Seewölfe Paket 21. Roy Palmer

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Seewölfe Paket 21 - Roy Palmer


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Männer, und für einen Moment war es, als sei nichts geschehen und als gelte es nicht mehr, einen zähen, bis zum äußerten kämpfenden Gegner zu bezwingen.

      „Wollen Sie sagen, daß Sie einen Splitter empfangen haben, Señor?“ fragte Cubera laut – beinahe so laut, daß es auch an Bord der Schaluppen zu verstehen war, auf die sie jetzt zuhielten.

      „Ja!“ stieß Don Antonio mit spitzer Stimme hervor. „Und hören Sie auf, mich vor Ihren Leuten zu erniedrigen!“

      „Ich erniedrige Sie nicht, ich stelle nur den Sachverhalt fest“, sagte Don Garcia Cubera, „das ist alles. Profos!“

      „Señor?“

      „Don Antonio de Quintanilla verlangt, von unserem Arzt behandelt zu werden. Wie ist zur Zeit die Lage?“

      „Es sind noch vier andere vor dem Di… dem Señor Gouverneur an der Reihe!“ rief der Profos. „Er kann sich auf die Warteliste setzen lassen, wenn er will!“

      „Das ist eine Unverschämtheit!“ schrie Don Antonio.

      Cubera beugte sich etwas vor. „Eine was? Habe ich Sie richtig verstanden?“

      „Will sagen – daß ich natürlich so lange warte, bis ich an der Reihe bin“, murmelte der Dicke mit kläglicher Miene. Sein innerer Widerstand war zusammengebrochen, er war nur noch ein Häufchen Elend – und der Splitter steckte nach wie vor Vierkant in seinem Allerwertesten.

      Was tun? Es hatte keinen Zweck, aufzubegehren und herumzuschreien, dadurch wurde alles nur noch schlimmer. Ein Mann wie Cubera war auch durchaus imstande, ihn einfach wieder unter Kammerarrest zu stellen.

      Deshalb stand Don Antonio de Quintanilla da, klammerte sich fest und wartete darauf, endlich in das Schiffslazarett geführt zu werden, das im Vordeck der Galeone eingerichtet war.

      Der Schiffsarzt der „San José“ war nicht der derbe und grobschlächtige Zeitgenosse, als den man sich den Wundarzt und Feldscher einer Kriegsgaleone im allgemeinen vorstellte. Er war ein schlanker Mann mit feinsinnigen Zügen und einer gehörigen Portion Humor – die er auch brauchte, um in seinem Metier bestehen zu können.

      Er hieß Almenara und stammte aus Fornovalasco. Kein Mensch außer ihm hatte jemals von diesem Ort gehört, der nicht in Spanien, sondern in Italien lag und wohl nicht einmal mehr als hundert Seelen zählte. Früh, im Alter von drei Jahren, hatte es Almenara nach Spanien verschlagen, wo sein Vater als Arzneimittelhändler reichlich Arbeit und ein bescheidenes, aber hübsches Heim im tiefsten Andalusien gefunden hatte.

      Almenara war als die Verschmitztheit des reinblütigen Italieners zu eigen, wenn er sonst auch wie ein typischer Spanier empfand. Diese Charaktereigenschaft hatte er sich bewahrt, und sie half ihm über viele Situationen hinweg, in der manch anderer an seiner Stelle zumindest die Nerven verloren hätte.

      Zum Beispiel der Seemann, den er gerade auf dem Behandlungstisch des Lazarettraumes unter sich hatte: Diesen armen Teufel hatte es mitten ins Gesicht getroffen, als ein Pulverpfeil auf dem Hauptdeck explodiert war. Er hatte das linke Auge eingebüßt, es war nicht mehr zu retten. Sein Mund war verunstaltet, seine Wangen bluteten, seine Stirn war durch eine ebenfalls heftig blutende Platzwunde böse gezeichnet. Am schlimmsten aber waren die Laute des Mannes. Er stöhnte und schrie zum Gotterbarmen, und die beiden Sanitätsgasten, die Almenara zur Hand gingen, wußten nicht, wie sie ihn zum Schweigen bringen sollten.

      „Warum wirst du nicht ohnmächtig?“ fragte ihn der eine. „Hölle, es wäre besser für dich, Kamerad. Wenn du nachher wieder zu dir kommst, ist alles vorbei.“

      „Mein Auge!“ schrie der Mann. „Ich seh’ nichts mehr!“

      „Holt mal die eiserne Reserve aus dem Schapp“, sagte Almenara. „Her damit. Beeilt euch!“

      Ein Sanitätsgast eilte zum Schapp, riß die Tür auf und holte die bauchige Flasche, die gemeint war. Almenara ließ sie sich aushändigen.

