Seewölfe Paket 21. Roy Palmer

Читать онлайн книгу.

Seewölfe Paket 21 - Roy Palmer


Скачать книгу
Juan erkannte die Absicht der Schaluppenführer. Der Kollisionskurs war ihnen zu riskant. Vielmehr waren sie kaum merklich abgefallen. Mit dem Bug nach Südsüdost und in versetzter Position lauerten sie darauf, der vorbeirauschenden Schebecke die vollen Ladungen ihrer Backbordrohre zu verpassen.

      Mit schmalen Augen taxierte Don Juan die Distanz. Nicht mehr als eine halbe Kabellänge würde er von den Schaluppen entfernt sein, wenn sie sich für einen Moment auf gleicher Höhe befanden. Und an Steuerbord achteraus formierten sich die ersten beiden Wachhunde zur Verfolgung.

      Mit jedem Yard, den die Schebecke indessen auf Kurs Nordnordwest hinter sich brachte, vergrößerte sich die Entfernung zu den Galeonen und Karavellen des Verbandes.

      Das Feuer auf den Schaluppen war jetzt eingestellt worden. Sekunden des Belauerns setzten ein. Denn nur noch Sekunden würde es dauern, bis der Dreimaster den gefährlichen Bereich erreichte. Innerlich von eiskalter Ruhe erfüllt, schätzte Don Juan die winzige Zeitspanne ab. Der Vorteil des ersten Schusses war in dieser Lage von größter Bedeutung – sinnvoll aber nur dann, wenn einem auf Anhieb ein Treffer gelang, der das Zielaufnehmen des Gegners durcheinanderbrachte. Letzteres war bei den beweglich gelagerten Drehbassen eben nur allzu leicht möglich.

      „Feuer!“ rief Don Juan mit Donnerstimme und stieß im selben Moment die Lunte seines Hinterladers ins Zündloch.

      Zehn weitere Drehbassen an der Backbordseite des Dreimasters ließen sprühende Funken ihres Zündkrauts aufsteigen.

      Hart krängte die Schebecke nach Steuerbord, als die elf Geschützrohre fast im selben Sekundenbruchteil losbrüllten. Grelle Feuerzungen leckten nach außenbords. Im nächsten Augenblick mußten sich die Männer in Deckung werfen. Denn das Krachen ihrer eigenen Rohre wurde vom Feuer der Drehbassen des Gegners überlagert.

      Ein Schwarm von Geschossen rauschte heran. Etliche lagen zu kurz und verwandelten das Wasser an Backbord der Schebecke in einen Fontänenwald. Weitere Kugeln rasten über Hauptdeck und Achterdeck. Berstende Einschläge gingen den Männern durch Mark und Bein. Ramón Vigil hing fast am Ruder, aber es gelang ihm dennoch, um keinen einzigen Strich vom Kurs abzuweichen.

      Im verklingenden Nachhall der Schüsse begannen die Männer mit dem Nachladen. Don Juan richtete sich halb auf. Zufrieden stellte er fest, daß sie aus dem Gefahrenbereich der Schaluppen heraus waren. Doch einen Grund zum endgültigen Aufatmen gab es noch nicht. Denn jetzt jagten sie in das Schußfeld der beiden letzten Schiffe an der Backbordflanke des Kampfverbandes.

      „Volle Deckung!“ befahl Don Juan mit Donnerstimme.

      Ihnen blieb nur noch, ein Stoßgebet zum Himmel zu schicken. Jegliches Nachladen der Drehbassen wirkte sinnlos angesichts der schweren Stücke, deren Mündungen jetzt auf sie gerichtet waren. Ein wenig Hoffnung gab ihnen indessen die hohe Geschwindigkeit des schlanken Dreimasters.

      Die Breitseite des vorletzten Kriegsschiffs, einer Galeone, röhrte mit urgewaltigem Donner los. Die Mündungsblitze erhellten die Nacht mit blutrotem Schein. Das Krachen der Drehbassen, das den Männern noch in den Ohren lag, wirkte lächerlich dünn gegen den Feuerzauber, der jetzt über sie hereinbrach.

      Don Juan und seine Gefährten hielten den Atem an, als die ersten zu kurz liegenden Geschosse ins Wasser rasten und an Backbord masthohe Wassersäulen aufsteigen ließen. Sollte es tatsächlich der Fall sein, daß sie schon genügend Distanz gewonnen hatten?

      Noch während sie diesen Gedanken hegten, donnerte die Breitseite der in Backbord-Schlußposition segelnden Karavelle. Und wieder rauschten die Fontänen, wie von Gigantenkräften hochgerissen. Kein Bersten und kein Splittern jedoch, das den Schiffsrumpf hätte erbeben lassen.

      Noch einen Atemzug lang harrten die Männer schweigend aus. Dann sprangen sie auf und brachen in wildes Freudengebrüll aus. Auch Ramón Vigil richtete sich am Ruder auf und stimmte mit ein.

