Seewölfe - Piraten der Weltmeere 117. Roy Palmer

Читать онлайн книгу.

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 117 - Roy Palmer


Скачать книгу
hastete auf die Fockwanten der Backbordseite zu. Im Dahinturnen angelte er sich einen Belegnagel, dann hatte er die Webeleinen erreicht und klomm erstaunlich schnell darin empor, um aus der Höhe auf seine Art in den Kampf einzugreifen.

      Nakamura duellierte sich inzwischen mit Sam Roskill.

      Nakamura stieß Schreie aus, die jedem Samurai zur Ehre gereicht hätten. Roskill konnte das nicht beeindrucken. Er war ein kampferprobter Mann, ein mit allen Wassern gewaschener ehemaliger Karibikpirat, schlank, frech und draufgängerisch.

      Glaubte er allerdings, mit dem Japaner leichtes Spiel zu haben, so hatte er sich getäuscht. Nakamura erwies sich als guter Fechter – und er würde sich nicht noch einmal die Waffe aus den Händen schlagen lassen wie auf der Galeone von de Romaes. Er setzte alles daran, Sam mit einem Streich zu fällen.

      Bill war inzwischen wieder auf den Beinen und schaute zu Batuti, der mit rollenden Augen und erhobenem Morgenstern dem Uiguren nachrückte. Tijang, ein muskulöser, stumpfsinniger Mensch, dem das Ausdrücken irgendwelcher Gefühle völlig abging, drosch mit dem Säbel auf den rothaarigen Schiffszimmermann ein, als wäre die Waffe ein Knüppel. Ferris geriet ernsthaft in Bedrängnis. Er fluchte, wie Carberry es besser nicht gekonnt hätte, wich zurück und hatte Mühe, sich gegen den wuchtigen Kerl zu behaupten.

      Tijang stieß einen gellenden Triumphschrei aus.

      Nakamura fühlte sich angestachelt. Noch heftiger als zuvor hieb er auf Sam Roskill ein.

      Gary Andrews wollte Nakamura in die Seite fallen, aber Sam rief ihm zu: „Laß, Gary, ich will allein mit diesem Bastard fertig werden!“

      Batuti wollte Tijang den Morgenstern aufs Haupt schlagen, aber der alte O’Flynn hielt ihn energisch zurück. „Bau keinen Mist, Mann! Ferris würde das nie auf sich sitzenlassen.“

      „Gelbmann bringt Ferris um“, grollte der schwarze Goliath.

      Old O’Flynn spähte mit verkniffener Miene zu den Kämpfenden. „Wart’s doch ab.“ Jawohl, er hatte den Nagel auf den Kopf getroffen, Ferris würde es nie und nimmer billigen, daß die anderen in diesen Zweikampf eingriffen. Aber auch der alte Donegal hielt das Entermesser bereit, um es auf den Uiguren zu schleudern, falls dieser den Zimmermann zu töten drohte.

      Genauso verhielten sich Will Thorne, Stenmark und Bill.

      Nur auf einen traf diese Absprache, diese oft erprobte Methode, nicht zu: auf den Schimpansen. Der hockte bereits auf der Großsegelrah und zielte mit dem hölzernen Koffeynagel.

      Nakamura kreuzte immer noch mit Sam Roskill die Klinge. Der Japaner hatte Oberwasser, er glaubte zu siegen, aber wäre alles nach seinem ursprünglichen Plan verlaufen, dann wäre die „Isabella“ weitaus undramatischer in seine Hände gefallen.

      Auf der Kuhl angelangt, hatten Nakamura und Tijang Bill und Batuti Dolche in den Rücken drücken und sie als Geiseln nehmen wollen. Im stillen leuchtete es dem Japaner jetzt ein, daß er einen Fehler begangen hatte. Schon in dem von Batuti und Bill zur „Isabella“ gepullten Beiboot hätte er handeln sollen.

      Aber er hatte befürchtet, daß einer der beiden Alarm schlug, selbst auf die Gefahr hin, erstochen zu werden. Er, Nakamura, kannte diese weißhäutigen Männer inzwischen zur Genüge: Bei ihnen ging die Tollkühnheit auch so weit, daß sie ihr Leben aufs Spiel setzten, um die Kameraden zu retten.

      Nakamura hatte das in sein Kalkül einbezogen – und sich dann doch verrechnet.

      Aber jetzt sah es so aus, als würden die acht Männer seinem brutalen Angriff unterliegen. Vielleicht waren sie zu überrascht, zu wenig auf eine Attacke vorbereitet, hier, in der Beschaulichkeit des Flusses Jinzhonghe und seiner Umgebung.

      Arwenack warf den Belegnagel, aber genau in diesem Moment wich Sam Roskill vor einem wuchtigen Hieb des Japaners zurück. Es geschah selten, daß der Affe mit seinen Wurfgeschossen danebenzielte. Er hatte schon oft mitgemischt, wenn ein Handgemenge übers Oberdeck der „Isabella“ tobte, aber Fehler begingen nicht nur die Menschen, sondern auch Affen, und waren sie auch, noch so gewitzt.

