Seewölfe Paket 21. Roy Palmer
Читать онлайн книгу.sich ein Grinsen nicht verkneifen. Besonders augenfällig war die Behandlung des „Themas“ auf dem Schwarzen Segler. Auf dem Achterdeck thronte Thorfin Njal in seinem Sesselchen, und in beinahe regelmäßigen Abständen durchbrach sein Gebrüll die Stille, wenn er vom Ausguck wissen wollte, ob nicht endlich etwas zu sehen sei.
Auf der „Le Vengeur“ war Jean Ribault sogar selbst in den Vormars gestiegen, um mit dem Spektiv nach Westen und Nordwesten die Lage zu peilen. Und nicht minder aufmerksam waren die Ausgucks der „Pommern“, der „Tortuga“ und der „Caribian Queen“.
„Also heraus damit“, forderte der Seewolf, „welche Lösung des Problems hast du oben im Mars ausgebrütet?“
Dan lächelte kaum merklich.
„Vielleicht ist es tatsächlich eine Lösung. Weiß der Teufel, aber dieser verdammte Nebel von heute morgen hat mir immer mehr zu denken gegeben. Was ist, wenn wir den spanischen Verband in der Milchsuppe einfach verpaßt haben?“
Hasard und Ben Brighton wechselten einen Blick. Diese Möglichkeit hatten auch sie schon erwogen. Aber sie hatten sich mit einem solchen Gedanken noch nicht abfinden können.
„Wenn es so wäre“, erwiderte Hasard gedehnt, „dann hätten die Spanier eine Menge Vorteile auf ihrer Seite.“
„Ja, die Dons wären verdammt fein raus“, sagte Dan grimmig, „und mit jeder Meile, die wir uns voneinander entfernen, könnten sie mehr frohlocken. Kurz gesagt: Die Dons hätten längst in Sicht sein müssen. Aber sie sind’s nicht. Also? Wenn wir nicht bis nach Havanna durchsegeln wollen, sollten wir schleunigst umkehren.“
Hasard nickte bedächtig, und auch Ben Brighton wurde nachdenklich. Wenn es sich tatsächlich so verhielt, wie Dan andeutete, dann waren sie im Begriff, einen verhängnisvollen Fehler zu begehen.
Wie Dan den Platz im Vormars hatte auch Pete Ballie schon vor Stunden den Posten des Gefechtsrudergängers übernommen – in Erwartung der Auseinandersetzung, die längst überfällig war. Mit Fäusten so groß wie Ankerklüsen legte Pete Ruder, als Hasard Order gab, zwei Strich abzufallen und zu der an Backbord segelnden „Caribian Queen“ aufzuschließen.
Dan O’Flynns klare, von Wenn und Aber ungetrübten Überlegungen hatten für den Seewolf den Ausschlag gegeben. Ihm selbst war die Angelegenheit schon seit geraumer Zeit nicht mehr geheuer. Es mußte eine Entscheidung getroffen werden. Auf der Stelle.
Auf dem Achterdeck der „Caribian Queen“ leuchtete die rote Bluse Siri-Tongs über der Verschanzung, als sich die „Isabella“ heranschob und in Rufweite auf Parallelkurs ging.
„Kann sein, daß wir die Spanier im Nebel verfehlt haben!“ rief der Seewolf. „Was hältst du davon, wenn wir auf Gegenkurs gehen?“
Die Rote Korsarin antwortete ohne Zögern.
„Am besten sofort, Hasard. Ich bin dafür.“
Er hob die Hand und signalisierte damit, daß er verstanden hatte. Siri-Tongs Ansicht kannte er ohnehin bereits. Nach ihren Berechnungen hätten sie schon gestern auf den Gegner stoßen müssen, wenn nicht sogar noch früher. Was sich abgespielt hatte, war in höchstem Maße rätselhaft. Für einen Kampfverband konnte es Verzögerungen unterschiedlicher Art geben, soviel war klar. Andererseits aber würde sich ein zu allem entschlossener Verbandsführer bestenfalls von einer Flaute aufhalten lassen. Und die hatte es bei den derzeitigen Wetterbedingungen nicht gegeben.
Hasard ließ wieder anluven und hatte sich bald darauf auch mit den übrigen Kapitänen verständigt.
Jean Ribault war ebenfalls sofort einverstanden, auf Gegenkurs zu gehen. Jerry Reeves stimmte nach kurzem Überlegen zu, und Oliver O’Brien gab zu verstehen, daß man seiner Meinung nach schon am frühen Morgen hätte umkehren sollen. Thorfin Njal fluchte über die „dämlichen Torfköppe aus Havanna, diese Blindfische, die wohl dicke Klüsen vom vielen Rotwein hatten, daß sie einen Verband von sechs ausgewachsenen Galeonen glatt übersahen“. Von der umgekehrten Rechnung erwähnte Thorfin nichts, aber Hasard wertete sein Gebrüll als eindeutiges Ja zum Gegenkurs.
