Seewölfe - Piraten der Weltmeere 83. Roy Palmer

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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 83 - Roy Palmer


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dabei sein Rammkinn vor, eine akrobatische Meisterleistung, die nur er zustandebrachte. Wutschnaubend rückte er auf Bill, den fünfzehnjährigen Schiffsjungen, zu und grollte: „Ja, Kreuzdonnerwetter noch mal, was nimmst du dir eigentlich deinem Profos gegenüber ’raus?“

      Ein scharfer Laut ertönte vom Achterdeck her und stoppte ihn. „Profos!“

      Carberry drehte sich auf dem blanken Hacken seines rechten Fußes, richtete sich zu seiner vollen Größe auf und blickte zu Hasard.

      Der stand mit verschränkten Armen an der Five-Rail und rief ihm zu: „Ed, laß es gut sein!“

      „Ich – aye, aye, Sir!“

      Carberry widmete sich wieder seiner Aufgabe, ohne jedoch auf Bill loszugehen. Er murmelte nur etwas von „Frechheit“ und „Rotzlöffel“ und ließ es dabei bewenden. Bill war es im Grunde gar nicht recht, daß der Seewolf eingegriffen hatte. Er war der Meinung, selbst mit Carberry fertig werden zu können.

      Aber Hasard teilte diese Meinung nicht. „Bill übertreibt manchmal ein bißchen“, sagte er zu Ben Brighton und den anderen auf dem Achterdeck. „Er könnte sich ruhig mehr zurückhalten.“

      Ben, auch nur noch mit einer aufgekrempelten Hose bekleidet, erwiderte: „Du vergißt, daß Ed den Jungen aufzieht, wo sich die Gelegenheit bietet.“

      „Stimmt, aber Bill kann sich nicht mit ihm messen.“ Hasard lächelte. „Schön, er möchte auch gern ein richtiger Seewolf werden. Aber er ist es noch nicht.“

      Shane trat dicht neben ihn hin. Der ehemalige Schmied und Waffenmeister von Arwenack-Castle bot einen denkwürdigen Anblick mit seinem über und über behaarten Leib und dem grauen Bartgestrüpp, das bis zur Brust reichte.

      „Hör mal“, sagte er. „Ich schätze aber, daß noch mal einer aus ihm wird.“

      „Was, Shane?“

      „Na, ein richtiger Seewolf.“

      Hasard lachte auf. „Ach so. Ich war mit den Gedanken schon wieder woanders. Natürlich wird Bill ein harter Kerl. Die passende Veranlagung dazu hat er ja.“

      Sie blickten zu Bill, der sich wütend mit dem Schwabberdweil abmühte. Ja, sie alle hatten den Jungen ins Herz geschlossen – nicht nur, weil sein sterbender Vater Hasard auf Jamaika das Versprechen abgenommen hatte, sich um Bill zu kümmern, sondern vor allem, weil der schwarzhaarige Bursche ein feiner Kerl war. Durch und durch aufrichtig und tollkühn. Einer, der in ihre Reihen paßte.

      Auf der Teufelsinsel, hatte Hasard es beinahe bereut, Bill an Bord der „Isabella“ genommen zu haben. Denn dort war es ihnen allen ganz bedenklich an den Kragen gegangen. Dort waren sie von den Spaniern gefangengenommen und zu Sklaven herabgewürdigt worden, und fast wäre es El Verdugo, dem Henker, gelungen, sie zu Tode zu quälen. Er hatte Bill hängen wollen. Nur durch einen Trick hatte Hasard es geschafft, ihn davon abzubringen, und noch heute erschien es dem Seewolf wie ein Wunder, daß sie sich überhaupt hatten befreien können.

      Er verscheuchte die düsteren Gedanken an das, was längst hinter ihnen lag. Sein Blick schweifte von der Kuhl ab und wieder hinüber zum schwarzen Segler der Roten Korsarin.

      „Hasard“, sagte Big Old Shane neben ihm.

      „Verdammt, was ist jetzt schon wieder?“ fragte Hasard, ohne zu dem Riesen zu schauen.

      „Die Hitze …“

      „Sie bringt die Luft zum Knistern und heizt sie mit Spannung an, stimmt’s?“ Hasard grinste breit.

