Seewölfe Paket 8. Roy Palmer
Читать онлайн книгу.schaffen es, Comandante!“
„Ignazio, das sagst du nur, weil du keine eigene Meinung hast“, sagte der eitle Portugiese verächtlich. „Du läßt den Dingen ihren Lauf und harrst der Dinge, die da kommen – im Guten wie im Argen. Was für ein hirnloser Einfaltspinsel du doch bist. Was wärest du ohne mich?“
„Nichts, Senor Comandante“, erwiderte Ignazio pflichtschuldigst, während er sich in der immer bedrohlicher schwankenden Kammer an einem der Schapps festhielt.
„Ohne mich wärst du verloren.“
„Aber immerhin habe ich es zum Bootsmann gebracht!“ rief Ignazio gegen das Sturmbrausen an, das von außen hereindrang.
„Weil ich dich dazu ernannt habe!“
„Si, Senor!“
„Allein bist du eine Null, Ignazio, und vergiß nicht, daß ich dich immer noch wieder degradieren kann!“ Do Velho brüllte es fast, er redete sich in Eifer und Zorn. Er brauchte einen Ausgleich für sein gestörtes seelisches Gleichgewicht, und immer wieder mußte der bullige Mann aus Porto für de Velho als Prügelknabe herhalten.
„Aber Senor“, sagte Ignazio. „Wenn es erforderlich ist, kann ich mächtig dreinschlagen und schwer aufräumen. Ich will mich bewähren, ich warte nur auf die Gelegenheit dazu.“
Do Velho ging die untertänige Verhaltensweise des Bootsmanns auf die Nerven, obwohl er gleichzeitig genau wußte, daß es seine Schuld war, wenn Ignazio sich derart unterwürfig benahm.
Mühsam beherrscht erwiderte do Velho: „An Bord der ‚Isabella‘ hättest du richtig dreinschlagen sollen. Da hättest du dich bewähren können – als die ‚Santa Monica‘ uns angriff und die Seewölfe die Chance nutzten.“
Ignazio schwieg. Senor Comandante, warum schmieren Sie mir das immer wieder aufs Brot, hätte er gern gesagt, aber er hütete sich, es auszusprechen, denn Lucio do Velho hätte nicht gezögert, ihn für eine so aggressive Frage zu bestrafen.
Der Westsüdwest-Wind raste pfeifend gegen die „Candia“ und die anderen Schiffe des Verbandes an. Weit krängte die Viermast-Galeone nach Steuerbord. In do Velhos Kammer purzelten zusammengerollte Karten und einige andere Utensilien vom Pult.
Iganzio taumelte durch den schräggestellten Raum, dessen Fußboden ein stark abschüssiger Hang geworden war. Er fiel, rappelte sich wieder auf und versuchte, do Velhos Karten und Gerätschaften aufzulesen. Doch die Tücke des Objekts siegte. Immer wenn der Bootsmann zugreifen wollte, kollerten die Gegenstände ein Stück weiter.
Ignazio kroch auf allen vieren durch die Kapitänskammer.
Do Velhos barsche Stimme stoppte ihn. „Hör auf! Wir haben Wichtigeres zu tun. Unsere Anwesenheit an Oberdeck ist nötig, wir müssen zusehen, daß wir Sturmsegel setzen, Manntaue spannen, die Luken und Schotten verschalken, Kurs halten und nicht zu nah unter Land geraten. Steh gefälligst auf und begleite mich, Ignazio!“
Der Mann aus Porto hielt inne und schaute auf.
Ihre Blicke trafen sich.
„Sieh mich nicht so dämlich an!“ rief Lucio do Velho aufgebracht. „Ich weiß, was du sagen willst – daß es besser wäre, bei dieser Windstärke und diesem Seegang eine geschützte Bucht anzulaufen und das Abklingen des Sturmes abzuwarten. Aber daraus wird nichts! Wir reiten den Sturm ab, koste es, was es wolle!“
Ignazio erhob sich und folgte seinem Comandante wankenden Ganges durchs Achterkastell der „Candia“ zum nächsten Schott. Er wußte, daß es keinen Zweck hatte, irgendwelche Einwände zu erheben. Do Velho ließ sich nicht beirren oder von seinen Plänen abbringen. Nordwärts führte sein Weg, immer weiter nordwärts, und er ließ sich nicht durch einen läppischen Sturm aufhalten.
Zu groß war sein Haß auf Philip Hasard Killigrew, zu groß sein Verlangen, Spaniens Todfeind endlich zur Strecke zu bringen.
Er erreichte das Schott zur Kuhl und öffnete den Auslaß. Regen peitschte Lucio do Velho ins Gesicht. Er hielt sich mit beiden Händen fest und brüllte seine Befehle.
