Seewölfe Paket 21. Roy Palmer

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Seewölfe Paket 21 - Roy Palmer


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       Kapitel 8

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       1.

      Karl von Hutten wußte nicht, wie oft er den Ratsfelsen schon erklommen hatte. Hundertmal? Vielleicht, aber es spielte keine Rolle. Von Bedeutung war hingegen, daß ihn der Ausblick, der sich von hier oben, bot, immer wieder aufs neue faszinierte. So auch an diesem Vormittag des 19. Juli 1594: Das Bild war beeindruckend, er ließ es auf sich einwirken.

      Einige Minutenlang stand er still und sah auf die Bucht mit den darin ankernden Schiffen, den Strand, die Hütten und den majestätischen Felsendom hinunter. Tiefblau war das Wasser, weiß der Sand. Die unterschiedlichen Farben der Felsen bildeten einen reizvollen Kontrast dazu. Diese Insel schien – wie er und die Freunde schon oft festgestellt hatten – das Paradies schlechthin zu sein, ein Hort der Ruhe und Unveränderlichkeit. Und doch täuschte der scheinbare Zustand des Friedens und der Sorglosigkeit über die wahren Tatsachen hinweg.

      Aufgerüstet wurde auf der Schlangen-Insel, und das schon seit Tagen. Verdruß hatte sich angekündigt, der Bund der Korsaren rüstete zum Kampf. Das große Geheimnis existierte nicht mehr, der Schleier war gelüftet: Die Spanier wußten jetzt, wo die Schlangen-Insel lag, die Black Queen hatte ihnen die Position verraten.

      Von Hutten verschränkte die Arme vor der Brust. Mußten sie den Gegner wirklich fürchten? War er so stark, wie sie annahmen? Die Nachrichten aus Havanna ließen keinen Zweifel und keine Fehldeutung zu. Die Insel war bedroht, ihre Bewohner schwebten in höchster Lebensgefahr – und das galt nicht nur für die Schlangen-Insel, sondern wahrscheinlich auch für Coral Island, wenn es dem Gegner einfiel, ein wenig die Umgebung abzusuchen, um weitere „Piraten“ aufzustöbern.

      Von Huttens Blick wanderte nach Westen, weit über die See hinaus. Aber noch zeigten sich keine Mastspitzen an der Kimm, noch ließ sich der Feind nicht blicken. Die Späher und Ausguckposten waren auf der Hut, sie würden jede Bewegung auf dem Meer unverzüglich melden.

      Prüfend schaute er zum Himmel auf – aber auch dort rührte sich nichts, nur ein paar weiße Wolkenfetzen glitten träge dahin. Keine Brieftaube erschien, neue Hinweise aus Havanna ließen auf sich warten.

      Ein Geräusch hinter seinem Rücken ließ ihn herumfahren. Hesekiel Ramsgate trat zu ihm und lächelte.

      „Was ist?“ fragte er. „Glaubst du, daß die Spanier sich irgendeinen Trick einfallen lassen, um heimlich zu landen?“

      „Der Trick muß erst noch erfunden werden“, erwiderte Karl von Hutten. „Aber, unter uns gesagt, ein bißchen zappelig bin ich inzwischen doch.“

      Ramsgate trat zwischen die Kanonen, die auf dem Ratsfelsen postiert worden waren, und fuhr mit der Hand über eins der Rohre. „Jede Art von Vorsorge ist getroffen worden, und es wird immer noch fieberhaft geschanzt und am Ausbau der Inselverteidigung gearbeitet.“

      „Mit anderen Worten, wir haben nichts zu befürchten?“

      „Die Kampfkraft der Spanier dürfte überragend sein.“

      „Also müssen wir damit rechnen, daß sie es schaffen, unsere Abwehr zu durchbrechen und tatsächlich zu landen“, sagte von Hutten. „Herrgott, wir sprechen darüber, als handle es sich um eine ganz normale, alltägliche Angelegenheit. Sind wir nicht alle ein bißchen übergeschnappt?“

      „Vielleicht. Aber du darfst nicht Vergessen, daß wir uns, was die Befestigung der Insel betrifft, gewissermaßen im Vorsprung befinden.“

      „Weil Siri-Tong durch die Anlagen, die sie schon seinerzeit geschaffen hat, ein erhebliches Stück Arbeit geleistet hat, ich weiß“, sagte von Hutten. „Wir haben ihr viel zu verdanken, sie hat vorausschauend gehandelt. Aber glaubst du wirklich, daß wir an alles gedacht haben?“

      „Die strategisch wichtigen Punkte sind mit Geschützen bestückt“, entgegnete der Alte. „An Munition mangelt es nirgends, und die Sperren sind ebenfalls eine harte Nuß, die der Gegner knacken muß, wenn er seine Invasionspläne in die Tat umsetzen will.“

