Seewölfe Paket 20. Roy Palmer
Читать онлайн книгу.Verfolger und Gejagte klüsten unermüdlich raumschots nach Süden.
Smoky und Sam Roskill kümmerten sich um die Zubereitung des Mittagessens. Olaf Kruse, ein Kolberger mit fast quadratischem Schädel und riesigen Fäusten, sorgte dafür, daß das Zeug auf die Back gelangte. Sie zauberten zwar nicht so ein Essen zurecht, wie der Kutscher oder Mac Pellew, aber es war deftige Kost, und sie schmeckte.
Angesichts der Verfolger behielten sie stoisch die Ruhe und ließen sich nicht beim Essen stören.
Das Flammenrad der Sonne wanderte nach Südwesten weiter. Es war noch größer und greller geworden. Trotz der Nordostbrise war es unangenehm warm.
Hasard hatte das Gejage jetzt langsam satt. Er hatte keine Lust mehr, ewig vor den Spaniern herzukrebsen und sie pausenlos im Nacken zu haben.
Shane sah, daß es hinter seiner Stirn wieder arbeitete, aber diesmal muß sich der Seewolf offenbaren, dachte er. Ewig konnte er nicht alles für sich behalten.
„Gib Dan ein Zeichen, daß er aufsegelt“, sagte er. „Wir werden eine kurze Lagebesprechung abhalten.“
„Die Dons gehen dir langsam auf den Geist?“ fragte Shane.
„So langsam, aber sicher. Wir wollen auch nicht tagelang nur herumklüsen. Jetzt wird es ernst.“
Shane gab das Zeichen weiter. Dan zeigte klar. Langsam begann er der „Pommern“ aufzusegeln, bis er die gleiche Höhe mit dem Achterkastell hatte.
Die Entfernung blieb dennoch so groß, daß sie keine vernünftige Unterhaltung führen konnten, ohne brüllen zu müssen. Hasard wollte etwas ins Detail gehen, doch das war schlecht möglich. Sie konnten auch nicht Bordwand an Bordwand segeln.
Dan O’Flynn wußte, daß er in Renke Eggens einen absolut zuverlässigen Mann und Könner an Bord hatte. Die Dons waren auch noch lange nicht heran. Es konnte also nichts passieren, wenn er für ein paar Augenblicke das Achterdeck verließ.
Er packte ein Fall, nahm einen kurzen schnellen Anlauf und segelte im nächsten Augenblick durch die Luft. Dabei fühlte er sich selbst wie ein Pirat beim Entern.
Zielsicher landete er gleich darauf auf dem Achterdeck der „Pommern“. Zwei hilfreiche Hände stützten ihn.
„Das ist zwar nicht die konventionelle Art, an Bord zu gehen“, sagte Dan lachend, „aber so ist die Unterhaltung besser. Ich nehme an, du willst dich jetzt den Dons stellen, Sir?“
„Ja, wir werden den Kerlen zum Tanz aufspielen“, sagte Hasard. „Sonst krebsen wir ewig so weiter. Wir brauchen nicht darüber zu reden, daß wir stark unterbemannt sind und eine schwere Position haben. Daher müssen wir unsere Unterbemannung mit List, Schnelligkeit und Gewandtheit ausgleichen. Ich habe vor, auf Südwestkurs vor dem Wind abzufallen und genau in Richtung der Sonne zu steuern. Auf diesem Kurs lassen wir die Dons dann aufrücken.“
„Ich verstehe, Sir. Die Dons sind dann im Nachteil, weil die Sonne sie blendet.“
„So ist es. Das ist unser Vorteil. Wir können, von der Sonne nicht geblendet, schräg achteraus feuern oder kurz anluvend die Breitseite Backbord abfeuern, dann halsen und die Breitseite Steuerbord einsetzen. Die Dons werden nicht viel mehr als einen grellen glosenden Ball und zwei unbestimmte Schatten sehen. Sieh nur einmal in Sonnenrichtung auf das Meer.“
„Sie scheint ganz besonders grell“, gab Dan zu. „Man sieht kaum etwas.“
„Das nutzen wir aus. Wir müssen nur detailliert absprechen, wie wir vorgehen, damit wir uns beim Manövrieren nicht gegenseitig behindern.“
„Wir könnten sie ja erst einmal auf Schußweite der Culverinen heransegeln lassen“, schlug Dan vor.
