Seewölfe Paket 10. Roy Palmer

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Seewölfe Paket 10 - Roy Palmer


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Muskulöse Männer, deren Kräfte nicht so rasch versiegten. Ihre Paddel peitschten das Wasser, als wollten sie es dafür strafen, daß es dem Mädchen die Flucht ermöglichte.

      Trotz der Entfernung konnte Moana jede Einzelheit erkennen. Ihre Augen waren jung und ungetrübt.

      Charangu stand aufrecht im Heck des Königskanus. Seine blaue Kopfbedeckung leuchtete im Sonnenlicht, und der wallende Umhang schien goldene und purpurne Funken zu sprühen. Die Hände des Königs von Kahoolawe ruhten auf jenem brusthohen Stab, den er als Zeichen seiner Würde stets bei sich trug.

      Und er befand sich in göttlicher Begleitung!

      Guao hatte sich auf Charangus Schulter niedergelassen. Ein untrügliches Zeichen für die Gunst, die Charangu genoß. Denn Guao war der Gott, dem alle untertan sein mußten. Letztlich auch jene, die sich vielleicht aus einer Laune heraus auf Moanas Seite gestellt hatten. Sie würden alle gestraft werden für die Eigenmächtigkeit, die sie sich herausgenommen hatten.

      Denn Guao, dieses greise Wesen aus einer unbekannten Welt, zeigte ein grausames und unerbittliches Gesicht.

      Das sah Moana überdeutlich.

      Sie war versucht, aufzugeben. Denn sie wußte jetzt, daß sie keine Chance hatte.

      Von stählerner Muskelkraft getrieben, schoß das Königskanu geradezu pfeilschnell über das Wasser. Während sie es beobachtete, hatte Moana das Gefühl, daß ihr eigenes Boot immer langsamer wurde.

      „Deck!“

      Bills Stimme erscholl so hell und klar, daß er selbst die in hundert Faden Tiefe schlummernden Meerjungfrauen damit zu wecken vermochte.

      „Deck! Wasserfahrzeug Steuerbord voraus!“

      Die Männer auf der Kuhl und auf der Back wurden lebendig. Dank der warmen Morgensonne genossen sie es, ihr Frühstück unter freiem Himmel einzunehmen. Ein Vorzug, den sie während ihrer Reise durch die eisigen nördlichen Breiten allzu lange entbehrt hatten.

      Arwenack, der Schimpanse, schwang sich mit einem Satz auf das Schanzkleid und hangelte mit eben jener Geschwindigkeit in den Backbordwanten auf, die man seiner und seiner Artgenossen Fähigkeiten zufolge als „affenartig“ bezeichnete. Als er den Moses im Großmars erreichte, stieß er ein helles Keckern aus.

      Edwin Carberry, der bullige Profos, rappelte sich von einer Taurolle auf und stemmte seine mächtigen Pranken in die Hüften. Im Gegensatz zur übrigen Crew spähte er nicht in die Richtung, die der Moses angegeben hatte. Statt dessen warf Carberry den Kopf in den Nacken und starrte zum Großmars hoch. In der wilden Narbenlandschaft seines Gesichts lag ein Ausdruck von Fassungslosigkeit.

      „He, du Stint!“ brüllte er mit Donnerstimme. „Was habe ich da eben gehört, was, wie?“

      „Sir?“ tönte es zurück. Bills schwarzer Haarschopf wehte in der lauen Brise, als er sich herabbeugte.

      Die Männer, die am Steuerbordschanzkleid lehnten und außer der platten Linie der Kimm noch nichts erkennen konnten, drehten sich um und mußten grinsen.

      „Wiederhole das, du Hering!“ rief der Profos grollend. „Will doch mal sehen, ob ich mich verhört hab oder so was!“

      „Sir“, antwortete Bill gehorsam, „ich meldete ein Wasserfahrzeug Steuerbord voraus.“

      „Ein was?“ schnappte Carberry, und wie er sein Rammkinn dabei vorschob, erinnerte er an einen verdutzten Fisch, der sich plötzlich auf dem Trockenen findet.

      Einige der Männer begannen verstohlen zu kichern und mußten sich abwenden.

      Bill bemühte sich, nicht hinzuschauen, denn er wußte, daß es ihm dann schwerfallen würde, seine respektvolle Miene beizubehalten.

      „Ein Wasserfahrzeug, Sir.“

      Edwin Carberry explodierte. Der erste willkommene Anlaß an diesem Tag, daß er sich auf diese Weise die Luft verschaffen konnte, die ihm am liebsten war.

