Seewölfe Paket 10. Roy Palmer

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Seewölfe Paket 10 - Roy Palmer


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Mädchen ausstießen.

      Und der schlanke Körper des Haies, der jetzt auf gleicher Höhe mit ihm war.

      Dan riß die Augen weit auf und unterdrückte das anfängliche Brennen des Salzwassers. Mit zügigen Schwimmbewegungen glitt er knapp unter der Wasseroberfläche voran.

      Der Hai hatte ihn bemerkt.

      Dan sah, wie sich der mächtige Leib des Raubfischs schlagartig krümmte und seine Richtung änderte.

      Reaktionsschnell tauchte der junge O’Flynn auf, holte tief Luft und stieß wieder hinunter.

      Das menschenfressende Monstrum schoß auf ihn zu. Dan registrierte die Einzelheiten in grausamer Deutlichkeit: das breite Maul mit den mörderischen Zähnen, die tückisch funkelnden kleinen Augen. Es schien, als grinse das Tier in mörderischer Vorfreude.

      Zwar sagte man, daß Haie nur dann angriffen, wenn sie frisches Blut gewittert hatten. Aber darauf wollte Dan sich nicht verlassen. Und dieser furchterregende Bursche sah beim besten Willen nicht so aus, als würde er sich durch eine Handbewegung verscheuchen lassen.

      Dan zog das schwere Entermesser aus der Scheide. Noch fünf, sechs Yards. Rasend schnell schmolz die Entfernung zusammen.

      Wie ein gigantisches, lebendes Geschoß raste das Tier auf ihn zu.

      Dan berechnete den Moment seiner Gegenwehr mit eiskalter Todesverachtung. Er zählte die Sekunden.

      Mit einem jähen Schwimmstoß, in den er alle Kraft legte, glitt er abwärts und drehte sich dabei gleichzeitig um die eigene Achse.

      Der mächtige Körper glitt über ihn weg. Dan spürte die rauhe Haut des Tiers auf seinen Unterschenkeln.

      Blitzschnell stieß er das Entermesser hoch.

      Knapp vor der Schwanzflosse fuhr die breite Klinge in den Leib des Hais. Der Körper zuckte. Dunkelrotes Blut faserte wie eine düstere Wolke in das leuchtende Wasser. Die Schwanzflosse bewegte sich peitschend, und das Tier schoß davon.

      Dan empfand noch keine Erleichterung. Der Druck, den die knapp werdende Atemluft in seinem Kopf verursachte, zwang ihn zum Auftauchen. Krampfhaft rang er nach Atem, als er über die Wasseroberfläche hinausschoß. Seine Muskeln waren zum Zerreißen gespannt. Er war bereit, wieder hinunterzutauchen und sich dem mörderischen Kampf zu stellen.

      Da sah er die Dreiecksflosse, die sich entfernte – zur Öffnung im Riff hin.

      Und schlagartig begriff Dan. Der Mörderhai ergriff die Flucht. Die Flucht vor seinen eigenen Artgenossen.

      Dort, wo bis eben das Rudel der Haie gelauert hatte, entstand ein Brodeln. Mächtige Flossen peitschten das Wasser, Fontänen stiegen auf. Sie hatten das Blut gewittert, das ihren Tötungsinstinkt weckte. Daß es kein Menschenblut war, bedeutete für die Bestien keinen Unterschied. Und der verwundete Hai hatte die Gefahr mit eben jenem Instinkt gespürt. Aber die Flucht gelang ihm nicht mehr.

      Weit vor dem natürlichen Tor des Riffs begann die Lagune zu kochen. Die kristallklaren Fluten färbten sich dunkel, und der Schaum, den die peitschenden Schwanzflossen auf der Wasseroberfläche verursachten, war hellrot.

      Mehr war nicht zu sehen. Und dennoch genügte es. Allein die Vorstellung, wie die Haie ihren eigenen Artgenossen in unermeßlicher Freßgier zerfleischten, erregte in Dan O’Flynn ein Gefühl des Grauens. Er wandte sich ab und schwamm zu den Auslegerbooten hinüber.

      Die Mädchen hatten sich bereits alle in die Boote gerettet. Mit vor Entsetzen geweiteten Augen blickten sie zu dem Schauplatz des grausigen Geschehens.

      Es schien kein Ende zu nehmen. Immer noch brodelte das Wasser, und zeitweise waren Schwanz- oder Rückenflossen der Haie zu sehen.

      Dan zog sich in das Boot, in dem Moana mit zwei Gefährtinnen kauerte. Vergessen waren die Fragen, die ihn bewegt hatten. Vergessen all das, über das er sich mit Moana hatte verständigen wollen. Jetzt zählte nur die Tatsache, daß ihr Leben gerettet war.

