Seewölfe Paket 8. Roy Palmer
Читать онлайн книгу.Brancate erhob sich von seinem Stuhl, trat an den gemauerten Kamin und kauerte sich davor. Er schürte die Glut, bis die Flammen munter emporzüngelten, und legte Holz nach. Im Nu bullerte und knisterte das Feuer, und ein hellerer Schein zuckte durch den großen Raum. Brancate wandte sich um und lud seine Gäste durch eine Geste ein näherzurücken.
Sie nahmen gern an. Mit ihren Sitzgelegenheiten begaben sie sich dicht vor das Feuer. Es war Juni und trotz des Sturmes eine laue Nacht, aber nach dem unfreiwilligen Bad in der See tat die Wärme wohl, die nun an ihren Gliedmaßen emporkroch.
Eine Zimmertür öffnete sich, und Charutao und Iporá kehrten in Begleitung ihrer Mutter und ihrer Schwester zurück. Emilia eilte auf die fünf Männer der Galeone zu, begrüßte sie und überschüttete sie mit Freundlichkeit. Die jungen Männer holten sich Stühle und setzten sich ebenfalls an den Kamin.
Josea, die Zwanzigjährige, hatte eine unaufdringliche Art, sich in dem Kaminzimmer zu beschäftigen. Sie förderte aus einem der schweren Schränke eine Korbflasche Rotwein und Becher zutage, holte Brot, Schinken, Hartwurst, Käse und stellte alles auf den Tisch.
Monforte registrierte sofort, daß seine Begleiter nur noch Augen für dieses schöne, gutgewachsene Mädchen hatten.
„Emilia“, brummte Pinho Brancate. „Kannst du nicht besser auf die Abuela aufpassen? Sie hat unsere Gäste natürlich sofort auf ihre Art begrüßt. Wo, zum Teufel, hast du gesteckt?“
„Im Stall bei den Tieren. Konnte ich denn ahnen, daß du jemanden mitbringst?“
„Du weißt doch, wie oft wir in Sturmnächten Schiffbrüchige zu uns nach Haus geholt haben.“
„Ja, das stimmt. Und du bist ja extra deshalb aufgebrochen, weil du nachsehen wolltest, ob wieder ein Unheil am Riff geschehen war“, entgegnete die stämmige Frau. „Verzeih, Pinho, daß ich so unaufmerksam gewesen bin. Senores, verzeihen auch Sie.“
„Ach, Schwamm drüber, das ist doch nicht der Rede wert“, sagte Reto, der Erste Offizier. Er hatte wie die anderen aus Joseas Hand einen Becher voll dunklem Rotwein entgegengenommen und als erster von diesem vorzüglichen Tropfen gekostet. Es war ein herrliches Gefühl, den Wein die Kehle hinabrinnen zu lassen, und Joseas Anwesenheit trug ebenfalls zu einer gewissen Gemütswandlung bei. Fast aufgeräumt prostete Reto den Brancates zu. „Ihr habt viel für uns getan, und wir werden es euch nie vergessen.‘“
Pinho Brancate hob seinen Becher und stieß mit ihm an, er trank aber nicht, sondern setzte das Gefäß auf dem Kaminsims ab.
„Ich hoffe wirklich, daß ihr uns stets in Erinnerung behaltet, Senores“, sagte er salbungsvoll.
6.
Reto, der Erste, schlief zuerst ein. Er hatte sich an den Tisch gesetzt und von dem Brot und dem Schinken gekostet. Mit der berückend schönen Josea hatte er noch ein Gespräch beginnen wollen, aber dann waren ihm die Augen zugefallen. Er ließ den Kopf auf die Tischplatte sinken, legte die Arme auf und begann sanft zu schnarchen.
