Seewölfe Paket 16. Roy Palmer
Читать онлайн книгу.sich schleunigst zur Back, um Abstand zwischen sich und Ed Carberry zu bringen.
Die Galeone kreuzte indessen unermüdlich.
Pünktlich, in der beginnenden Abenddämmerung, passierte sie Kullen und stand wenig später querab vom Höganäs. Die Situation war der vom 8. Februar 1593 genau gleich, nur war damals die „Isabella“ hier vor Anker gegangen.
Die Lockvogel-Crew sollte schneller als erwartet erleben, daß auch der Rest ihres Planes so ablaufen würde, wie sie sich das vorgestellt hatte. Zumindest in groben Zügen.
Aage Svensson und seine Schnapphähne lagen tatsächlich auf der Lauer, um Schiffe auszunehmen, die in den Öresund segeln wollten.
Die Seewölfe brauchten jedenfalls nicht lange zu warten, bis die wohlbekannte Schaluppe auftauchte. Sie erschien ganz plötzlich und segelte aus Norden heran. Offenbar hatte sie Kullen gerundet und war dann aus der Bucht von Skälderviken hervorgestoßen.
„Wenn man vom Teufel spricht, dann kommt er auch schon“, sagte Roger Brighton, Bens jüngerer Bruder. „Der Kerl scheint immer nach der gleichen Methode zu arbeiten.“
Von jetzt an spielten die Männer ihr Spiel perfekt. Während Ben Brighton zur Kuhl abenterte, um mit Edwin Carberry, Matt Davies und Stenmark auf Station zu gehen, begab sich Al Conroy auf das Achterdeck. Ab sofort spielte er den Kapitän. Dan O’Flynn und Bob Grey verzogen sich mit einigen Flaschenbomben ebenfalls auf das Achterdeck, wo Roger Brighton gerade Luke Morgan am Kolderstock ablöste, damit dieser zusammen mit Gary Andrews zur Back verholen konnte. Beide sollten dort mit Flaschenbomben bereit sein.
Mac Pellew, der noch in der Kombuse zu tun hatte und sich auch nicht aus der Ruhe bringen ließ, stellte vorsorglich ein Tromblon hinter das Schott.
Vorerst „trödelten“ die Seewölfe ein bißchen herum, als seien sie unschlüssig, ob sie in den Sund segeln oder aber vor Einbruch der Nacht Anker werfen sollten. Das taten sie solange, bis die Schaluppe aufgeschlossen hatte.
Was die Männer von der „Isabella“, erwartet hatten, geschah. Ihre Lockvogel-Galeone, von deren Topp längst die englische Flagge wehte, wurde angepreit.
Jetzt erst ließ Al Conroy, der neue „Kapitän“, die Segel ins Gei hängen und bediente sich Stenmarks als Dolmetscher.
Die Seewölfe erkannten den blonden Kleiderschrank namens Aage Svensson sofort wieder. Er jedoch schien völlig arglos zu sein. Seine bisherigen Erfolge als Beutelschneider hatten ihn selbstsicher werden lassen.
Genau wie einige Tage zuvor sagte Svensson in dänischer Sprache seinen Spruch auf und fragte nach dem Woher und Wohin. Dann verlangte er die Zahlung des Sundzolls.
Al Conroy erwies sich als ein sehr zahlungswilliger Kapitän und brachte sogar seine Freude darüber zum Ausdruck, daß er die Angelegenheit schon hier erledigen könne und nicht erst den Hafen von Helsingör anlaufen müsse.
„Ich lasse Mister Svensson an Bord bitten!“ übersetzte Stenmark von der Kuhl aus. Alsdann wurden dienstbeflissen die Leinen wahrgenommen und die Jakobsleiter abgefiert.
Wenig später enterte der schwedische Schnapphahn zusammen mit seinen beiden „Schreibern“ ahnungslos an Bord.
Von jetzt an überstürzten sich die Ereignisse.
In dem Augenblick, in dem Aage Svensson und seine Kumpane ihre Füße auf die Planken der Kuhl setzten, geschehen mehrere Dinge gleichzeitig.
Ed, Ben und Matt stürmten aus ihren Verstecken.
Aage Svensson und die beiden Kerle zuckten zusammen wie vom Blitz getroffen. Der kleine Dicke stieß einen überraschten Quieklaut aus, und dem Dürren, der wie eine abgebrochene Bohnenstange aussah, rutschten die Papiere und Federkiele unter dem Arm hervor. Nur das Tintenfaß hielt er noch fest in der Hand.
Edwin Carberry stürzte sich auf Aage Svensson.
„Jetzt kriegst du deinen Sundzoll, du Hundesohn!“ fauchte er. Dann schlugen seine Fäuste wie Schmiedehämmer zu.
