Seewölfe Paket 10. Roy Palmer

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Seewölfe Paket 10 - Roy Palmer


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Ostseite der Insel etwas abspielt, wovon wir noch nicht die geringste Ahnung haben. Ihr setzt Segel und seht nach dem Rechten. Kann sein, daß wir auf dem Landweg nicht viel schneller sind als ihr. Vor allem müssen wir uns jetzt um Dan kümmern.“

      „In Ordnung“, antwortete die Rote Korsarin und gab den Männern ein Zeichen, ihre Ausrüstung und sonstige Habseligkeiten zusammenzusuchen. Sie respektierte die Entscheidung des Seewolfs, obwohl es ihr widerstrebte, ihn jetzt allein zu lassen. Aber es bestand eine Übereinkunft zwischen Hasard und ihr, daß sie seine Anordnungen vor den Männern niemals kritisierte, geschweige denn ihm widersprach. Siri-Tong wußte, wieviel Hasards Autorität bedeutete.

      Nur der alte O’Flynn wagte einen Einwand.

      „Es geht um meinen Sohn“, sagte er, während die anderen schon losrannten, um ihre Sachen zusammenzuklauben. „Ich komme mir verdammt schäbig vor, wenn ich jetzt einfach abhaue und ihn im Stich lasse.“

      Hasard, der die Fackel von Gary Andrews übernommen hatte, klopfte dem alten Seebären verständnisvoll auf die Schulter.

      „Uns liegt Dan genauso am Herzen wie dir, Donegal. Du kannst dich darauf verlassen, daß wir die Beine in die Hand nehmen werden, um ihn so schnell wie möglich herauszuhauen.“

      Old O’Flynn stieß ein zögerndes Brummen aus. Schließlich nickte er zustimmend. „Schon gut, schon gut, Hasard, Sir. Ich weiß ja Bescheid.“

      Dem Seewolf tat es in der Seele weh, den alten Mann abweisen zu müssen. Aber mit seinem Holzbein war er nun einmal eine unnötige Last, wenn es um eine rasche Verfolgung ging. Nur an Bord, auf den vertrauten Decksplanken, stand er noch immer seinen Mann, wenn die „Isabella“ in ein Seegefecht verwickelt und in Feuerrauch und Pulverdampf gehüllt war.

      „Du beeilst dich besser, Donegal“, sagte Hasard deshalb, „bis die anderen ihren Kram zusammenhaben, kannst du schon die Jolle klarieren. Jede Minute zählt jetzt.“

      „Aye, aye, Sir“, antwortete Old O’Flynn, machte kehrt und humpelte los, so schnell er konnte. Ihm war anzusehen, daß er froh war, jetzt eine Aufgabe zu haben.

      Batuti, Matt Davies und Jeff Bowie kehrten zu Hasard zurück. Sie trugen die schweren Entermesser an ihren Hüften und Jeff zusätzlich eine große lederne Umhängetasche, in denen sich Höllenflaschen und einige weitere Spielereien aus Al Conroys unermeßlichem Arsenal befanden.

      Siri-Tong war bereits zum Rand des Dorfes gelaufen. Die ersten Männer kehrten aus den Hütten zurück und versammelten sich bei der Roten Korsarin. Sie drehte sich noch einmal um und winkte dem Seewolf zu.

      Hasard hob ebenfalls die Hand.

      „Vorwärts jetzt“, sagte er rauh.

      Die Polynesier beobachteten sie mit stummen Blicken, als der große schwarzhaarige Mann, der riesenhafte Gambianeger und die beiden Männer mit den furchterregenden Hakenprothesen auf die königliche Hütte Charangus zumarschierten.

      Hasard schlug den Bastvorhang beiseite, der den Eingang verdeckte. Mit der Linken streckte er die Fackel in das Innere der Hütte. In der Rechten hielt er seinen Radschloßdrehling.

      „Der Hundesohn hat sich verdrückt!“ stieß Batuti hervor, der über Hasards Schulter lugte.

      Für den Seewolf war es keine große Überraschung. Er nickte nur, drehte sich um und schob die Waffe wieder unter den Gurt.

      „Weiter!“

      Als sie zum Ostrand des Dorfes liefen, war Siri-Tongs Gruppe vollzählig. Während Hasard und seine drei Begleiter im Palmenwald verschwanden, eilte die Rote Korsarin mit den anderen zum Strand hinunter.

      Dort wartete Old O’Flynn schon bei der Jolle. Ein paar Schritte entfernt hatte er einen von Al Conroys Brandsätzen auf den hellen Sand gebettet. Das vereinbarte Zeichen für Ben Brighton und die Bordwache auf der Galeone.

      „Zünden!“ rief Siri-Tong.