      Er entkorkte sie, setzte sie dem Patienten an die Lippen, nickte ihm aufmunternd zu und brummte: „Trink. Das ist ein feiner Tropfen, den du richtig kosten solltest.“

      Der Seemann saugte an der Flasche wie ein Kind. Das scharfe Getränk brannte in seiner Kehle, in seinem Hals und tief in seinem Inneren, und es schien ihm die Sinne rauben zu wollen. Gleichzeitig ließen aber auch die gräßlichen Schmerzen etwas nach.

      „Das ist echter Grappa“, sagte Almenara. „Aus meiner Heimat Italien. Das Zeug wird aus dem Trester, den Rückständen bei der Weinherstellung, gewonnen.“ Sorgfältig tupfte er das gesunde Auge des Mannes mit einem sauberen, weißen Tuch ab, das er mit einer seiner geheimnisvollen Substanzen getränkt hatte. „So, und jetzt versuche mal, das rechte Auge zu öffnen.“

      „Ich trau’ mich nicht.“

      „Du bist ein dummer Tropf“, sagte Almenara. „Weil du dich im Moment nur selbst bemitleidest. Das zählt bei mir nicht. Stell dir vor, ich hätte dir ein Bein oder einen Arm abnehmen müssen. Oder den Kopf. Das wäre viel schlimmer gewesen.“

      Der Seemann mußte trotz seiner Lage grinsen – und er versuchte es. Das Augenlid öffnete sich, er konnte alles erkennen: Almenara, die Sanitätsgasten und alle Einzelheiten des Raumes, die ihn umgaben.

      „Ich bin ja doch nicht ganz blind“, murmelte er erstaunt.

      Almenara verabreichte ihm noch rasch einen Schluck Grappa, dann sagte er: „Und du solltest froh sein. Du hättest sterben können.“

      „Ja, ich weiß.“

      „Bei mir zu Hause sagt man: Ein Auge reicht zum Sehen, zwei sind überflüssig. Ein reiner Luxus. Ist dir das klar?“

      „Ja“, erwiderte der Seemann und grinste weiterhin. „Und du bist ein verfluchter Satansbraten, Señor Doktor. Ich danke dir für das, was du für mich tust.“

      „Das ist meine verdammte Pflicht“, sagte Almenara, dann säuberte und verband er das Gesicht des Mannes. „Steh mal auf“, sagte er anschließend. „Du kannst nämlich auf deinen beiden Beinen stehen und bestens laufen, wette ich.“

      Auch das gelang. Der Seemann verließ allein und aus eigenen Kräften das Lazarett, obwohl er natürlich noch entsetzliche Schmerzen litt. Aber der scharfe Grappa hatte sie tatsächlich etwas gedämpft.

      „So“, sagte Almenara. „Das war der letzte, nicht wahr?“

      „Nein“, entgegnete einer seiner Helfer – jener, der die Grappaflasche aus dem Schapp geholt hatte. „Da wäre noch einer: Don Antonio.“

      „Don was? Nein, tut mir das nicht an.“

      „Haben Sie ihn nicht schreien hören?“ fragte der zweite Sanitäter.

      „Schon, aber der schreit ja, seit das Gefecht begonnen hat. Er dürfte wohl die Beinkleider gestrichen voll haben.“

      „Auch das“, erklärte der erste Helfer. „Aber inzwischen ist er von einem Splitter getroffen worden.“

      „Wo?“

      „In seinem dicken Hintern.“

      „Das geschieht ihm recht.“

      „So denken wir auch, Señor“, sagte der zweite Mann. „Aber der Kommandant hat soeben den Befehl gegeben, Don Antonio ins Lazarett zu schaffen, sobald die Decksleute und Soldaten versorgt sind.“

      „Dann bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als dem Kerl zu helfen“, sagte Almenara grimmig. „Aber verdient hat er’s nicht, beim Henker nicht.“

      Wenig später schleppten die Sanitätsgasten den Dicken an. Er jammerte und schien sich kaum noch auf den Beinen halten zu können. Almenara stemmte die Fäuste in die Seiten und blickte ihn an, als sie sich gegenüberstanden.

      „Nun? Wo zwickt es denn?“ fragte er.

      „Das wissen Sie bereits“, versetzte der Gouverneur gepreßt.

      „Das weiß ich nicht.“

      „Der


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