Stenmark, der bis jetzt brav gedolmetscht hatte, hechtete ans Schanzkleid und zog die Jakobsleiter wieder hoch, dann sorgte er dafür, daß die Leinen wieder losgeworfen wurden.
Ben und Matt kümmerten sich inzwischen liebevoll um Svenssons Begleitpersonal.
Der kleine dicke Kerl, der in seinem Aussehen an ein Pulverfaß erinnerte, schnaubte vor Wut, während sich die „Bohnenstange“ geistesgegenwärtig ihres Tintenfasses entledigte. Irgendeine innere Stimme schien ihm gesagt zu haben, daß er dieses Utensil nicht mehr gebrauchen würde. Also schleuderte er es Matt Davies entgegen.
Der Mann mit der Hakenprothese duckte sich jedoch blitzschnell, so daß das Tintenfaß gegen den Großmast prallte und zersprang. Die blauschwarze Tinte spritzte durch die Gegend und zeichnete Matt Davies dennoch einige Muster auf das Gesicht.
Ben Brighton hatte sich den Dikken vorgeknöpft, der versuchte, sein Messer aus dem Gürtel zu reißen.
„Willst du wohl die Hände von dem Ding lassen!“ stieß Ben hervor, dann setzte er dem Schnapphahn die Faust unters Kinn.
Der Dicke warf die Arme hoch, als suche er in der Luft einen Griff zum Festhalten und taumelte dann unglücklicherweise genau auf Stenmark zu.
Dieser riß ihn herum, setzte seine Rechte nach und schickte den Kerl mit besten Grüßen zu Ben Brighton zurück.
Der Dürre bezog von Matt Davies die übelste Senge seines Lebens, und es war nur eine Frage der Zeit, wie lange er die Prozedur durchhalten würde.
„Du Ferkel hast mich mit Tinte bekleckert!“ fauchte Matt und landete wie zur Bestätigung seiner Worte einen weiteren Hieb. „Was meinst du, was ich von unserem Profos zu hören kriege, wenn der die Tintenflecken in meinem Gesicht sieht, he?“ Wieder hob sein Aufwärtshaken den Dürren fast aus den Stiefeln. „Einen blaugetupften Affenarsch nennt der mich!“ fuhr Matt fort. „Und so was lasse ich mir von dir abgemagertem Hering nicht gefallen!“
Edwin Carberry hatte mit Aage Svensson alle Hände voll zu tun. Der nordische Kleiderschrank hatte sich nicht einfach überrumpeln lassen, sondern erwies sich als außergewöhnlich reaktionsschnell. Als er begriffen hatte, daß er in eine Falle getappt war, hatte er einen lauten Fluch ausgestoßen und sich dann dem anstürmenden Edwin Carberry entgegengeworfen, den er wegen seiner „freundlichen“ Art noch von der „Isabella“ her in Erinnerung hatte. Schließlich lag die erste Begegnung ja erst wenige Tage zurück.
Drüben auf der Schaluppe standen die Piraten wie erstarrt. Offensichtlich hatte keiner von ihnen mit einer solchen Überraschung gerechnet. Und als sie endlich begriffen, was da gespielt wurde, und mit lautem Gebrüll zu ihren Waffen greifen wollten, da mußten sie die bittere Erfahrung sammeln, daß man auf der Galeone auch an sie gedacht hatte.
Vom Achterdeck her dröhnte der Schlachtruf der Seewölfe. Dan O’Flynn war es, der ein lautes „Ar-we-nack!“ über die Decks schmetterte. Die anderen Lockvögel von der „Isabella IX.“ stimmten sofort in den Ruf ein.
Dann brach das Inferno über das Piratenschiff herein.
Wie verabredet, schleuderten Dan vom Achterdeck und Gary Andrews von der Back aus je eine Flaschenbombe zu den Schweden hinüber, nachdem sie die Lunten in Brand gesetzt hatten.
Mit ungeheurer Wucht detonierten die Flaschen, die mit Pulver und Nägeln sowie mit Blei- und Eisenstükken gefüllt waren.
Laute Schreie zerrissen die Abenddämmerung, dann flogen buchstäblich die Fetzen. Das Vorschiff und das Achterdeck der Schaluppe wurden stark verwüstet. In einem weiten Umkreis regnete es Trümmerstücke.
Auch auf der Galeone mußten die kämpfenden Parteien für einen Augenblick die Köpfe einziehen, um nicht unversehens von Splittern oder zerfetzten Planken getroffen zu werden. Die Wucht der Explosion ließ beide Schiffe heftig in den Wellen schaukeln.
Wieder tönte ein lautes „Ar-we-nack!“ vom Achterdeck, dann flogen auch die Flaschen Bob Greys und Luke Morgans durch die Luft. Gleich