      Old O’Flynn humpelte auf den Brandsatz zu und ging in die Hocke. Geschickt schlug er Feuer mit zwei Flints und zündete die Lunte im Handumdrehen.

      Die Rote Korsarin packte selbst mit an, als die Männer begannen, die Jolle zum Wasser hinunterzuschieben. Old O’Flynn folgte ihnen und war zur Stelle, als das große Beiboot im seichten Uferwasser dümpelte. Siri-Tong und die Männer schwangen sich auf die Duchten. Gary Andrews, Big Old Shane und Moses Bill folgten als letzte, nachdem sie die Jolle auf größere Tiefe geschoben hatten.

      Mit kraftvollen Schlägen begannen die Männer zu pullen. Das Boot gewann rasch an Fahrt.

      Am Ufer erreichte die Lunte die Pulverladung des Brandsatzes. Eine weiße Stichflamme schoß zischend empor, und im nächsten Moment breitete sich hellrote Glut aus, die als übermannshoher Feuerball minutenlang loderte. Nur allmählich sank die Glut in sich zusammen, und der rötliche Schein, der sich auch auf die dunkle Wasserfläche gelegt hatte, schwand.

      Siri-Tong warf einen Blick voraus.

      Die Umrisse der „Isabella“ zeichneten sich wie ein scharfliniger Scherenschnitt vor dem Blau des Sternenhimmels ab. Und deutlich waren nun auch die Silhouetten der Männer zu erkennen, die an Bord in Bewegung gerieten und in den Wanten aufzuentern begannen. Befehle erklangen. Eine der Stimmen hallte so mächtig, daß sie mit Sicherheit noch im Dorf der Polynesier auf Kahoolawe zu hören war. Edwin Carberry war in seinem Element.

      „Reise, reise, aufwachen, ihr müden Kakerlaken! Ihr pennt ja noch immer, ihr Heringe! Tempo, Tempo, bewegt euch, ihr verdammten Affenärsche, oder ich ziehe euch die Haut in Streifen ab!“

      Siri-Tong mußte lächeln. Der gute alte Profos genoß es hörbar, daß sie nicht an Bord war. Noch nicht. Wenn er gewußt hätte, daß die Rote Korsarin herannahte, dann hätte er sich vermutlich an seinen eigenen Worten verschluckt. Denn Siri-Tong legte seit einiger Zeit besonderen Wert darauf, daß die Söhne des Seewolfs einen halbwegs anständigen Wortschatz mit auf ihren Lebensweg bekamen. Deshalb scheute sie sich nicht, Carberrys Ausdrucksweise bei jeder passenden Gelegenheit in Grund und Boden zu verdammen.

      Als die Jolle kurze Zeit später längsseits ging, setzten die Männer im Handumdrehen Segel. Das Tuch flatterte in einer handigen Brise, die aus Nordwest wehte. Besser konnten die Seewölfe es nicht erwischen. Knarrend setzte sich das Ankerspill in Bewegung, während die Jolle noch an Bord gehievt würde.

      Siri-Tong eilte zu Ben Brighton auf das Quarterdeck. Mit wenigen Worten informierte sie ihn über die Lage.

      „Kurs Südost!“ rief der Erste Offizier mit energischer Befehlsstimme.

      „Aye, aye, Sir! Kurs Südost!“ antwortete Pete Ballie aus dem Ruderhaus und wenig später: „Kurs Südost liegt an, Sir!“

      Auf dem Hauptdeck brüllte Edwin Carberry und scheuchte die Männer an die Brassen.

      Unter Vollzeug nahm die Galeone Fahrt auf.

      8.

      Dan O’Flynn lief im Wolfstrab. Sorgfältig achtete er darauf, seine Atemluft gut zu rationieren. Er hatte die Entführer aus den Augen verloren. Es war ihr Vorteil, daß sie das Gelände besser kannten.

      Aber er war absolut sicher, daß er den richtigen Kurs eingeschlagen hatte. Düster und drohend ragten die Felsformationen vor ihm auf – scheinbar zum Greifen nahe und doch noch mindestens eine halbe Meile entfernt.

      Im Zentrum des Bergmassivs reckte sich ein Kegelstumpf dem Sternenhimmel entgegen.

      Kuolai …

      Der Berg der Götter.

      Dan erinnerte sich an das, was Moana ihm mühevoll erklärt hatte. Ein Schauer kroch über seinen Rükken. Er dachte an ihre sanfte, verängstigte Stimme und an die geschickten Zeichen ihrer schlanken Hände. Eines erschien ihm immer noch seltsam: Sie hatte zwar unendliche Angst vor diesem grausamen Opferritual empfunden, aber durch nichts hatte sie zu erkennen gegeben, daß sie es als Unrecht betrachtete. Nein, im Denken von Moana und ihren Stammesgefährtinnen waren


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