Seewölfe Paket 30. Roy Palmer

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Seewölfe Paket 30 - Roy Palmer


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Stunden erneut seinen Platz am Ruder eingenommen hatte, erforderte es einiges Geschick, den Segler an einen freien Liegeplatz zu manövrieren.

      Auf vielen Piers und Stegen herrschte reger Betrieb. Waren wurden an Bord gehievt, die Landungen fremder Handelsschiffe mußten gelöscht werden. Dazwischen lungerten – wie in allen Häfen der Welt – Faulenzer, Neugierige und Abstauber herum, die insbesondere einlaufende Schiffe genau taxierten. Nicht weit von ihnen entfernt brüllten Straßenhändler ihre Angebote durch die Gegend, Diebe, Räuber und Schlitzohren waren eifrig dabei. Beutegut zu verhökern.

      Carberry schnalzte genüßlich mit der Zunge.

      „Wo so viel Betrieb herrscht, kann die Luft nicht allzu trocken sein“, sagte er mit Kennermiene. Dann überdachte er die Augen mit der Hand und blickte aufmerksam zu den Kais hinüber.

      Hasard lächelte.

      „Bist du schon dabei, die Luftfeuchtigkeit zu überprüfen, Ed?“

      „Klar, Sir. Einer von uns muß doch dafür sorgen, daß das Wichtigste nicht vergessen wird, sonst haben wir später womöglich nur lauwarmes portugiesisches Wasser an Bord. Kein Wunder, wenn man dann ständig an Bauchgrimmen leidet.“

      „Du hast es erfaßt, Ed. Ich wette, daß die ersten Kneipen nicht weit von den Kaimauern entfernt sind. Wie ich dich kenne, wirst du bestimmt die Preise und vor allem die Qualität der portugiesischen Weine gründlich prüfen, nicht wahr?“

      Der Profos zog ein Gesicht, als sei ihm Unangenehmes auf getragen worden. „Einer muß es ja tun, Sir. Und bevor es Streit darum gibt, stelle ich mich freiwillig zur Verfügung. Auch Wein will geprüft werden, bevor man einige Fässer davon kauft, sonst erwischt man am Ende noch irgend so ein süßes Gesöff, das einem beim Trinken die Stiefel auszieht. Deshalb sage ich immer: Herb muß er sein. Herb und spritzig, wie zum Beispiel der Vinho verde aus Nordportugal. Doch trotz der vielen Arbeit, die mir der Wein bereitet, darf ich den Rum nicht vergessen. Gerade ein solches Getränk muß ausgiebig auf sein Aroma hin untersucht werden …“

      „Jetzt aber genug“, fiel ihm der Kutscher ins Wort. „Man meint ja, wir wären nach Lissabon gesegelt, um ein Saufgelage zu veranstalten. Was wir dringend brauchen, ist Proviant. Ich betone dieses Wort noch einmal speziell für dich, mein lieber Ed: Pro-vi-ant!“ Und mit einem süffisanten Grinsen fügte er hinzu: „Wenn wir den nämlich vergessen, muß ich doch noch einige Hirschkäfer für dich mästen.“

      Die Schebecke legte an einem langgezogenen Steg an und wurde an den Pollern vertäut. Dann erst sichtete der Seewolf das Boot des Hafenkapitäns. In seiner Person nahte sich die erste Bewährungsprobe für die Arwenacks.

      Der kleine, kugelrunde Mann, der in einer malerischen Uniform steckte, wurde von vier Soldaten herangepullt. Sein gerötetes Gesicht und die bläulich verfärbte Nase verrieten auf Anhieb, daß er den Vinho verde regelmäßig und ausgiebig auf seine Qualität hin zu überprüfen pflegte. Um diese Tätigkeit nicht zu lange unterbrechen zu müssen, kam er ohne jegliche Umschweife zur Sache.

      „Wo ist der Capitán?“ rief er in spanischer Sprache. Offensichtlich hatte er sich an der spanischen Flagge orientiert. Das Boot schor an Backbord längsseits.

      Hasard beugte sich über das Schanzkleid.

      „Hier bin ich, Señor.“

      „Name?“

      „Alfredo Garcia. Ich bin als Kaufmann unterwegs nach Barcelona und einigen anderen Städten. Der Heimathafen ist Bilbao.“

      Der Hafenkapitän schien nicht sonderlich beeindruckt zu sein. „Was haben Sie geladen?“

      „Nichts, Señor“, antwortete der Seewolf. „Ich befinde mich auf Einkaufsfahrt und möchte hier nur meine Proviantvorräte etwas ergänzen.“

      Der Hafenkapitän war zufrieden und fing die Flasche Rum, die ihm Hasard zuwarf, geschickt auf.

