Seewölfe Paket 10. Roy Palmer

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Seewölfe Paket 10 - Roy Palmer


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versteckt ist. Das hat er vor! Er will die ‚Saint Croix‘ angreifen!“

      Louis fuhr herum, rutschte auf dem Baumast fast aus, fing sich aber wieder. Er kletterte an Maurice vorbei, umklammerte den Stamm und rutschte an ihm zu Boden. „Du bleibst hier!“ rief er dem Kumpan noch zu. „Melde jeden Kurswechsel, den die Kerle vornehmen!“

      „Ja. Noch halten sie mit Kurs Nord-Nord-Ost auf die Küste zu!“

      „Ich werde sie töten. Alle.“ Louis hastete mit diesen Worten von der Lichtung, rannte den Pfad zum Dorf hinab und schrie seinen wartenden Männern schon aus einiger Entfernung zu: „Alarm! Die Engländer steuern die Bucht der ‚Saint Croix‘ an. Zwei Mann sofort ’runter zur Bucht. Sagt unseren Leuten Bescheid! Sie sollen auslaufen, gefechtsklar gehen und den Schweinehunden einen heißen Empfang bereiten!“

      Zwei Piraten setzten sich unverzüglich in Trab. Ihre Gestalten verschwanden im Busch, der rings um das Dorf emporwucherte.

      „Brassens“, sagte Louis. „Du kehrst jetzt zu Maurice zurück. Er braucht dich als Melder, falls es neue Überraschungen gibt.“

      „Jawohl.“ Brassens lief ebenfalls los.

      Louis blieb mit elf Männern vor dem großen Tor der Palisade zurück und überschlug im Geist, wieviel Zeit seine beiden Boten wohl brauchen würden, um die Ankerbucht der „Saint Croix“ zu erreichen.

      Knapp die Hälfte der von ihm kalkulierten Zeitspanne war abgelaufen, als plötzlich der Donner einer Explosion ertönte. Louis stand wie gelähmt da. Sein Mund öffnete sich langsam, seine Augen weiteten sich.

      „Was war das?“ stieß einer seiner Gefährten aus. „Das war nie und nimmer eine Schiffskanone.“

      „Die Bombe! Sie haben wieder eine ihrer Flaschenbomben zum Einsatz gebracht“, sagte Louis. „Wie konnten sie so rasch heran sein? So schnell ist eine Galeone doch nicht. O Himmel …“

      „Sie hat sehr hohe Masten und sehr viel Segelfläche“, meinte einer seiner Kumpane. „Scheint auch sehr flach konstruiert zu sein. Das ist wohl die Erklärung für …“

      „Zwei Mann bleiben hier“, schrie Louis plötzlich. „Die anderen neun mit mir! Ich will an dem Gefecht teilnehmen! Wenn sich auch nur einer der Gefangenen erdreistet, über die Palisade zu sehen, schießt ihr ihn nieder, verstanden?“

      „Ja“, erwiderte einer der Freibeuter. „Aber wer bleibt nun hier?“

      Louis wählte die Männer aus, dann rannte er mit den anderen los. Sie tauchten ins Dickicht, stolperten fluchend voran und hörten jetzt den Donner einer neuen Explosion.

      Maurice und der gewichtige Brassens konnten von ihrem erhöhten Posten aus die Feuerblitze und die schwarzen Qualmwolken sehen, die von der Küste aufstiegen.

      Der Angriff der Seewölfe hatte begonnen.

      9.

      Die Ankerbucht der „Saint Croix“ verfügte über eine recht enge Einfahrt, die allenfalls zwei Schiffe zur selben Zeit passieren ließ. Dies hatte Bill, der Ausguck der „Isabella“, aus der Entfernung von gut einer halben Meile schon entdeckt, bevor Ben Brighton, der von Hasard das Kommando übernommen hatte, sich zu einer recht eigenwilligen Taktik durchrang. Bills Meldung, daß der Bucht eine bewaldete Barriere vorgelagert war, gab den Ausschlag. Ben entschied sich für ein kleines Ablenkungsmanöver.

      Gefährlich krängte die „Isabella“ nach Backbord, hart lag sie an dem frisch aus Osten blasenden Wind. Ihre Masten hatten sich der Wasserfläche so tief zugeneigt, daß Ben fest damit rechnete, die Piraten in der Bucht würden sie erst im allerletzten Augenblick entdecken können. Jedenfalls ragte der Dschungel auf der Landzunge vor der Bucht höher auf als die Großmarsstenge der „Isabella“.

      „Ferris!“ rief Ben dem rothaarigen Schiffszimmermann zu.