      Don Juan mußte ihre verständliche Freude dämpfen, indem er nach achteraus wies.

      Zwei Schaluppen hatten sich auf Verfolgungskurs gesetzt. Und es war nur noch eine Frage von Minuten, wann auch die anderen die Jagd aufnehmen würden.

      Auf Don Juans Anweisung hielt Ramón Vigil den Kurs, bis sie ausreichende Distanz von den beiden am Schluß des Verbandes segelnden Karavellen hatten. Dann gab er Order, die Schebecke nach Westen abfallen zu lassen. Bei raumem Wind nahm der Dreimaster sehr schnell höhere Fahrt auf. Kurz darauf hatten Don Juans Männer abermals Anlaß zu triumphierendem Gebrüll.

      Die Schaluppenbesatzungen hatten das Nachsehen. Mit den hervorragenden Segeleigenschaften der Schebecke konnten sie es nicht mehr aufnehmen. Sehr bald hatte die Dunkelheit die rot-weißen Segel verschluckt. Eine dichte Wolkendecke sorgte für fast völlige Finsternis, und die Männer unter Don Juan konnten endgültig aufatmen.

      „Das hätte ins Auge gehen können“, sagte der Bootsmann, und das Blitzen seiner Zähne zeigte an, daß er grinste.

      Don Juan gab Order, die Schäden zu überprüfen. Er mußte erkennen, daß es mit der Zeit der tollkühnen Raids vorbei war. Der Verband hatte sich gegen böse Überraschungen gewappnet.

       3.

      Im Schutz der Finsternis ließ Don Juan die Segel wegnehmen. Er brauchte Zeit und Ruhe, um sich einen Überblick über die Gefechtsschäden zu verschaffen. Kurz nachdem die Schaluppen außer Sichtweite zurückgefallen waren, hatte er nach Nordwesten angeluvt und ein beträchtliches Stück an Distanz gewonnen.

      Es bestand nur eine äußerst geringe Gefahr, daß sie von den Verfolgern doch noch aufgespürt wurden. Ohnehin hatten die Schaluppenführer sicherlich Order, sich nicht zu weit vom Verband zu entfernen. Das bittere Beispiel der von der Black Queen versenkten Karavelle mußte Cubera noch in hinlänglicher Erinnerung sein.

      Dennoch verzichtete Don Juan darauf, die Bordlaternen anzünden zu lassen. Es war nicht abzuschätzen, wie weit der Lichtschein bei den herrschenden Sichtverhältnissen reichen würde. Die Luft war klar, trotz des wolkenverhangenen Himmels. Dunstschleier und Nebelschwaden würden sich zweifellos erst in den frühen Morgenstunden so weit verdichten, daß sie vom Wind nicht mehr fortgetrieben werden konnten.

      Gemeinsam mit dem Bootsmann untersuchte Don Juan zunächst das Achterdeck. Hier hatte es keine Schäden gegeben. Anders jedoch auf der Kuhl.

      „Im Steuerbordschanzkleid haben wir drei hübsche Löcher“, sagte José Buarcos.

      „Und die Nagelbank beim Großmast gibt es nicht mehr“, fügte ein anderer hinzu.

      „Besser, als wenn es den Mast erwischt hätte“, sagte ein dritter.

      Aus dem weiteren Bericht der Männer entnahm Don Juan, daß die vordere Verzurrung des Beiboots zerfetzt worden war, und daß die Backbordverschanzung des Vordecks ebenfalls einen Treffer empfangen hatte. In keinem Fall hatte es jedoch Einschüsse unterhalb der Wasserlinie gegeben. Überdies würden sich sämtliche Schäden in relativ kurzer Zeit mit Bordmitteln beheben lassen. Die Einsatzfähigkeit der Schebecke war nicht beeinträchtigt.

      Don Juan ließ erneut die Segel setzen, und mit einer Halse nach Backbord ging der Dreimaster aus Ostkurs.

      „Anders habe ich es nicht erwartet“, sagte Ramón Vigil, als sein Kapitän auf das Achterdeck zurückkehrte. „Ich bin auch der Meinung, daß wir den Burschen noch einmal kräftig einheizen sollten.“

      „Wir müssen es tun“, sagte Don Juan und nickte, „daran gibt es gar keinen Zweifel. Die Frage ist nur, welche Taktik wir anwenden. Einen direkten Vorstoß können wir praktisch nicht mehr riskieren.“

      „Die Kerle beim Verband passen höllisch auf. Das muß man ihnen lassen. Bleibt uns also nur ein Trick, nehme ich an. Deshalb unser neuer Kurs, nicht wahr?“

      Don Juan lachte leise. Ramón Vigil bewies immer wieder, daß er nicht nur ein hervorragender Seemann und ein harter Kämpfer war. Auch seine Fähigkeit, in schwierigen Situationen klare Überlegungen anzustellen, war außergewöhnlich.

      „Mir


Скачать книгу