Seewölfe - Piraten der Weltmeere 547. Burt Frederick
Читать онлайн книгу.polterten hinter ihm. Die Fußbodenbretter knarrten. Al’Aram, kurz zuvor noch ein perfekter Schleicher, schien in seinem Zorn doppelt schwer zu werden. Und er hatte sich nicht mehr unter Kontrolle.
Chalid wartete, bis er drei Schritte gehört hatte. Dann wirbelte er herum. Seine Haltung war etwas geduckt, der Oberkörper vorgeneigt, die Fäuste wie große, kantige Hämmer erhoben.
Al’Aram prallte zurück. Seine Augen schienen von innen her aus den Höhlen gedrückt zu werden.
„Bist du wahnsinnig?“ keuchte er.
Er holte mit der Rechten aus und wollte dem erwachsen gewordenen Jungen eine Ohrfeige verpassen, wie er das noch immer gewohnt war. Omar Abu Bakir hatte ihn, Al’Aram, ausdrücklich und wiederholt dazu autorisiert.
Chalid wich der flachen Hand mit einer blitzartigen Bewegung aus. Im selben Moment jedoch zuckte sein linker Unterarm hoch und fing den Schlag ab.
Hassan Al’Aram schrie auf, denn jäher Schmerz durchfuhr ihn. Er hatte das Gefühl, gegen Eisen geschlagen zu haben. Beim Propheten, dieser unverschämte junge Kerl hatte seine Muskeln gestählt, daß es eine Ungeheuerlichkeit war!
Noch bevor Al’Aram den Schmerz überwunden hatte, noch bevor er zurückweichen konnte, schloß sich plötzlich eine eiserne Klammer um sein Handgelenk.
Abermals schrie er, denn diese Klammer war so stark, daß sie sein Gelenk zu durchtrennen schien. Seine Hand, eben noch zur Ohrfeige bereit, wurde schlaff und gehorchte nicht mehr. Al’Aram zerrte, doch der Schmerz verstärkte sich dadurch nur.
Er sah Chalids kantigen Schädel mit dem kurzgeschorenen Haar, seinen bullig gebauten Körper, wie er ruhig und überlegen dastand, und aus seiner Fassungslosigkeit wurde Widerstand. Er, der rechtmäßige Angreifer, mußte sich verteidigen. Unerhört!
War er denn nicht Hassan Al’Aram, der Stellvertreter Omar Abu Bakirs, auf dessen Kommando jeder genauso zu hören hatte wie auf die Weisungen des Alten selbst? Und war er denn ein Schwächling, der sich von einem hergelaufenen Lümmel veralbern ließ?
Er ließ die Linke vorschnellen und war schon sicher, daß der unverschämte Kerl diesmal zu spüren kriegte, was es hieß, den Unwillen eines Hassan Al’Aram herauszufordern.
Doch da war sie plötzlich, die zweite Eisenklammer, die Hassan einen erneuten Schrei ausstoßen ließ und ihn in den Abgrund unendlicher Demütigung schleuderte.
Chalid hielt ihn mit beinahe spielerischer Leichtigkeit – wie ein übermächtiger Vater das trotzige kleine Kind. Al’Aram glaubte, sich mitten in einem Alptraum zu befinden. Dies konnte keine Wirklichkeit sein! Wie war es nur möglich, daß sich der kleine freche Chalid ganz unbemerkt zu einem solchen Muskelprotz entwickelt hatte? Zu einem, dem selbst ein kräftiger ausgewachsener Mann nichts entgegenzusetzen hatte.
Hassan Al’Aram starrte in die schmalen Augen des jungen Mannes, und dort stand klar und deutlich, daß Chalids Haß nicht vorgetäuscht war.
Al’Aram erschauerte. Abermals erwachte sein Widerstandswille, diesmal jedoch aus Angst. Dieser Verrückte brachte es fertig, ihn totzuschlagen. Immerhin mußte er den Verstand verloren haben, wie schon festgestellt. Hassan Al’Aram erinnerte sich daran, daß man mit einem hochgerissenen Knie eine Menge ausrichten konnte.
Chalid erkannte die Absicht des knochigen Mannes schon im Ansatz. Er riß die Arme Al’Arams nach beiden Seiten auseinander und schmetterte ihm in selben Atemzug beide Fäuste auf den Brustkasten.
Der Knochige dachte nicht mehr an sein Knie, das er so wirkungsvoll hatte einsetzen wollen. Die Wucht des Doppelhiebes trieb ihn rückwärts. Er ruderte mit den Armen. Vergeblich. Der Länge nach schlug er auf die Bodenbretter. Es krachte, als breche er ins daruntergelegene Stockwerk durch.