      Moana umarmte den jungen Mann mit einem leisen Aufschrei. Zitternd barg sie ihren Kopf an seiner Schulter, und er strich ihr sanft über das. Haar. Die beiden anderen Mädchen wandten den Blick zur Seite. Sie waren blaß, ihre Gesichter noch immer vom Entsetzen gezeichnet.

      „Es ist alles vorbei“, sagte Dan leise, obwohl er wußte, daß Moana ihn nicht verstand. Doch er wußte, daß sie spürte, was er ausdrücken wollte.

      Irgendwann, nach endlosen Minuten, war die blutige Freßorgie der Haie vorüber. Die Dreiecksflossen zogen davon, durch das Tor im Riff, und ließen ein blutiges Feld im ruhiger werdenden Wasser der Lagune zurück.

      Die Mädchen hatten sich halbwegs von ihrem Schreck erholt. Dan holte das Kanu und kehrte im Pulk der Auslegerboote an den Strand von Kahoolawe zurück.

      Dort hatten sich Menschen und Gibbons in heller Aufregung versammelt. Doch als sie alle Mädchen unversehrt sahen, brach ein Sturm der Begeisterung los. Die Polynesier umringten Dan O’Flynn, der Moana im Arm hielt und sich insgeheim wunderte, warum kein eifersüchtiger Bräutigam auftauchte. Doch für solche Gedanken blieb keine Zeit. Frauen behängten Dan mit Blumenkränzen, und die Männer tanzten mit beifälligen Gesten um ihn herum.

      In einem wahren Triumphzug geleiteten sie den Retter der Mädchen zurück ins Dorf. Die Männer von der „Isabella“ folgten der Meute mit einigem Abstand. Sie gönnten Dan den Ruhm, den er jetzt auf der Insel genoß. Denn immerhin hatte er nicht mehr und nicht weniger als sein Leben eingesetzt.

      Hasard und Siri-Tong, die sich etwas abseits gehalten hatten, waren im Begriff, der Menschenmenge zu folgen.

      Unvermittelt erblickten sie den Inder. Er hatte sich an den jubelnden Polynesiern vorbeigedrängt und näherte sich mit gravitätischen Schritten dem Strand. Der seidene Umhang, den er wieder trug, unterstrich sein Gehabe.

      Die Rote Korsarin wechselte einen raschen Blick mit dem Seewolf. Sie blieben stehen. Siri-Tong hatte auf Anhieb ein schlechtes Gefühl gehabt, wie sie es nannte. Dieses schlechte Gefühl beschlich sie immer dann, wenn sie Menschen begegnete, die ihr unsympathisch waren, ohne daß sie eine Erklärung dafür hatte. Frauen, so pflegte sie zu erklären, hätten eben ein besonders ausgeprägtes Gefühl dafür, die Wesenszüge von Menschen auf Anhieb einzustufen.

      Und Hasard hatte sich schon manches Mal gewundert, wie sehr diese besagten Gefühle Siri-Tongs zutrafen. In bezug auf Charangu war er mit ihr allerdings sofort voll und ganz einig gewesen.

      „Einen tapferen jungen Burschen haben Sie da in Ihrer Mannschaft“, sagte der Inder und faltete die Hände vor dem Bauch.

      Hasard nickte.

      „Er hat getan, wozu er sich verpflichtet fühlte. Und er tat es so schnell, daß ich keine Gelegenheit mehr hatte, ihm zu Hilfe zu eilen.“

      Charangu bewegte den Kopf auf und ab, obwohl seine geistesabwesende Miene zeigte, daß er kaum zugehört hatte.

      „Es ist seltsam“, murmelte er, „wir haben sonst so gut wie nie Haie hier. Ob die Bestien durch das fremde Schiff angelockt wurden?“

      „Sie meinen, durch mein Schiff?“

      Charangu schien aus seiner Abwesenheit zu erwachen.

      „Oh, Verzeihung, Mister Killigrew. So habe ich das nicht gemeint. Sie verstehen, ich suche eine Erklärung für diesen Zwischenfall. Ich muß mir etwas einfallen lassen. Möglicherweise könnte die Stimmung der Polynesier gegen Sie aufgewiegelt werden, wenn sie sich erst einmal von der Freude erholt haben. Vielleicht glauben diese einfältigen Menschen, daß die Götter zornig seien. Und dann werden sie es womöglich mit einem bösen Omen in Zusammenhang bringen. Ein böses Omen, das sich mit dem Erscheinen des fremden Schiffes in Verbindung bringen ließe.“

      „So einen Unsinn würde ich nicht vermuten“, sagte Siri-Tong scharf. Sie ließ den Inder deutlich spüren, daß sie ihn nicht mochte. „Oder wollen Sie damit andeuten, daß es besser wäre, wenn wir die Insel vorzeitig verlassen würden?“

      Charangu zuckte zusammen.

      „Um


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