      „Die Schlangen-Insel ist also uneinnehmbar?“

      „Wie denkst du darüber?“

      „Wir können sie halten“, erwiderte von Hutten. „Wir kämpfen mit Zähnen und Krallen, bis zum Letzten, das ist klar. Aber ich denke auch an die Frauen und Kinder. Und dieses Warten und die Ungewißheit zehren an meinen Nerven.“

      „Nun, wenn ich ehrlich bin – mir ist es auch lieber, wenn ich weiß, woran ich bin“, brummte der Alte. „Aber wir sind nun mal dazu verdammt, hier zu hocken und den Lauf der Dinge abzuwarten. Was meinst du, ob sich das Wetter noch ändert?“

      „Donegal sagt, es bleibt so, wie es ist. Er muß es Wissen, denn vor einem Umschwung meldet sich stets sein Beinstumpf.“

      „Am besten fragen wir ihn noch mal, wenn er zurückkommt. Vielleicht zieht doch ein Sturm herauf.“

      „Malst du jetzt den Teufel an die Wand?“

      „Nein, das liegt nicht in meiner Art“, erwiderte Ramsgate und grinste. „Ich denke immer nur an das Positive. Aber, übrigens – Donegal ist auch schon überfällig, nicht wahr?“

      „Hoffen wir, daß er bald einläuft“, sagte von Hutten, dann ließ er wieder seinen Blick schweifen.

      Die Aktivitäten auf der Schlangen-Insel brachen nicht mehr ab, ständig herrschte rege Betriebsamkeit. Zwischen den Schiffen und dem Ufer glitten die Jollen hin und her, die Schiffe wurden fix und fertig ausgerüstet. Es herrschte ständige Alarm- und Gefechtsbereitschaft – seit der Täuberich Dragan am 10. Juli Arnes Hiobsbotschaft aus Havanna gebracht hatte, daß die Position der Insel von der Black Queen an den Gouverneur Don Antonio de Quintanilla verraten worden wäre.

      Ferner war am 13. Juli der Täuberich Omar mit Arnes Nachricht gefolgt, daß Don Juan flüchtig sei und von den Schergen des Gouverneurs wegen Mordes an einer Dame der Gesellschaft gesucht würde. Seitdem wartete der Bund der Korsaren auf neue Botschaften von Arne von Manteuffel, und die Spannung wuchs von Tag zu Tag.

      Von Old Donegal Daniel O’Flynn, der noch am 10. Juni nach dem Eintreffen der Brieftaube Dragan mit der „Empress of Sea II.“ nach Westen zur Aufklärung in See gegangen war, hatte man in der Zwischenzeit nichts mehr gehört. Ramsgates Bedenken bezüglich der „Wettervorhersage“ des Alten mochten daher begründet sein, denn nunmehr waren immerhin neun Tage vergangen.

      Am späten Vormittag gab es endlich aber doch wieder Neuigkeiten. Karl von Hutten sah die Brieftaube, die sich der Insel näherte, in dem Augenblick, in dem auch einer der Posten ihr Auftauchen meldete. Von Hutten hatte sich ein Spektiv besorgt und verfolgte den Anflug des Tieres.

      Kurze Zeit darauf senkte sich der Täuberich Achmed in langgezogenen, kreisförmigen Bahnen auf die Insel und fiel in seinen Schlag ein. Das Glöckchen geriet in Bewegung, Achmeds „Gattin“ Fatima begann in dem Nebenschlag zu flattern und aufgeregt auf und ab zu hüpfen. Dann erschien Gotlinde und erleichterte Achmed um die neue Botschaft, die wie üblich von Jussuf in Havanna unter den Schwanzfedern befestigt worden war.

      Am Strand der Bucht versammelten sich alle um Karl von Hutten, der die Nachricht auseinanderrollte und verlas: „6 Kriegsgaleonen, 4 Kriegskaravellen 18. 7. 17.00 Uhr Kurs Osten ausgelaufen. An Bord von Flaggschiff Gouverneur. Verfolge Verband mit Don Juan und Schebecke, um bereits zuzuschlagen – Arne.“

      „Großartig“, sagte Hasard mit grimmigem Gesicht. „Jetzt wissen wir es endlich. Die Unsicherheit und das Warten sind vorbei. Kurs Osten – das bedeutet Ziel Schlangen-Insel. Freunde, der Bund der Korsaren tritt sofort zur Beratung zusammen.“

      „Eins ist mir nicht ganz klar“, sagte der Wikinger, als er sich mit Hasard, Siri-Tong, Jean


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