      „Ich wünsche gute Geschäfte, Señor Garcia!“ rief er noch, dann wurde sein Boot von der Bordwand der Schebecke abgestoßen.

      „Das hätten wir hinter uns“, sagte Hasard. „Es hätte nicht problemloser gehen können.“

      Der Profos nickte bekümmert.

      „Schade um den guten Rum“, sagte er verdrossen, dann brummelte er noch etwas von „trunksüchtigen Rübenschweinen“ und „abgetakelten iberischen Saufeulen“ vor sich hin.

      Die kräftige Stimme des Mönches übertönte immer wieder das laute Geschrei der anderen Händler.

      „Vergeßt nicht, Brüder im Herrn“, rief Rodrigo, der „Sensenmann“, „daß für einen Christenmenschen nicht nur das Seelenheil wichtig ist, sondern auch die körperliche Gesundheit! Aus diesem Grunde hat der Herr Jesus, als er auf Erden wandelte, Blinde sehend und Lahme gehend gemacht. Ja, er hat sogar manch einen vom Aussatz befreit. Glaubt mir – es sind viele üble Krankheiten und Gebrechen, die auf dem Weg, der durch dieses irdische Jammertal führt, wie Räuber auf uns lauern, um uns zu überfallen und zu töten …“

      Old Donegal lauschte gebannt den Worten des spindeldürren Mannes in der schwarzen Kutte.

      „Recht hat er“, sagte er zu Paddy Rogers und Bill, der einst als Schiffsjunge zu den Seewölfen gestoßen war. „Es gibt eine Menge heimtückischer Krankheiten. Wenn man bedenkt, wie viele Menschen von der Pestilenz dahingerafft oder vom Zipperlein gar arg geplagt werden, kann man dem Mönch nur beipflichten.“

      Der alte O’Flynn hatte sich mit verschränkten Armen auf die Krücke gestützt, die ihm beim Gehen mit dem Holzbein gute Dienste erwies. Seit der fromme Mann am Reden war, hatte er alles, was um ihn herum auf dem Marktplatz geschah, vergessen – selbst den Kutscher, der höchstens zwanzig Schritte von ihm entfernt mit einem Händler heftig um die Gemüsepreise feilschte.

      „Dabei ist es so einfach, etwas für seine Gesundheit zu tun“, fuhr der Mönch mit lauter und beschwörender Stimme fort. Er hielt dabei eine Flasche hoch. „Wenn ihr morgens und abends einen einzigen Schluck von diesem Lebenselixier trinkt, werdet ihr strotzen vor Gesundheit und Wohlbefinden. Und was immer für ein Leiden euch plagt, es wird sich in Nichts auflösen, denn auf diesem heiligen Kräutertrank ruht der Segen des Herrn. Kommt her und greift zu! Der Preis ist niedrig!“ Er deutete auf einige Weidenkörbe, die hinter ihm standen und mit Flaschen gefüllt waren. Auf den erwünschten Zulauf brauchte er nicht lange zu warten.

      Old Donegal seufzte tief und gottergeben.

      „Vielleicht sollte man dieses Lebenselixier einmal versuchen“, sagte er. „Es ist bestimmt aus vielen seltenen Heilkräutern zubereitet worden, und zwar nach ganz bestimmten geheimnisvollen Rezepten.“

      Während Paddy Rogers ihn unschlüssig ansah, zuckte Bill mit den Schultern.

      „Ich weiß nicht“, sagte er mit skeptischem Gesicht. „Eigentlich fühle ich mich putzmunter. Ich wüßte nicht, für was ich dieses Zeug trinken sollte. Außerdem – wer garantiert mir, daß dieser Mönch die Wahrheit sagt? Schließlich gibt es viele Quacksalber und Scharlatane, die mit der Gutgläubigkeit einfacher Menschen ihre Geschäfte betreiben.“

      „Pah!“ Old Donegal winkte ab. „Grüne Jungs wie du können da noch gar nicht mitreden. In deinem Alter hat man noch keine Ahnung, welch wundersame Dinge es zwischen Himmel und Erde gibt.“

      Der dürre Mönch schien die Unschlüssigkeit der drei Männer zu bemerken. Er deutete jetzt mit ausgestrecktem Arm auf Old O’Flynn.

      „He, Bruder in Christo!“ rief er. „Warum hast du kein Vertrauen in den Herrn? Du bist nicht mehr der Jüngste und mußt deinen kranken und schmerzenden Körper mühsam auf eine Krücke stützend weil irgendein heimtückisches Leiden dir eines deiner Beine geraubt hat. Komm her und hole dir dieses köstliche Lebenselixier. Wenn du nur eine Flasche davon eingenommen hast, wirst du wieder springen können wie ein junger Ziegenbock.“

      Old Donegal lauschte hingerissen.

      „Ich werde die Probe aufs Exempel machen“, murmelte er.

      Bill


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