      Ferris Tucker kauerte schon auf der Back, wo er diesmal seine „Höllenflaschenabschußkanone“ aufgebaut hatte. Er drehte sich zu Ben um, der auf dem Quarterdeck stand, und grinste ihm wie der Teufel in Person zu. Er zeigte klar, und Ben Brighton gab ihm seinen Befehl: „Sobald du kannst, läßt du die erste Flasche los. Schick sie so weit wie möglich nach Süden ’rüber!“

      „Aye, Sir. Schon verstanden, Sir!“ rief Ferris zurück. Er richtete sich auf seine Aufgabe ein, plazierte die erste Flasche auf der pfannenförmigen Vorrichtung des Apparates, zerrte ein Kupferbecken mit glimmender Holzkohle zu sich heran, griff sich einen Luntenstock und zündete die Lunte der Flasche, sobald sie auf weniger als eine Kabellänge Distanz an die Einfahrt der Bucht heran waren.

      Die Flaschenbombe wirbelte von Bord, als er die Arretierung der Schleuder löste. Sie flog nach Steuerbord davon, landete im Regenwald und ging mit mächtigem Getöse in die Luft. Ferris packte gleich die nächste Flasche auf die Pfanne, blickte zu Ben – und ließ auch diese Ladung los, weil Hasards erster Offizier und Bootsmann ihm aufmunternd zunickte.

      Die Höllenflasche segelte über die südliche Landzunge der Bucht, schlug in den Busch am Südufer des Piratenverstecks und ging hier mit genauso großem Donner wie die erste hoch.

      So kam es, daß die „Isabella“ unbehelligt durch die Einfahrt segelte und von den Piraten an Bord der „Saint Croix“ viel zu spät bemerkt wurde, weil sie in diesem Moment alle wie gebannt nach Süden spähten. Vielleicht wäre Ben Brighton die Überraschung auch ohne den Einsatz der beiden Flaschenbomben gelungen, aber er hielt diese Art Taktik für effektvoller – und für dramatisch genug, um den Franzosen einen gehörigen Schrecken einzujagen.

      Mit einemmal war die „Isabella“ mitten in der Ankerbucht des Piratenseglers und rauschte mit den Wogen auf den Feind zu.

      Die „Saint Croix“ war tatsächlich kein Schiff von bescheidenen Maßen. Ben Brighton warf Old O’Flynn, der rechts neben ihm an der Querbalustrade des Quarterdecks stand, einen Seitenblick zu und rief: „Mindestens vierhundert Tonnen, schätze ich, und Kanonen hat der Bruder auch genug. Zwei Dutzend Geschütze, nach seinen Stückpforten zu urteilen …“

      „Deck!“ schrie Bill, der Moses, hoch über ihren Köpfen. „Sie springen an die Kanonen, die Kerle!“

      Dann räumte er den Großmars – und es war auch höchste Zeit dafür. Die Piraten hatten ihre Überraschung überwunden. Sie fluchten, brüllten sich gegenseitig Befehle zu und hasteten auf ihre Gefechtsposten. Klar zum Kampf war die „Saint Croix“, und auch die Schäden, die sie durch die Riesenwelle erlitten hatte, waren inzwischen bis auf Kleinigkeiten alle behoben.

      Vier Kerle rannten an die Winsch, rammten die Spillspaken hinein und begannen zu drehen. Der Anker hob sich, das Großsegel und die Fock wurden gesetzt, die Galeone nahm etwas Fahrt auf, ehe die „Isabella“ ihr ganz auf den Leib rücken konnte – und dann wummerten auch schon zwei Drehbassen und zwei Serpentinen los, die auf ihrer Back montiert waren.

      „Zieht die Köpfe ein!“ schrie Ed Carberry auf der Kuhl der „Isabella“. „Ben, auf was wartest du?“

      „Ruder hart Steuerbord!“ rief Ben Brighton dem Rudergänger Pete Ballie zu. „Wir halsen und begrüßen die Halunken mit den Backbordgeschützen! Männer, klar zur Halse!“

      Die Bucht war geräumig genug, um das Manöver zu gestatten. Für einen Moment sah es so aus, als wollten die „Isabella“ und die französische Galeone aufeinander zulaufen. Aber dann lag die „Isabella“ auch schon auf dem anderen Bug, steuerte in einer engen Schleife das Buchtufer im Osten an und glitt zwischen den Fontänen hindurch, die die Kugeln der gegnerischen Drehbassen und Serpentinen im Wasser hatten aufsteigen lassen.

      „Backbordbatterie – Feuer!“ brüllte der Profos.

      Die Culverinen schienen sich aufzubäumen, spuckten Feuer, Eisen und Rauch, ruckten auf ihren Lafetten zurück und prallten in die Brooktaue zurück, als wollten sie sie sprengen. Die sandbestreute Kuhl vibrierte. Carberry feuerte die Crew mit seinen üblichen Rufen an. Bill, Philip junior und Hasard junior rannten auf und


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