Seewölfe Paket 8. Roy Palmer

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Seewölfe Paket 8 - Roy Palmer


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und nickte ängstlich.

      „Führe mich zu der Kammer, in der sie stecken“, befahl Hasard.

      Segura und Franca hatten in einer der Kammern bereits Stricke und einen Knebel zurechtgelegt, mit denen sie den Seewolf in ein „kunstgerechtes Paket“ verwandeln wollten. Franca hielt überdies einen hölzernen Hammer in der rechten Faust – auf Anweisung ihres Vaters hin sollte sie das Opfer damit ins Reich der Träume schicken. Da der Trick mit dem gepanschten Wein ja nur bei dem einen Kerl halbwegs funktioniert hatte, mußte man sich eben einer drastischeren Methode bedienen, um die Männer des Schiffes außer Gefecht zu setzen.

      Jemand drückte die Türklinke herunter, und Segura sagte: „Tritt ein, Josea, es ist alles soweit fertig.“

      Keine Sekunde zweifelten Segura und Franca daran, daß Josea Erfolg gehabt hatte. Die List mit dem Speicher, der voller Schinken und Würste hing, hatten die Brancates schon oft ausgeführt, und Joseas Reizen war dabei noch jeder Narr erlegen.

      Nur: Ein solcher Narr war der Seewolf eben nicht.

      Er trat mit seiner Gefangenen in den Raum, drückte die Tür hinter sich ins Schloß und sagte: „Segura und Franca, ihr wollt doch sicher nicht, daß eurer Schwester etwas geschieht. Ich warne euch. Wenn ihr schreit oder sonstwie Alarm schlagt, vergesse ich mich.“

      Segura und Franca fuhren zu ihm herum.

      Sie sahen, daß der schwarzhaarige Mann mit den kühnen eisblauen Augen Josea fest im Griff hatte. Er preßte sie fest an sich, hielt ihr den Mund zu und drückte ihr die Schneide eines großen, furchterregenden Messers an die Gurgel.

      Segura und Franca standen mit stockendem Atem da. Niemals hätten sie mit einer solchen Überraschung gerechnet. Segura taumelte und mußte sich auf den Rand des einfachen Bettes setzen, das zur Ausstattung des Zimmers gehörte.

      „Tu das nicht“, flüsterte sie entsetzt. „Laß sie in Ruhe – bitte.“

      „Laß sie frei“, flehte Franca, der der Schock aus den weit aufgerissenen Augen abzulesen war.

      „Segura“, sagte der Seewolf. „Du fesselst und knebelst jetzt deine kleine Schwester. Danach tust du das gleiche mit Josea. Na los, beeil dich, oder soll ich meine Drohung ausführen?“

      Segura nickte verstört und ging an die Arbeit. Keinen Augenblick dachte sie ernsthaft daran, etwas gegen den Seewolf zu unternehmen. Ihre Furcht, Josea könnte etwas zustoßen, war viel zu groß. Der familiäre Zusammenhalt der Brancates war tatsächlich groß, vor allem zwischen den Schwestern. Sie hatten sich geschworen, sich gegenseitig zu beschützen.

      Dieses feierliche Gelübde gipfelte nun darin, daß Segura die beiden Schwestern tatsächlich mit den Stricken band, ihnen Knebel in die Münder stopfte und sie auf das Bett verfrachtete.

      Hasard stand mit leicht abgespreizten Beinen im Raum, das Messer hielt er immer noch in der Faust, um Segura abzuschrecken. Nie hätte er es sich einfallen lassen, den Mädchen auch nur die Haut zu ritzen, aber er wußte nicht, welches andere Mittel er anwenden sollte, um sie einzuschüchtern und am Schreien zu hindern.

      Segura drehte sich zu ihm um. „Jetzt bin ich dran, nicht wahr, Capitán?“

      „Du hast es erraten.“

      Sie blickte ihn durchdringend an, etwas in ihren Zügen veränderte sich. Plötzlich begann sie, an ihrer grobleinenen Bluse herumzunesteln.

      „Du kannst mich haben, Philip“, flüsterte sie. „Ich sträube mich vor dir nicht. Du gefällst mir, und wenn du endlich das Messer wegsteckst, können wir in eins der Nebenzimmer gehen und uns auf angenehmere Weise die Zeit vertreiben.“ Sie lächelte unendlich verführerisch. „Falls es dich nicht stört, daß Josea und Franca uns zusehen, können wir es aber auch gleich hier erledigen.“

      „Segura“, sagte er. „Ich verpasse dir zwei Ohrfeigen – zwei, nicht nur eine, wenn du jetzt nicht augenblicklich parierst.“

      Sie wich vor ihm zurück, nahm die restlichen Stricke vom Fußboden auf und ließ es sich dann mit angstgeweiteten Augen gefallen, daß er sie fesselte und knebelte. Der letzte Versuch, den Seewolf zu umgarnen und hereinzulegen, war gescheitert.