Eine Viertelstunde später war die gemeinsame Entscheidung in die Tat umgesetzt. Jeder Fetzen Tuch war gesetzt worden, und die sechs Schiffe des Bundes der Korsaren lagen auf Südostkurs.
Der Seewolf und seine Gefährten hatten beschlossen, alles an Fahrt herauszuholen, was nur möglich war. Daraus folgerte naturgemäß, daß sich ihre, geschlossene Formation auflösen mußte. Eins stand jedoch fest: Derjenige, der als erster auf den spanischen Verband stieß, würde unverzüglich angreifen und die Dons beschäftigen, damit die Freunde aufschließen konnten.
Schon sehr bald war es die „Pommern“, die deutlich zurückfiel. Oliver O’Brien und die Mitglieder der Crew Arne von Manteuffels wußten, daß sie gegenüber den übrigen Schiffen des Bundes in puncto Geschwindigkeit benachteiligt waren. Denn bei der zum deutschen Handelssegler umgebauten „Pommern“ handelte es sich um die ehemalige spanische Perlen-Galeone „Santa Clara“. Und die Spanier mußten seit einigen Jahren neidvoll zusehen, wie sie von den Engländern im Schiffbau immer mehr übertrumpft wurden.
Der alte Ramsgate hatte dafür auf seiner Werft in Plymouth ein leuchtendes Beispiel gegeben. Die Schiffe, die nach seinen Konstruktionsplänen gebaut worden waren, suchten auf den Weltmeeren ihresgleichen. Indessen waren es die Mißachtung seiner Leistungen und die gegen ihn gesponnenen Intrigen gewesen, die Hesekiel Ramsgate veranlaßt hatten, sich dem Bund der Korsaren anzuschließen und England den Rücken zu kehren.
Einen augenfälligen Beweis für die Genialität des Schiffsbaumeisters aus Plymouth lieferten in diesen Mittagsstunden des 23. Juli denn auch die „Isabella“, die „Le Vengeur“ und die „Tortuga“. Mit schäumender Bugwelle setzten sie sich von den übrigen Schiffen des Verbandes ab und gewannen einen beträchtlichen Vorsprung. Fast Bord an Bord mit der „Isabella“ segelte die „Le Vengeur“, gefolgt von ihrem Schwesternschiff „Tortuga“ unter dem Kommando von Jerry Reeves.
Damals in Bristol hatten es sich Jerry und seine Freunde nicht träumen lassen, daß sie einmal als Gefährten des Seewolfs ein neues Leben in der Karibik führen würden. Doch Hasard hatte ihre gute Zusammenarbeit beim Einsatz in der Bretagne nicht vergessen. So war es nur logisch gewesen, Jerry Reeves und die übrigen Männer in Bristol aufzustöbern und als Besatzung für die „Tortuga“ zu verpflichten. Jean Ribault, der auf der Werft des alten Ramsgate den Bau der „Le Vengeur“ und ihres Schwesternschiffs überwacht hatte, war mit dieser Regelung sofort einverstanden gewesen.
Schon damals, als das neue Domizil in der Karibik zunächst nur in ihren Planungen bestanden hatte, waren sich Philip Hasard Killigrew und seine Gefährten über eines im klaren gewesen: Den künftigen Lebensraum im Bereich der Schlangen-Insel würden sie gegen die schlimmsten Anfeindungen verteidigen müssen. Denn zu groß waren die Machtbestrebungen von spanischer und teilweise auch von englischer Seite, die sich gegen ihre Auffassung von Freiheit und Brüderlichkeit richteten.
Manch einer der Männer dachte heute an jene Anfänge im nebelverhangenen England zurück. Und stets hatten sie mit tödlichen Bedrohungen gerechnet, seit sie sich auf der Schlangen-Insel niedergelassen hatten. Die schlimmste Gefahr jedoch, die ihrer neuen Heimat jemals gedroht hatte, bestand in Form des spanischen Kampfverbandes aus Havanna. Das Geheimnis um die Schlangen-Insel war von der Black Queen aus Haß und Rachsucht verraten worden. Und dem Bund der Korsaren stand die größte Bewährungsprobe seit seiner Gründung bevor.
Im Verlauf der frühen Nachmittagsstunden vergrößerte sich der Vorsprung der drei Ramsgate-Schiffe zum Schwarzen Segler Thorfin Njals und auch zu Siri-Tongs „Caribian Queen“ immer mehr. Schließlich waren von den beiden letzteren nur noch die Mastspitzen an der nordwestlichen Kimm zu sehen.
Dan O’Flynn hatte wieder seinen Platz im Vormars eingenommen, und jeder einzelne Mann an Bord der „Isabella“ fieberte dem Moment entgegen, in dem Dans vertraute Stimme endlich das „Feind in Sicht“ melden würde.
Es war gegen 16 Uhr, als der Ruf des Ausgucks die Arwenacks aus ihren Gedanken aufschrecken ließ. Etliche hasteten los und wollten sich reflexartig auf Gefechtsstation