      „Wo, zum Teufel, bin ich hier gelandet, was, wie? Ist das die gottverdammte alte ‚Isabella‘, oder haben sie mich in einen Debattierclub piekfeiner Affenärsche aufgenommen? Kannst du mir das mal erklären, Stint?“

      „Ich verstehe nicht, Sir“, entgegnete Bill konsterniert, „ich habe doch nur …“

      „Du salbaderst so geschraubt daher“, brüllte Carberry, „daß ich glauben muß, ich bin nicht mehr ich selbst! Eins schreibe dir hinter die Ohren, du grüner Hering! Solange der Profos auf diesem Schiff Carberry heißt, so lange wird hier an Bord die Sprache geredet, die jeder versteht!“ Er preßte die Lippen aufeinander, schüttelte den Kopf und äffte den Moses nach: „Wasserfahrzeug! Ein Wasserfahrzeug Steuerbord voraus! Was, in drei Teufels Namen, kann das sein, das auf dem Wasser fährt?“

      Der Kutscher, der seine brütendheiße Kombüse an diesem Tag frühzeitig verlassen hatte, trat vorsichtig auf den Profos zu.

      „Mit Verlaub, Mister Carberry“, sagte er in vornehmer Höflichkeit. „Du solltest dich nicht dazu hinreißen lassen, den jungen Mann wegen seiner untadeligen Ausdrucksweise zu rügen.“

      Der Profos ruckte herum, schnappte nach Luft und suchte nach Worten. Dabei fixierte er den Kutscher, als handele es sich bei ihm um ein fremdartiges Wesen.

      „Ja, du hast richtig gehört, Profos“, sagte der Kutscher mit ernsthaftem Nikken. „Ich persönlich halte es für sehr lobenswert, wenn junge Menschen sich einer gepflegten Sprache befleißigen. Ich selbst habe Bill dazu ermutigt und ihm mit Hilfe der an Bord vorhandenen Literatur erklärt, wie man auch in der seemännischen Umgangssprache ein gewisses Niveau erreichen kann und …“

      „Schluß damit!“ schnitt ihm der Profos schnaubend das Wort ab. Er hatte seine Fassung halbwegs wiedergewonnen. „Das sieht dir ähnlich, du Kombüsenratte! Wenn du über deinen Kochtöpfen brütest, hast du nichts Besseres zu tun, als krause Gedanken zu wälzen! Und dann auch noch unsere jungen Leute verderben! Ich werde dafür sorgen, daß dieser Schwachsinn aufhört! Ich werde …“

      Eine energische Stimme fuhr dazwischen.

      „Profos! Ihr werdet eure Debatte später fortsetzen! Im Augenblick interessiert es mich mehr, um was für ein Wasserfahrzeug es sich handelt. Eure Sprachprobleme könnt ihr bei anderer Gelegenheit lösen. Habe ich mich klar genug ausgedrückt?“

      Der Kutscher, der unwillkürlich zwei Schritte zurückgewichen war, atmete erleichtert auf.

      „Aye, aye, Sir“, sagte Edwin Carberry dumpf und nickte in Richtung Achterkastell. „Ich meine ja nur, daß ein Fahrzeug immer ein Ding ist, das Räder hat. Und wie soll ein Ding mit Rädern auf dem Wasser fahren können? Will sagen, man kann es doch nicht zulassen, daß der Kutscher den Leuten mit irgendwelchen Bücherweisheiten den Kopf verdreht. Nachher führt das noch so weit, daß wir eine spanische Kriegsgaleone auf Kollisionskurs haben, und der Ausguck meldet einen Kutschwagen!“

      Brüllendes Gelächter ertönte. Die Männer wollten sich ausschütten.

      Der Seewolf, der sich an Steuerbord der Schmuckbalustrade aufgebaut hatte, brachte sie mit einer Handbewegung zum Verstummen. In der Rechten hielt er das Spektiv, und er hatte das besagte Wasserfahrzeug bereits gesichtet und war deshalb nicht in Unruhe geraten. Siri-Tong, die neben ihm stand, verfolgte lächelnd den Wortwechsel der Männer.

      „Profos!“ rief Philip Hasard Killigrew schneidend, und er hoffte, daß das unterdrückte Lächeln in seinen Mundwinkeln dort unten auf der Kuhl nicht zu erkennen war.

      „Sir?“ Edwin Carberry straffte seine Haltung.

      „Wir erledigen die Angelegenheit folgendermaßen, Profos. Sobald der Ausguck abgelöst worden ist, wirst du ihm und dem Kutscher erklären, was ein Fahrzeug ist und was nicht. Über das Ergebnis dieser Unterrichtsstunde möchte ich informiert werden. Noch Fragen?“

      Edwin Carberry schluckte trocken.

      „Nein, Sir. Aye, aye, Sir.“ Während er sich abwandte, kratzte er sich ausgiebig am Hinterkopf, was


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