Chalid ließ dem verhaßten Schinder keine Chance mehr. Al’Aram schaffte es nicht einmal, sich halb aufzurichten. Chalid war bereits zur Stelle, zog ihn am Kragen hoch und versetzte ihm mit Handfläche und Handrücken eine Serie von schallenden Ohrfeigen, die seinen Kopf hin und her warfen. Al’Aram schrie und wimmerte. Chalid riß ihn auf die Beine und nagelte ihn mit Fausthieben an der Wand neben der Tür fest.
Al’Arams Schmerzenslaute wurden leiser. Er verdrehte die Augen und gab nur noch ein kaum hörbares Ächzen von sich.
Chalid hielt inne und betrachtete ihn grinsend. Das Gesicht des Knochigen war bereits verquollen und von blutigen Striemen gezeichnet. Die Bewußtlosigkeit würde ihm jetzt die Schmerzen ersparen.
„So nicht, mein lieber Hassan“, sagte Chalid kalt und brachte den Mann mit einer neuen Ohrfeigenserie in die Wirklichkeit zurück.
Al’Aram riß die Augen weit auf, blinzelte heftig und schnappte nach Atemluft.
Chalid packte ihn im Nacken, trat zur Seite und schleuderte ihn in den Raum. Wieder krachte es. Al’Aram rutschte der Länge nach über die rauhen Bretter, bis er mit dem Gesicht kurz vor dem halbfertigen Schiffsmodell liegenblieb.
Der Knochige stöhnte nur noch und war nicht mehr imstande, sich aufzurichten.
Chalid stellte sich breitbeinig über ihn, bückte sich und packte ihn erneut. Mühelos schob er ihn mit dem Kopf bis an das kleine Gaubenfenster.
„Nun wirst du dir mein Schiff ansehen“, sagte er mit herablassendem Hohn. „Sieh es dir genau an und beschreibe es mir. Es ist das größte Schiff dort unten im Hafen.“
Al’Aram stöhnte nur.
Chalid drückte ihm das Kinn auf den Boden. Mit aller Kraft. Der Knochige hatte das Gefühl, sein Unterkiefer würde zerquetscht. Ein gurgelnder Schmerzenslaut drang tief aus seiner Kehle.
„Beschreibe es!“ befahl Chalid eisig und hob den Kopf Al’Arams ein wenig an.
„Es – es hat – drei Masten“, stammelte der Bürovorsteher mit gequälter Stimme. „Es ist ein Schiff, wie es – wie es die Ungläubigen benutzen. Diesen Typ nennen sie – Karacke, glaube ich.“
„Falsch“, sagte Chalid spöttisch. „So was will leitender Mann in einem altehrwürdigen Handelshaus sein! Kann nicht mal eine Karacke und eine Galeone auseinanderhalten.“
„Doch, doch, natürlich!“ beeilte sich Al’Aram zu versichern. „Es lag mir auf der Zunge. Ich habe mich nur im Wort vergriffen. Klar, daß das dort im Hafen eine dreimastige Galeone ist.“
„Weiter!“ forderte Chalid.
„Die – die Armierung ist außergewöhnlich“, sagte Al’Aram rasch, denn er spürte schon wieder die Faust seines Gegners im Nacken. „Es dürfte kein reines Handelsschiff sein, weil es so viele Geschütze an Bord hat.“
„Quatsch“, knurrte Chalid. „Glaubst du, die Handelsfahrer wagen sich waffenlos auf die Weltmeere? Da treibt sich viel zuviel Gesindel herum, gegen das man sich wehren muß. Du bist wirklich ein ahnungsloser Hundesohn, Hassan.“ Er zog den am Boden liegenden ein Stück zurück. „Jetzt sieh dir das Modell an. Was sagst du dazu?“
„Sehr gelungen“, stöhnte Al’Aram. „Es stimmt genau mit dem Original überein, in jedem Detail.“
„Speichellecker“, sagte Chalid verächtlich. Er richtete sich auf und stellte dem Unterlegenen einen Fuß auf den Rücken. Dazu verschränkte er die Arme wie ein stolzer Jäger vor dem erlegten Wild. „Du glaubst, du kannst mir mit so einer dümmlichen Aussage schmeicheln? Kein Mensch kann mit einem kurzen Blick feststellen, ob ein Modell dem Original entspricht. Dazu muß man schon sehr genau hinsehen und immer wieder vergleichen, vergleichen, vergleichen. Aber es entspricht deinem schleimigen Wesen, daß du versuchst, mir Honig um den Bart zu schmieren. Nur so und nicht anders hast du es im Geschäft meines Vaters zu etwas gebracht. Es ist ein Jammer, daß der Alte deinen wahren Charakter nicht erkannt hat.“ Chalid holte Luft. „Nun, ich muß mir überlegen, was ich mit dir anfange. Du mußt bestraft werden, völlig klar. Vielleicht nehme ich dich als Diener mit, wenn ich an Bord meines Schiffes gehe. Keine schlechte Idee.“
Al’Aram sperrte über dem staubigen Bodenbrett Mund und Augen auf. Es mußte