      Hasard verließ die Kammer, pirschte aber zu den anderen Zimmern des Obergeschosses weiter, ehe er nach unten zurückkehrte. Einem inneren Antrieb folgend, durchsuchte er auch diese Räume.

      Fast hätte er einen Pfiff der Verwunderung ausgestoßen, als er in den letzten beiden auf den Flur mündenden Kammern die fünf gefesselten Männer entdeckte. Sie hatten Knebel zwischen den Zähnen stekken, aber sie hätten auch ohnedem nicht geschrien, denn sie lagen im tiefsten Schlaf.

      Portugiesischer Landwein, dachte Hasard grimmig, na warte, du Hund von einem Banditenwirt!

      Der Profos lag auf dem Rücken und schnarchte.

      Wenn ich an der Koje horche, pflegte er gelegentlich zu den Männern der „Isabella“ zu sagen, dann könnt ihr mich wegtragen, dann kann der Kahn absaufen und die ganze Welt untergehen – dann wache ich nicht auf.

      Im Grunde stimmte das auch: Matt Davies behauptete, Carberry schnarche und grunze wie ein Walroß und es sei eine Zumutung, in seiner Nähe zu schlafen. Auch das entsprach im Prinzip der Wahrheit, und doch gab es eine Möglichkeit, den Profos abrupt aus dem Reich der Träume hochzuscheuchen und sein gräßliches Schnarchen mit einem Schlag abreißen zu lassen.

      Diese Möglichkeit hieß Sir John. Der karmesinrote Arancanga krabbelte dem Profos auf dem Bauch herum, erklomm dann seine Brust und seinen Hals und anschließend das mächtige Rammkinn, das wie ein Amboß in das Dunkel des Raumes aufragte.

      Sir John begann nun, seinem Herrn an der Nase herumzuknabbern. Als auch das nichts nutzte und der Profos sich nicht rührte, zwackte Sir John ihm zweimal kräftig in den unteren Teil der Nase. Böse Zungen bezeichneten die Profos-Nase als eine „Kartoffel“ oder als eine „Gurke“, aber „Rüssel“ schien doch am treffendsten zu sein, denn wenn man einem Elefanten in den Rüssel biß, wurde er garantiert fuchsteufelswild.

      Nicht anders erging es nun dem Profos. Der Schmerz reichte aus, um ihn aus den finsteren Sphären seiner Träume auf die Welt mit all ihrem Elend und ihren Ungerechtigkeiten zurückzubefördern. Unter Normalumständen wäre Ed Carberry hochgefahren, hätte einen Schwall übelster Wörter losgelassen und versucht, Sir John zu greifen. Da er aber nach wie vor benommen von dem „vorzüglichen portugiesischen Landwein“ war, schlug er vorerst nur verdattert die Augen auf, ließ ein wölfisches Knurren vernehmen und richtete sich schwerfällig mit dem Oberkörper auf.

      Sir John schlug mit den Flügeln und gurrte begeistert. Er hüpfte auf die gewaltige Profos-Brust zurück und freute sich mächtig darüber, daß er seinen Herrn zum Leben erweckt hatte.

      „Du verlauste Vogelscheuche“, lallte Carberry. „Hätte ich dich doch nie vom Amazonas mitgebracht. O Hölle und Teufel, was ist das doch alles für ein verdammter Mist hier!“

      Umständlich erhob er sich von dem einfachen Lager, schaute sich um und wurde aus der Situation immer noch nicht schlau. In seinem Kopf wühlte und wirbelte es, als bewegten sich dort Mühlsteine. Immerhin war es schon eine beachtliche Leistung, sich unter der Wirkung des Schlafmittels einfach auf der Pritsche aufzusetzen. Carberry dachte darüber nach, allmählich ging ihm ein ganzer Kerzenleuchter auf, aber er drohte doch immer wieder auf die Liege zurückzusinken.

      Sir John krächzte empört, als sich plötzlich eine Tür öffnete.

      Carberrys Körper straffte sich. Eine Glocke in seinem Hirn schien Alarm zu schlagen. Er tastete nach seinen Waffen. Sie waren fort, man hatte sie ihm abgenommen, aber immerhin konnte er noch von Glück sagen, daß man ihn nicht gefesselt hatte. Offenbar hatte Brancate dies nicht für notwendig erachtet.

      Die Tür schien nicht die zu sein, durch die er, Carberry, in diesen Raum gelangt war, soviel wurde ihm bewußt – und, in der Tat, es war wirklich die Verbindungstür zwischen diesem Raum und der Kammer, in der die Abuela von ihrem Sohn gefangengehalten wurde.

      Carberry


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