Mit Geheimniskrämerei hat das wirklich nichts zu tun. Denk doch mal ein wenig nach, was ich vor kurzem gesagt habe.“
„Du meinst wegen der Kanonen, des Pulvers und der Waffen, die man eines Tages gegen uns verwenden wird?“
„Das meine ich. Heute vormittag habe ich an der Küste in den Felsen einen breiten Einschnitt gesehen. Das war wie eine riesige Spalte, die zwischen die Felsen führt. Sie war etwa dreißig Yards breit. Wenn wir die gefunden haben, wirst du alles weitere erfahren. Davon hängt nämlich alles ab.“
Es war jetzt knapp eine Stunde vor Mitternacht. Immer wenn der Mond zwischen den Wolken hindurchschien, glänzten und glitzerten die gewaltigen Felsen der Sierra Maestra in gespenstischem Licht. Dann huschten dort spukhafte Schatten durch das Gebirge, was Old O’Flynn sicherlich zu den fürchterlichsten Vermutungen hingerissen hätte. Aber das alte Rauhbein war nicht an Bord.
Dicht unter der Küste – der Wind blies jetzt aus Ost – pirschten sich die beiden Schiffe ostwärts, genau die Strecke, die sie heute schon einmal abgesegelt hatten. Der lange Bogen hatte sie wieder an den Ausgangspunkt zurückgeführt.
Der Ausguck hatte Anweisung, nach diesem Einschnitt in der Steilküste Ausschau zu halten. Hasard selbst ließ es sich nicht nehmen, ständig mit dem Kieker die Felsen abzusuchen.
Der Ausguck, diesmal war es Hanno Harms, ein sturer Dickschädel aus Hinterpommern, der oft als Rudergänger fungierte, tat sich allerdings schwer damit, denn er hatte dem Einschnitt beim Vorbeisegeln keine Beachtung geschenkt und nicht die geringste Ahnung, was der Seewolf damit vorhatte. Außerdem geschah es immer wieder, daß die Steilküste stark hervortrat, riesige Kliffs ins Meer schickte und an anderer Stelle wieder so stark zurücktrat, daß sie wie Buchten aussahen. Jedes Mal entpuppte sich das als optische Täuschung. Auch der zweite tiefere Einschnitt erwies sich als zwei nebeneinanderstehende Felsen.
Hasard orientierte sich am Pico Turquino und rechnete im Geist die abgesegelte Strecke nach.
„Es war nicht sehr weit von der Reede entfernt“, sagte er, „eine deutlich erkennbare Kerbe, die wie ein Schlauch hineinführte.“
„Vielleicht sind wir schon dran vorbei“, meinte Shane.
„Das glaube ich nicht.“
Er fluchte leise, denn eine kleine Wolkenbank schob sich gerade vor den Mond. Fast schlagartig wurde es finster. Das Gebirge schien kompakter zu werden. Wie ein riesiger düsterer Block lag es da, drohend, unheilverkündend und gespenstisch still.
Beide Schiffe kreuzten in kurzen Schlägen dicht unter der Küste gegen den Ostwind. Hasard ließ so in den Wind drehen, daß sie kaum noch Fahrt liefen. Er wollte abwarten, bis die große Wolkenbank vorbei war und das Mondlicht wieder die Sierra erhellte.
Das war kurz darauf der Fall. Fahles Licht ergoß sich über das Meer und ließ die Schatten der Sierra immer weiterwandern, als würden dort riesige dunkle Tücher weggezogen.
Hanno Harms meldete sich aus dem Großmars, kaum daß das Mondlicht wieder schien.
„Halbe Kabellänge Backbord voraus ist ein Einschnitt“, rief er zum Deck hinunter.
Hasard ließ die Stelle ansteuern und erkannte sie wieder.
„Ja, das ist der Einschnitt, den ich meine. Wir gehen in den Wind und setzen die kleine Jolle aus, Shane. Du kannst mit Smoky hinüberpullen und feststellen wie groß die Bucht dahinter ist, falls es dort überhaupt eine gibt. Aber es sieht ganz so aus, als führe der Einschnitt noch weiter in die Felsen. Ihr sollt nur feststellen, ob die Bucht groß genug ist, um darin die beiden Schiffe zu verstecken.“
„Dort sollen wir nachts hindurchsegeln?“ fragte Shane ungläubig.
„Am Höllenriff auf der Schlangen-Insel ist es wesentlich schmaler. Ihr sollt erst mal erkunden, ob es da keine Untiefen gibt. Ich will mir ein genaues Bild über diese Bucht verschaffen, denn sie scheint sehr günstig zu liegen, immer vorausgesetzt, sie führt weiter in die Steilküste.“
„Aye, Sir. Wir wollen uns also erst einmal vor den Dons verstecken, und das scheint hier ein günstiger Platz zu sein, den die Dons unter Umständen gar nicht kennen.“
„Das ist gut möglich.“
Dan O’Flynn vollzog alle Manöver des Seewolfs nach. Auch er sah den Einschnitt in der Küste, denn er hatte noch schärfere Augen als die anderen, wagte aber noch nicht zu beurteilen, ob man da wirklich hindurchsegeln konnte, denn das hatte Hasard zweifellos vor.
Die Segel wurden so gebraßt, daß sie fast längs zur Schiffsrichtung standen und dem Wind keine Angriffsfläche mehr boten. Sie killten leicht. Beide Schiffe liefen keine Fahrt mehr.
Inzwischen wurde die kleine Jolle abgefiert und mit Smoky und Shane besetzt. Als sie ablegte, ließ Hasard wieder anbrassen und segelte bei Ostwind einen kleinen Schlag nach Südost. So bezogen sie Lauerstellung und brauchten keinen Anker zu setzen.
Smoky und Shane pullten los. Die Felsen ragten in ihrem Rücken unglaublich steil in die Höhe. Der Mond schob sich wieder durch die Wolken und verzerrte die Konturen der Felsen.
„Wirklich nicht breiter als dreißig Yards“, sagte Smoky, als sie den ersten Felsen der schmalen Rinne passiert hatten. Von hier aus sahen die beiden Galeonen wie sprungbereite Ungeheuer aus, die auf der See lauerten. Der Zweidecker, den sie der „Black Queen“ abgenommen hatten, wirkte noch unheimlicher. Schwarz und drohend lag er da, nur ganz leicht von der Dünung bewegt.
Shane