Zu diesem Zeitpunkt trieb der Verband bereits auseinander. Wenig später verloren sowohl die zwei Dreimast-Galeonen als auch die beiden Zweimast-Karavellen jeglichen Kontakt zu ihrem Flaggschiff „Candia“. Und auch untereinander wurden sie weit auseinandergerissen.
Jeder war seinem Schicksal ausgeliefert.
Das, was man in Regen und hereinbrechender Dunkelheit noch von der Felsenküste erkennen konnte, schien vor dem Bug der „Isabella VIII.“ wild auf und ab zu tanzen. Für einen Moment gab Hasard sich der Illusion hin, die Dimensionen und Elemente wären durcheinandergeraten und die Rollen anders verteilt. Die „Isabella“ lag als ruhender Pol unbewegt in der See, während die Wogen ganz Iberien hochhoben und durchschüttelten.
„Schön wär’s“, sagte der Seewolf. „Aber leider doch zu schön, um wahr zu sein.“ Er stand auf der Back seines Schiffes und hielt sich an den Fockwanten fest. Der Sturmwind drückte die Galeone genau auf die Küste zu. Nur noch das Großsegel war gesetzt, aber auch das schien zuviel zu sein.
Smoky, der Decksälteste, war neben seinen Kapitän getreten. Auch er klammerte sich an den Wanten fest, kniff die Augen zusammen und fragte: „Was hast du gesagt? Ist was nicht in Ordnung?“
„Ich habe nur laut gedacht, Smoky. Es wäre großartig, wenn man Spanien und Portugal zusammen aus den Angeln heben könnte.“
„Aye, Sir, aber ohne auf Grund zu laufen!“
„Würdest du lieber durch den Sturm segeln?“
„Das nicht. Bill hat die kleine Bucht in der Dämmerung gerade noch erkannt – und sie kommt uns wie gerufen“, antwortete Smoky. „Nur wär’s mir lieber gewesen, wir hätten die Wassertiefe ausloten können!“
„Du kannst es ja mal versuchen“, schrie Old Donegal Daniel O’Flynn, der sich an sie herangearbeitet hatte und so verstehen konnte, was sie sprachen. „Sobald du dich über die Galion hinausbeugst, steigt die Seehexe aus den Fluten auf und reißt dir was ab, Smoky!“
„Mann – rutsch mir doch den Bukkel runter“, knurrte Smoky.
Hasard drehte sich zu den beiden um. „Wir haben auflaufendes Wasser, und daher hoffe ich, daß wir mit Riffs und anderen Untiefen keine Scherereien kriegen. Möge der Herrgott unser Stoßgebet erhören! Im Moment macht mir nur eines Sorgen. Wir haben zuviel Fahrt drauf.“ Er blickte nach achtern und schrie: „Ed, he, Ed! Profos!“
„Sir?“ dröhnte das mächtige Organ Edwin Carberrys durch das Sturmtoben. „Hier bin ich!“
„Das Großsegel wegnehmen, Ed!“
„Geit auf das Großsegel!“ brüllte der Profos. „Los, weg mit dem Fetzen! Sitzt ihr auf euren Ohren, ihr triefäugigen Kakerlaken? Oder habt ihr Bohnen darin stecken? Hopp, hopp, willig, willig, schneller, schneller, ihr Satansbraten, oder ich bringe euch auf Trab. He, Matt Davies, hast du Schlick auf den Augen? Hölle, der Himmelhund sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht, dabei baumelt das Fall genau vor seinen Schielaugen herum. Kutscher, du fällst noch über deine eigenen Füße, wenn du nicht aufpaßt, wohin du trittst! He, Sir John, du Geier, wenn ich dich zu fassen kriege! Wer hat dir die Erlaubnis gegeben, hier rumzuflattern?“
Es war die altbekannte Musik, aber eigentlich waren die Männer der „Isabella“ recht froh darüber, ihren Profos mitten im Sturm so angeregt brüllen und fluchen zu hören. Wenn Carberry nämlich nicht mehr lärmte, war die Lage wirklich ernst, oder, anders ausgedrückt: Solange er brüllte, waren er und die Crew gesund, und längst nicht alle Zeichen standen auf Sturm.
So herrschte bei Hasards Männern Zuversicht. Die „Isabella“ war eine „mit Schätzen bis zur Halskrause vollgestopfte Lady“, wie Ferris Tukker zu sagen pflegte, sie hatte beachtlichen Tiefgang, aber trotzdem, man würde es schon schaffen, die „verdammte Bucht“ anzulaufen.
Carberry stieß einen beruhigten, grunzenden Laut aus, als