      „Vor allem, was Siri-Tong betrifft, oder?“

      Hasard sah jetzt doch zu Shane. „Auf was willst du eigentlich hinaus, du Stier?“

      „Du spähst ja dauernd so komisch zu dem Mädchen ’rüber. Himmel, da weiß man doch Bescheid, wenn man nur dein verträumtes Gesicht sieht.“ Shane grinste noch breiter und wies auf den Strohhut, den er sich aufgesetzt hatte. Seine Krempe war völlig ausgefranst, das Ding machte Shane zu einer grotesken Gestalt. „Du solltest dir lieber auch so einen Hut besorgen.“

      „Rede doch keinen Quatsch“, sagte Hasard. „Ich habe genug schwarze Wolle auf dem Kopf, verstanden?“

      „Aye, aye, Sir.“

      „Seht ihr, was auf dem schwarzen Segler los ist?“ fragte Hasard seine Freunde. „Da geht es rund. Siri-Tong hat Rollenexerzieren angeordnet, und Thorfin Njal sorgt dafür, daß keiner aus der Reihe tanzt oder auf dumme Gedanken verfällt.“

      Ben, Shane, Ferris Tucker und der alte O’Flynn blickten nun gleichfalls zu dem Viermaster hinüber. Jawohl, die Rote Korsarin war dabei, ihrer neuen, kunterbunt durcheinandergewürfelten Mannschaft den richtigen Drill beizubiegen. Jeder mußte sich auf jeden einstellen und jede erdenkliche Aufgabe an Bord des Schiffes übernehmen können – auch die des Kapitäns.

      Dieses Rundum-Exerzieren hatte Siri-Tong erst vom Seewolf gelernt. Und sie hatte allen Grund, es jetzt in Anwendung zu bringen. Zu ihrer alten Stammcrew, den Piraten wie Juan oder der Boston-Mann, waren die Wikinger Thorfin Njal, Eike, Oleg, Arne und der Stör gekommen, anschließend dann Männer, die sie auf Tortuga angeheuert und schließlich die Männer von Tobago, die sie zuletzt rekrutiert hatte. Diese Männer mußten sich richtig aufeinander einspielen. Im Ernstfall durfte kein falscher Handgriff getan werden, das galt sowohl für die Segelmanöver als auch für die Arbeit auf den Gefechtsstationen.

      Thorfin Njal, Siri-Tong Miteigner, Steuermann und väterlicher Berater, regierte drüben auf dem Viermaster mit eiserner Hand. Etwa so wie Carberry auf der „Isabella“, nur nicht so lautstark.

      Carberry erschien auf dem Backbordniedergang, der das Quarterdeck mit dem Achterdeck verband und starrte Hasard an. Er triefte vor Schweiß.

      „Sir“, sagte er. „Wenn ich das ganze Wasser, das ich schon verloren hab, in einem Kübel aufgefangen hätte, könnte ich jetzt darin baden.“

      Hasard musterte seinen Profos leicht amüsiert. „Eine treffende Feststellung, Ed. Ist etwas nicht in Ordnung?“

      „Wie weit sind wir eigentlich noch von dem hundsverfluchten Äquator entfernt?“

      „Das läßt sich berechnen“, sagte Hasard.

      2.

      Bill mußte ins Achterkastell flitzen und aus der Kapitänskammer einen von Hasards sorgsam gehüteten Schätzen holen: die Navigationsgeräte. Anhand des Astrolabs, des Jakobsstabes, des Quadranten und der beachtlichen Anzahl Seekarten, die er im Laufe der Jahre gesammelt hatte, stellte Hasard dann seine Berechnungen an.

      Der Kompaß, den sie beim Erwerb ihrer „Isabella VIII.“ im Ruderhaus hatten anbringen lassen, leistete ihm eine weitere Hilfe bei der exakten Bestimmung ihrer Position und ihres Kurses.

      Von Navigation verstand der Seewolf inzwischen eine ganze Menge, und er hatte sein Wissen an seine Crew weitergegeben, wie er ihnen auch die spanische Sprache beigebracht hatte.

      Zwar wurde vielfach, vor allen Dingen auf den spanischen Schiffen, immer noch „nach Gefühl und mit Gott“ gesegelt, und bei Navigation nach Instrumenten war die Bestimmung der genauen geographischen Länge noch allenthalben ein Buch mit sieben Siegeln, aber die Portugiesen hatten in diesem Punkt bereits einen wichtigen Beitrag geliefert, und auch ein gewisser William Bournes hatte 1574 ein erstes Handbuch der Navigation herausgegeben.

      Hasard sah seinen schweißgebadeten Profos an. „Gegen Abend müßten wir den Äquator passieren, Ed, falls der Wind nicht schralt oder völlige Flaute eintritt.“

      „Das bewahre Gott.“

      „Ein frommer Wunsch, Profos.“

      Carberry grinste schief und schaute zu Big Old Shane. „Hör zu, du brauchst dich nicht erst großartig zu maskieren, du wirst auch so einen schönen Neptun abgeben.“ Er lachte, als er Shanes verdutzte Miene sah, wandte sich ab und kehrte auf die Kuhl zurück.

      „Was


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