„Richtig, Dan. Wenn es soweit ist, drehe ich mit der ‚Pommern‘ nach Luv um die Backbordbreitseite abzufeuern. Du halst gleichzeitig mit der ‚Queen‘ nach Steuerbord und setzt die Breitseite an Steuerbord ein. Sobald wir gefeuert haben, gehen wir wieder auf Südwestkurs, um die Seiten zu wechseln, so daß du jetzt die ursprüngliche Position der ‚Pommern‘ einnimmst. Wir kreuzen also unsere eigenen Kurse.“
Dan O’Flynn nickte begeistert.
„Und wen knöpfen wir uns zuerst vor, Sir?“
„Erst auf die jeweils hinter uns segelnde Karavelle feuern. Das Manöver wiederholen wir auch, wenn wir unsere Kurse kreuzen. Dann gleich noch einmal drauf. Jetzt sieh dir noch einmal genau die Position der Dons an.“
Dan tat es ausgiebig, obwohl er sie auswendig kannte.
„Die Karavellen segeln der Galeone etwas voraus, die sich in der Mitte hält“, sagte Dan. „Es sieht so aus, als sollten die Karavellen beim Angriff eine Zange bilden. Danach wird die Galeone in Aktion treten.“
„Sehr gut“, lobte der Seewolf. „Sobald wir also in die Sonnenrichtung den Kurs gewechselt haben, beginnen wir unauffällig mit dem Schiften der Segel. Wir rennen dann auch die Kanonen aus. Die Dons werden das vielleicht sehen können, doch das spielt keine Rolle. Wir verringern also unmerklich unsere Fahrt und lassen aufholen. Ich gebe dir dann das Zeichen zum Halsen, während wir anluven. Setzt eure Flaschenbomben auf die Galeone an. Shane wird sie vom Großmars aus zusätzlich noch mit Brandpfeilen eindecken. Wir müssen das Überraschungsmoment voll ausnutzen, sonst fahren wir zur Hölle.“
Sie unterschätzten ihren Gegner keineswegs, denn der war gut bestückt und würde die Hölle entfesseln, wenn ihnen die Überrumpelung nicht gelang.
Ein paar weitere Einzelheiten wurden noch besprochen, dann war der Plan reif zur Ausführung, und Mißverständnisse waren nicht mehr zu befürchten.
„Melde mich wieder ab, Sir“, sagte Dan. „Ab sofort also Klarschiff zum Gefecht.“
Hasard und Shane nickten, während Dan nach einem Fall griff und das Hinüberschwingen von Schiff zu Schiff mit vollendeter Präzision wiederholte.
Dann wurde Renke Eggens in das Vorhaben eingeweiht und die Gefechtsbereitschaft angeordnet.
3.
Beide Schiffe lagen jetzt auf Südwestkurs und segelten scheinbar in den glosenden Ball der Sonne hinein. Die Blendung war jetzt ungewöhnlich stark. Hasard kniff schon die Augen zusammen, wenn er nur auf die Wasseroberfläche sah. Da war alles flüssig, wie feuriges Gold und Silber. Ein Schiff voraus war so gut wie kaum zu erkennen.
Nach der Kursänderung gingen die drei gegnerischen Schiffe ebenfalls auf Südwest.
Die Großsegel wurden ganz schwach geschiftet, unmerklich wurden sie aus der Windrichtung genommen, bis sich der Winddruck mehr und mehr verminderte.
Den nachsegelnden Spaniern fiel das nicht auf. Aber sie sahen, daß sie unmerklich aufholten. Langsam verkürzte sich die Distanz zwischen den Schiffen.
Das war der Zeitpunkt, als Big Old Shane in den Großmars aufenterte und dort sein ganzes Sortiment bereit legte.
Etwas später wurden die Großsegel noch einmal leicht und unauffällig geschiftet. Die Fahrt ging noch mehr zurück. Bei den Dons wurde gefechtsklar gegangen. Hasard brauchte nicht mehr das Spektiv, um sehen zu können, daß sie ihre Kanonen ausrannten.
Nach einer weiteren Viertelstunde waren verzerrte Wortfetzen über das Wasser zu hören. Pete Ballie, der auf der „Pommern“ als Gefechtsrudergänger fungierte, spitzte die Ohren.
„Verstehst du, was sie sagen, Sir? Etwas über uns, glaube ich.“
Weitere Kommandos waren zu hören. Hasard versuchte ebenfalls, den Sinn der Wortfetzen zu erfassen.
„Es wird Zeit, uns Manieren beizubringen, sagen sie, wenn ich das richtig verstanden habe. Uns wollen sie Manieren beibringen!“ sagte er erheitert.
Auf den Karavellen wurde gebrüllt. Kommandos wurden geschrien, von denen ein Teil auf der „Pommern“ gut zu verstehen war. Die Dons wiegten sich in dem Glauben, tatsächlich stark