„Es war zuviel für ihn“, sagte Traquinho. „Er hätte nicht soviel Wein trinken sollen.“
„Ja, das ist ein süffiger Tropfen“, sagte Pinho Brancate lächelnd. „Wir bauen selbst keinen Wein an, weil er am Meer nicht gedeiht, aber weiter im Landesinnern habe ich einen guten Companhero, der mir jedes Jahr einige Fässer davon für wenig Geld verkauft.“
„Ehrlich gesagt, ich bin auch sehr müde“, sagte Tulio, der Soldat. „Auf dein Angebot, bis zum Morgen in einem eurer Gästezimmer auszuruhen, würde ich jetzt nicht verzichten, Brancate.“
Josefe, der Decksmann, gähnte hinter der vorgehaltenen Hand. „Gleichfalls. Himmel, ich fühle mich so schwer, als hätte ich Blei in den Gliedern.“
„Senor Capitán“, sagte Tarquinho, dem jetzt auch die Augen zufielen. „Dürfen wir uns ein paar Stunden hinlegen, oder ist es vermessen, darum zu bitten?“
Alvaro Monforte schaute auf. Der Wein, die Wärme des Kaminfeuers – Herrgott, ihm war der Kopf auch schon halb nach vorn gesunken, und er hatte schon gar nicht mehr richtig verstanden, was gesprochen worden war. Ein wirrer Traum hatte in seinem Geist Gestalt angenommen. Jäh verblaßte jedoch das Produkt seiner bewegten Phantasie, er blinzelte seinen Decksältesten an. „Tarquinho, wir fünf haben den Schlaf bitter nötig, nehme ich an.“
Pinho Brancate stand auf und winkte seinen Söhnen und den Frauen zu. „Los, bewegt euch. Josea, richte die Zimmer her. Emilia, zünde die Öllampen im Obergeschoß an, damit unsere Freunde sich nicht die Köpfe stoßen. Senores, wir haben eine wunderschöne Kammer mit vier Betten und eine mit einem Bett – ich schlage vor, Sie schlafen separat, wie es Ihrem Dienstgrad zusteht, Capitán.“
„Einverstanden“, sagte Monforte mit schwerer Zunge. „Tarquinho und Josefe, ihr kümmert euch um den Ersten.“
„Das erledigen wir schon“, sagte nun Charutao und schritt mit seinem Bruder auf den schlafenden Ersten zu. Sie packten ihn unter den Armen, zogen ihn von seinem Platz hoch und hoben ihn offenbar mühelos so weit an, daß seine Füße den Holzfußboden nicht mehr berührten.
Josea hatte eine Tür geöffnet und war vorausgeeilt. Emilia folgte ihr über die Stufen der Treppe ins Obergeschoß. Sie entfachte mittels eines glimmenden Dochtes die Öllampen, die in eisernen Halterungen an den Wänden des oberen Flures angebracht waren.
Den Schluß der Prozession bildeten die Männer. Charutao und Iporá schritten hinter ihrem Vater, dem Kapitän, Tarquinho, Tulio und Josefe. Geschickt hoben sie die Beine des tief schlafenden ersten Offiziers über jede Stufe. Sie konnten sich ein Grinsen jetzt nicht mehr verkneifen.
Vom Flur des Obergeschosses führten vier oder fünf Türen in dahinter befindliche Räume, soviel stellte der Kapitän Monforte in seinem tranceartigen Zustand noch fest. In einem rechts liegenden Raum war das schöne junge Mädchen verschwunden. Emilia schlüpfte jetzt ebenfalls hinein. Wenig später konnten die Männer eintreten. Sie befanden sich in dem Vier-Betten-Raum. Emilia und ihre Tochter hatten durch eine Verbindungstür bereits das nächste Zimmer aufgesucht, das für Monforte bestimmt war.
Charutao und Iporá betteten Reto mit größter Behutsamkeit auf eins der Grasmatratzenlager. Tarquinho, Tulio und Josefe konnten nun auch nicht länger widerstehen, sie sanken jeder auf eine Ruhestatt.
Alvaro Monforte wankte auf die Verbindungstür zu. Er glaubte, jeden Augenblick in den Knien einzusakken. Pinho Brancate war neben ihm, stützte ihn und redete auf ihn ein. Monforte verstand nicht mehr, was der Mann sagte. Er entfloh in seine Traumwelt, diesmal endgültig.
Charutao und Iporá sahen ihrem Vater und dem Kapitän nach, dann blickten sie auf die vier Männer der „Sao Sirio“ hinunter.
„Sie schlafen“, sagte Charutao. „Diese Narren.“
„Still“, zischte Iporá Er trat neben die Betten, beugte sich über jeden Mann und hob prüfend die Augenlider an. Erst dann nickte er bestätigend. „In Ordnung, sie schlummern wirklich fest.“
Charutao verzog den Mund zu einem hämischen Grinsen. „Hör mal, glaubst du denn, das Gebräu der Abuela verfehlt seine Wirkung? Mutter hat doch genug davon in den Wein gekippt.“
„Aber die Abuela will kein Schlafmittel mehr zubereiten.“
„Vater zwingt sie dazu.“
„Du glaubst, sie könnte eines Tages einen Trick versuchen und statt des Kräuterelixiers eine harmlose Brühe kochen, von dem kein Kind einschläft?“
„Das wagt sie nicht“, sagte Charutao. Er tat einen Schritt auf den Ersten zu, griff an den Gurt und zückte einen Dolch, den er unter dem Hemd versteckt in den Hosenbund geschoben hatte. „Ich schätze, der Capitán, dieser verdammte Trottel, pennt inzwischen auch selig. Besorgen wir es diesen Hunden also. Je eher wir es erledigt haben, desto besser.“
Iporá stürzte auf ihn und griff nach seinen Handgelenken. „Bist du wahnsinnig? Du weißt