      Der Koffeynagel traf Sam.

      Sam kriegte ihn genau auf den Hinterkopf, und er hatte den Eindruck, seine Schädeldecke platze. Stöhnend hielt er inne, geriet ins Wanken und drohte zu stürzen.

      Nakamura holte zum Todesstoß aus.

      War das wahr? Sollten die Seewölfe ausgerechnet jetzt, nachdem sie Khai Wang geschlagen und all ihre Ziele erreicht hatten, eine so schmähliche Niederlage erfahren?

      Gary Andrews federte vor. Seine Degenhand zuckte hoch. Die Klinge blitzte im Sonnenlicht und fuhr unter den vorschießenden Säbel des Japaners. Bill, der Schiffsjunge, schrie entsetzt auf, weil Garys Einsatz zu spät zu erfolgen schien.

      Sam wurde unter den dröhnenden Schmerzen seines Schädels ohnmächtig. Er versuchte sich zu bezwingen, schaffe es aber nicht. Er sank in den Knien ein, unfähig, noch etwas zu seiner Verteidigung zu tun.

      Garys Degenklinge knallte unter den Säbel und brachte ihn aus seiner ursprünglichen Richtung. Nakamura schrie wie ein Besessener, aber das änderte auch nichts – der Säbel schrammte mit seiner Spitze über Sams rechte Schulter, riß aber keine tiefe Wunde.

      Gary drückte, stemmte den Degen hoch, war dicht vor Nakamura und zwang ihn von Sam Roskill weg. Für einen Moment standen sie mit gegeneinandergepreßten Waffen, starrten sich in die Gesichter und lieferten sich eine höllische Kraftprobe. Dann riß Nakamura plötzlich den Säbel zur Seite. Die Klingen radierten, Metall fuhr mit schrillem Laut über Metall und war jäh wieder voneinander gelöst.

      Gary deckte Nakamura mit einem wahren Feuer von Streichen ein, und diesmal rückten nun auch die anderen gegen den Japaner vor: Old O’Flynn, Will Thorne, der Segelmacher, und Stenmark, der große blonde Schwede.

      Nakamura wich zurück.

      Ferris Tucker schwitzte aus allen Poren, sein Gesicht glänzte, und er atmete heftig. Aber er hatte inzwischen eine Wende in das Duell gegen den Uiguren bringen können. Das hing damit zusammen, daß er Tijangs Schwäche erkannt hatte. Tijang hatte viel wilden Mut in seine Attacke gelegt und es beinah geschafft, Hasards rothaarigen Schiffszimmermann zu überwältigen. Aber es mangelte ihm an der nötigen Ausdauer. Er hatte weniger davon, als man ihm aufgrund seiner Statur und seines Auftretens zutraute.

      Tijang ließ nach.

      Ferris hatte eine gute Verteidigung aufgebaut. Jetzt lieferte der dem Gegner für eine Weile einen hinhaltenden Kampf – um frische Energien zu schöpfen und zum entscheidenden Schlag auszuholen.

      Bill atmete auf. Batuti grinste und suchte mit dem Blick den alten O’Flynn, aber der humpelte inzwischen, einen Cutlass schwingend, mit den anderen auf Nakamura zu. Wie der alte Seebär es fertigbrachte, sich mit Holzbein und Krücken voranzubewegen und trotzdem eine Waffe zu führen, konnte man kaum erklären, man mußte es gesehen haben.

      Nakamuras Miene hatte sich verändert. Der wilde Triumph war gewichen, ein Ausdruck der Erschütterung und Verzweiflung nahm auf seinen Zügen Gestalt an.

      Er begriff seinen zweiten Fehler. Statt Sam Roskill töten zu wollen, hätte er ihn sich greifen, ihm den Säbel gegen die Gurgel halten und ihn als Geisel benutzen sollen. Aber Nakamura hatte sich von seiner fanatischen Vergeltungssucht verleiten lassen.

      Jetzt war es zu spät, an den Gegebenheiten etwas zu ändern.

      Sam Roskill lag in der Nähe der Kuhlgräting, Bill war bei ihm und hatte sich über ihn gebeugt. Zwischen den beiden und Nakamura befanden sich als wütende, wehrhafte Barriere Gary, Will, Stenmark und der alte Donegal Daniel O’Flynn. Niemals konnte Nakamura diese Mauer durchbrechen.

      Ferris knallte seinen Säbel noch zweimal gegen Tijangs Waffe, dann startete er einen vehementen Ausfall. Die Anwehr des Uiguren zerbrach wie morsches Holz, Ferris hackte auf ihn ein, als habe er seinen Säbel mit der Zimmermannsaxt verwechselt. Dann, ganz unversehens, lösten sich Tijangs Finger vom Griff des Säbels. Er stieß einen Wehlaut aus und ließ ihn fallen. Er hatte keine Zeit, noch irgend etwas anderes zu unternehmen: Ferris’ freie Faust raste


Скачать книгу